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Referendariat

Der Einführungslehrgang für die Strafstation

By 5. Juni 2017Oktober 18th, 2023No Comments
Erfahrungsbericht_Strafstation_FB

Mein Einführungslehrgang für die Strafstation

Da hat man es geschafft:
Sein ganzes Leben lang brav im Einklang mit der Rechtsordnung gelebt und sich nie etwas zu Schulden kommen lassen und trotzdem flattert plötzlich ein dünner Brief ins Haus, der einen auffordert, sich an Tag X bei der Staatsanwaltschaft einzufinden.
Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich die Zivilstation dem Ende neigt und die nächste Station unmittelbar bevorsteht.
Diese beginnt bei uns in Hessen mit einem einwöchigen Einführungslehrgang für die Strafstation, der von unserem späteren AG-Leiter geleitet wird.

Tag 1:

Zum Glück lag zwischen dem letzten Tag der Zivilstation und dem Beginn der Strafrechtstation ein um einen Feiertag verlängertes Wochenende, sodass ich noch einmal Gelegenheit hatte, die Basics im Strafrecht zu wiederholen (für alle, die ähnliche Erinnerungslücken haben: Strafrecht ist das, bei dem Menschen Ärger bekommen, wenn sie etwas Unschönes gemacht haben. Das und circa siebzehn Theorien zum Erlaubnistatbestandsirrtum).
Pünktlich um 9 Uhr fanden wir uns an unserem ersten Tag der Einführungswoche in dem, verglichen mit dem historischen Gerichtsgebäude des Landgerichts, eher tristen Neubau der Staatsanwaltschaft ein.

Ohne große Umschweife ging es direkt los mit der Vorbereitung auf den uns ab nächster Woche erwartenden Sitzungsdienst.

Referendare dürfen [zu lesen als „müssen“] in Hauptverhandlungen vor dem Strafrichter Sitzungsdienste übernehmen. Dies bedeutet, dass wir vorab die Handakten mit den Anklageschriften etc. zum Verfahren bekommen und dann nach Rücksprache mit unseren Ausbildern in der Hauptverhandlung die Staatsanwaltschaft vertreten.

Dabei müssen wir gemäß § 243 Abs. 3 StPO die Anklageschrift verlesen (wobei der Begriff „Angeschuldigter“ gem. § 157 StPO immer durch „Angeklagter“ ersetzt werden muss), Anträge und ggf. Fragen stellen sowie ein abschließendes Plädoyer halten.

Letzteres übten wir direkt an unserem ersten Tag gemeinsam anhand eines bereits rechtskräftig entschiedenen Falles.

Keine weiteren Fragen, euer Ehren!

Tag 2:

Am zweiten Tag des Einführungslehrgangs besuchten wir zwei Hauptverhandlungen vor einer Strafrichterin, deren Anklageschriften wir vorab gemeinsam lasen und durchsprachen.

Leider konnten wir nur im zweiten Fall ein Plädoyer hören, weil der Angeklagte im ersten Verfahren „aus Angst vor einer Verurteilung“ gar nicht erst erschienen ist. In einem solchen Fall hat die Staatsanwaltschaft – und somit im Sitzungsdienst auch wir – allerdings die Möglichkeit, nach § 408a StPO einen Strafbefehlsantrag zu stellen, wovon der anwesende Oberamtsanwalt auch Gebrauch gemacht hat.

Dagegen kann der Angeklagte, falls er sich denn doch entschließen sollte, am eigenen Strafverfahren mitzuwirken, nach § 410 StPO binnen zwei Wochen Einspruch einlegen.

Tag 3:

Heute lernten wir, wie man eine Anklageschrift aufbaut und formuliert. Dies werden wir nicht nur für die Einzelausbildungen brauchen – auch im Staatsexamen gehören Anklageschriften wohl zum Kanon der als sicher geltenden Klausurtypen.

Dementsprechend geht auch bereits das wilde und unkoordinierte Anschaffen von Übungsmaterialien los, obwohl unser AG-Leiter uns bereits diesbezüglich sehr viel zur Verfügung stellt.

Aber schließlich kennt jeder den einen Kollegen eines Kommilitonen, dessen Bruder eine Freundin hat, die mit einem bestimmten Skript 19 Punkte erzielt hat und das man deshalb unbedingt kaufen muss.

Und da geht sie hin, meine Unterhaltsbeihilfe.

Tag 4:

Von Arbeitskollegen weiß ich, dass man im Rahmen der Strafrechtstation, neben der Ausbildung bei der Staatsanwaltschaft, mitunter auch die Möglichkeit hat, beispielsweise an einer Obduktion teilzunehmen.

Als AG-Sprecherin sah ich es als meine Aufgabe an, unseren diesbezüglichen Wunsch gegenüber unserem AG-Leiter zu kommunizieren. Und nach dessen skeptischer Rückfrage mehrfach zu bestätigen.

Er hält uns jetzt vermutlich für sehr sonderbar, aber hat uns versichert, dass er uns Bescheid gibt, sobald eine Obduktion ansteht.

Daneben werden wir in den nächsten Monaten auch bei einer Polizeistreife mitfahren.

Leider klappt es vermutlich nicht, dass wir auf einen Schießstand dürfen und auch sonst „dürfen wir auf nichts schießen“. Nun ja, ich dachte, ich frag eben mal.

Tag 5:

Auf unsere eigene Bitte hin, übten wir heute zum dritten Mal die Vorbereitung und Halten eines Plädoyers.

Im Gegensatz zu uns, ist unser AG-Leiter weniger besorgt, dass wir dabei beim Sitzungsdienst etwas falsch machen könnten.

Solange wir keinen Rechtsmittelverzicht erklären oder ein Verfahren einstellen würden, könne man alle Fehler schließlich noch ausbügeln.

Beruhigend.

Fazit

Bereits nach kurzer Zeit sind wir mittendrin im Strafrecht und haben auch schon einen groben Überblick, was uns die kommenden vier Monate erwartet.

Zwar durften wir auch in der Zivilstation schon eigenständig Beweisaufnahmen durchführen, allerdings saß unser Ausbilder dabei immer beschützend und bewachend an unserer Seite.

In der Strafstation werden wir selbständig an Hauptverhandlungen teilnehmen und diese mitgestalten, ohne dass unsere Ausbilder anwesend sind.

Das wird auf jeden Fall super spannend und ich kann es gar nicht erwarten, meinen ersten Sitzungsdienst abzuleisten.

Flavia

– Referendarin aus Hessen

 

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Beitragsautor:

Flavia Schardt

Flavia Schardt

Flavia berichtete uns über ihre Erlebnisse und Erfahrungen, die sie während ihres juristischen Vorbereitungsdienstes gemacht hat.

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