Herr Anwalt informiert! – Referendariat: Die Station bei der Staatsanwaltschaft
Liebe Rechtsfreunde,
Die Staatsanwaltschaft – Die Kavallerie der Justiz.
Bei ihr arbeitet der durchschnittliche Staatsanwalt 5388 Akten pro Tag ab, um als Bollwerk dem Verbrechen entschlossen entgegenzutreten.
Und damit es nicht 5389 Akten werden, schlüpft ihr auch schon als Rechtsreferendare für ein paar Monate in die Rolle des Anklägers. Und ich weiß: Manche von euch haben da wirklich ziemlich viel Respekt, wenn nicht gar Angst vor.
Wir wollen heute die folgenden Fragen klären:
Was sind eigentlich meine Aufgaben bei der Staatsanwaltschaft?
Wie läuft der sog. Sitzungsdienst ab?
Welche Tipps habe ich da in Petto um euch diese Angst zu nehmen?
Und was hat es mit dem ominösen Trinkversuch auf sich?
I. Was sind deine Aufgaben in der Staatsanwaltschaftsstation?
Die Ausbildung teilt sich auch in der Staatsanwaltschaftsstation in einen Theorie- und einen Praxisteil
1.
Im Theorieteil habt ihr ganz normal eine Arbeitsgemeinschaft und lernt dort vor allem eine sog. Abschlussverfügung zu schreiben. D.h. ihr bekommt einen Aktenstoff mit etwa 10 Seiten und sollt am Ende eine Entscheidung treffen, was als nächstes zu tun sei. In den meisten Fällen wird von euch erwartet, dass ihr ein Gutachten über die materielle und prozessuelle Rechtslage schreibt und dann nach der Prüfung eine Abschlussverfügung und idR eine Anklageschrift entwerft.
a)
Die Prüfung der materiellen Rechtslage ist im Grunde nichts anderes, als ihr bereits aus dem Ersten Examen kennt. Ihr prüft schlichtweg, wer sich auf welchem Weg strafbar gemacht haben könnte. Mit prozessuale Rechtslage ist gemeint, dass ihr beispielsweise überprüft, welches Gericht zuständig ist, ob Untersuchungshaft angeordnet werden, oder beispielsweise die Fahrerlaubnis entzogen werden sollte.
b)
Bei der sog. Abschlussverfügung trainiert ihr, wie ihr eine Verfügung an die Geschäftsstelle schreiben würdet, beispielsweise ob ein Haftbefehl beantragt werden oder ein Pflichtverteidiger bestellt werden soll.
c)
In der darauf folgenden Anklageschrift geht es darum, was dem Beschuldigten zur Last gelegt wird und zwar einmal als Abstraktum und einmal als Konkretisierung
Das Abstraktum wiederholt im Grunde den Gesetzestext der jeweiligen Strafnorm und in der Konkretisierung steht, was der Beschuldigte genau gemacht hat.
2.
In der praktischen Ausbildung hingegen seid ihr einem Einzelausbilder unterstellt.
Das ist in aller Regel ein Staatsanwalt. Es gibt aber auch vereinzelt die Möglichkeit, den praktischen Teil bei einem Strafrichter abzuleisten. Wenn ihr das wollt, dann fragt einfach mal bei eurer Ausbildungsstelle nach.
In der praktischen Ausbildung macht ihr im Grunde zwei Dinge:
a) Praktische Abschlussverfügungen für euren Ausbilder schreiben u.
b) den Sitzungsdienst wahrnehmen.
Über die Abschlussverfügungen haben wir ja gerade schon gesprochen. Wichtig für euch zu wissen: Die Abschlussverfügungen werden idR durch euren Ausbilder benotet und sind im Grunde die einzige Möglichkeit für euren Ausbilder herauszufinden, ob ihr von Strafrecht ein bisschen Ahnung habt, oder eben nicht.
Viel interessanter ist aber der Sitzungsdienst.
II. Der Sitzungsdienst
Was macht man nun genau beim Sitzungsdienst und wie läuft das ab?
Über den Sitzungsdienst scheiden sich die Geister. Die einen freuen sich riesig darüber, dass sie endlich mal was Praktisches tun können, die anderen treibt der schiere Gedanke daran, nun offiziell vor Gericht aufzutreten und etwas sagen zu müssen in den Wahnsinn.
Und wenn ihr zur letzteren Gruppe gehört kann ich euch sofort beruhigen:
Ihr könnte fast nichts falsch machen und ich sage euch auch gleich noch warum.
Fangen wir mal vorne an.
Was braucht ihr Minimum für den Sitzungsdienst
- Eine Robe
- Als Mann ’ne weiße Krawatte
- Euer Gehirn.
Hinsichtlich der Robe braucht ihr euch in der Regel keine Gedanken zu machen. Es gibt Leihroben, die könnt ihr euch bei der Staatsanwaltschaft ausborgen. Und dazu auch ein gut gemeinter Hinweis. Wie die an euch aussieht, interessiert niemanden. Auch nicht ob die abgenutzt ist oder ein kleines Loch hat.
Macht bitte nur eins nicht: Zieht das Ding nicht vor dem Gericht oder auf dem Flur an, weil dann erkennt man euch sofort als Amateur.
Praktiker machen es wie Enrique Iglesias: So kurz wie möglich, so lang wie nötig.
Eine weiße Krawatte gibt es in jedem Herrengeschäft oder bei Amazon. Die Frauen haben glaube ich entweder ein weißes Tuch oder zumindest ne weiße Bluse an und sind damit komplett angezogen.
Meines Erachtens solltet ihr euch dann noch ein kurzes Skript für den Sitzungsdienst besorgen, welches ihr dann auch in eurer Akte mitschleppen könnt..
Wer es etwas aufwändiger haben will, der kann sich dann, wenn er die Akten bekommt, schon mit unterschiedlichen Szenarien beschäftigen. Man sollte sich aber natürlich auf die konkrete Situation einstellen, die sich im Saal bietet.
Zum Ablauf selbst:
Wenn ihr schon im Raum seid und der Richter kommt rein, dann steht ihr auf.
Das Verfahren beginnt idR indem festgestellt wird, dass der Angeklagte erschienen ist und häufig wird er dann – obwohl die StPO es eigentlich anders vorsieht – über seine persönlichen Verhältnisse befragt. Für euch ist das sehr wichtig, weil anhand dessen dann hinterher eine angemessene Geldstrafe festgesetzt werden kann.
Anschließend seid ihr dran. Ihr erhebt euch und verlest den Anklagesatz. Das beginnt in der Regel mit: Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeschuldigten auf Grund der durchgeführten Ermittlungen folgenden Sachverhalt zur Last und endet vor dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen.
Danach geht es schon inhaltlich zur Sache und ihr habt erstmal Sprech- aber nicht Denkpause, denn ihr müsst natürlich genau hinhören was der Angeklagte oder die Zeugen zu sagen haben und ggf. auch selbst Fragen stellen, insbesondere wenn für euch was unklar ist. Ganz selten könnte es mal sein, dass ein Beweisantrag gestellt werden muss. Ihr solltet dafür mal mit eurem Ausbilder besprechen, wie ihr euch in einem solchen Fall verhaltet.
Ist dann alles klar, und gibt es zum Sachverhalt nichts mehr zu sagen, müsst ihr anschließend den Schlussvortrag halten. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll, aber keine unlösbare Aufgabe. Optimalerweise habt ihr euren Script-Spickzettel und müsst diesen im Grunde nur in die richtige Reihenfolge bringen. Auch wenn das dann etwas holprig ist, reisst euch keiner den Kopf ab. Schlimm wäre im Grunde nur, wenn ihr einen vorbereiteten Text ablest der nicht durch die Verhandlung gestützt wird. Denn dann seid ihr schlichtweg befangen. Denkt also bitte immer daran: Hier geht es um die Zukunft eines Menschen.
Nichtsdestoweniger gibt es natürlich immer noch den Richter und erstens weiß dieser, dass ihr das nicht schon 1000 mal gemacht habt und dieser wird dann letztendlich auch eine Entscheidung fällen.
Also bereitet euch vernünftig und angemessen vor, aber überschätzt eure Bedeutung nicht.
Und ganz wichtig: ihr könnt auch jederzeit eine kurze Unterbrechung beantragen und euren Ausbilder oder den Eildienst anrufen. Dort sitzt dann ein Staatsanwalt und sagt euch, was ihr tun solltet.
Das Einzige was wirklich nicht gut wäre, wäre eine Einstellung oder einen Rechtsmittelverzicht ohne Rücksprache mit dem Ausbilder zu vereinbaren. Diesen Fehler könnt ihr nicht mehr wegbügeln. Aber es wird euch noch so oft gesagt, dass euch das nicht passiert.
III. Trinkversuch und Nachtfahrt
Und damit ihr nicht nur Respekt und Furcht vor der Station haben müsst, gibt es noch zwei Dinge, auf die euch freuen könnt:
1. Der Trinkversuch
Diesen gibt es in vielen möglichen Variationen. Bei uns war das eingebettet in eine Veranstaltung vom Polizeipräsidium Dortmund-
Ich hab den ganzen Abend Bier getrunken und dann konnte man dort in einen Simulator einsteigen, oder halt den Promilletest machen. Ich war ziemlich überrascht, wie wenig Promille da eigentlich nach einem guten Essen zu Buche stehen. Auch der Simulator war echt witzig. Meine Referendarskollegin hat jeden Radfahrer in der Simulation umgefahren, den man umfahren konnte. Heute ist sie Staatsanwältin.
2. Die Nachtfahrt
Des Weiteren gibt es noch manchmal die Möglichkeit einer Nachtfahrt mit der Polizei. Ich hab’s nicht gemacht, weil ich die Nächte damals als Rettungssanitäter kannte und da viel auch mit der Polizei zu tun hatte. Aber macht das mal ruhig. Es erdet so ein bisschen und ist manchmal auch ganz schön aufregend.
IV. Fazit
Liebe Rechtsfreunde,
ihr seht, man muss eigentlich keine Angst vor der Station haben, sondern kann sich im Gegenteil sogar darauf freuen. Seht es es vor allem mal als Herausforderung. Denn es dürfte für viele von euch der erste wirkliche Moment sein, bei dem eurer juristischen Handlungen in der Praxis tatsächliche eine Relevanz entfalten.
Der Autor
Tim Hendrik Walter ist praktizierender Anwalt und veröffentlicht auf seinem YouTube-Kanal als „Herr Anwalt“ regelmäßig Videos zu Rechtsfragen, dem Anwaltsdasein und der juristischen Ausbildung.
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