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Referendariat

Der staatsanwaltschaftliche Sitzungsdienst im Referendariat

By 13. September 2018März 15th, 2022No Comments
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Der staatsanwaltschaftliche Sitzungsdienst im Referendariat

Leitfaden und Tipps für den ersten staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst im Referendariat

Wer sich auf die Staatsanwaltsstation vorbereitet, hört von allen Seiten Gerüchte über den abzuleistenden Sitzungsdienst. Der folgende Erfahrungsbericht soll einen kurzen Einblick über die Anforderungen des Sitzungsdienstes sowie Tipps und Tricks zur erfolgreichen Ableistung geben.

In Schleswig-Holstein ist die Staatsanwaltsstation die erste Station im Referendariat. Ich hatte mich zwar vor dem Referendariat bereits anhand von Büchern und Erfahrungsberichten von Freunden vorzubereiten versucht, trotzdem war ich von den veränderten Anforderungen zunächst überwältigt. Nach zwei Wochen Einführung wurde der Welpenschutz dann auch bereits endgültig beendet und wir wurden umschichtig für Sitzungsdienste an den umliegenden Amtsgerichten eingeteilt. Gefühlt waren wir somit also zum Abschuss freigegeben…

Vorbereitung in der Arbeitsgemeinschaft: Lasst euch von Horrorstories nicht abschrecken!

In der Pflichtarbeitsgemeinschaft wird eine Einheit der Vorbereitung auf den Sitzungsdienst gewidmet. In meiner AG wurde hierbei der generelle Ablauf einer Sitzung von A-Z durchgegangen. In der Restzeit erzählte der AG-Leiter aus seinem eigenen Erfahrungsschatz darüber, was in einer Sitzung so alles schiefgehen kann. Dies sollte uns wohl beruhigen, sorgte aber eher dafür, dass wir einander nach diesen ganzen Horrorstories mit merklich grünen Gesichtern beklommen anstarrten. Kurzum: Keiner hat wohl wirklich fröhlich und zuversichtlich auf den ersten Sitzungsdienst geblickt. Und egal, wen man fragte, es wurden zunächst Horrorszenarien episch ausgebreitet, um dann mit den Worten „…aber das wird dir alles nicht passieren, keine Sorge, du wirst bald gar nicht mehr genug vom Sitzungsdienst bekommen!“ zu enden.

Und je öfter ich das hörte, desto weniger glaubte ich das…

Bereitet die Sitzungen anhand der Handakten sorgfältig vor.

Auch wenn jede Sitzung anders ablaufen kann, sollte die Vorbereitung möglichst routiniert und gleich ablaufen. Bei mir ist der jeweilige Sitzungsplan immer Freitagsmittags für die übernächste Woche abrufbar. In diesem Plan ist genau ersichtlich wer wann welche konkreten Fälle vor welchem Amtsgericht inkl. Richter zu verhandeln hat. Am Mittwoch darauf sind die dazugehörigen Handakten sowie die nötige Robe abholbar. Der Zustand der Leihroben ist – gelinde gesagt – gewöhnungsbedürftig. Außer diversen Rissen und Löchern, und dem obligatorischen Müffeln sind natürlich auch zu wenige in den verbreitetsten Größen vorhanden. Daher werden regelmäßig die Roben untereinander „weitergedealt“, wenn die begehrte Größe 36 ausnahmsweise erhascht werden konnte.

Doch zurück zur Vorbereitung: Die Handakten selbst sollte man für sich sorgfältig lesen und bearbeiten. In Bezug auf die richtige Technik der Sitzungsvorbereitung ist der Theiß – Vorbereitung auf den staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst sehr zu empfehlen. Insbesondere die Sitzungsrenner am Ende haben mir für die erste Sitzung sehr weitergeholfen.

Mit der sorgfältig vorbereiteten Akte sollte dann das Gespräch mit dem Einzelausbilder gesucht werden. In diesem sind vor allem mögliche Probleme zu besprechen, die sich aus der Akte ergeben. Basiert die Anklage zum Beispiel lediglich auf Zeugenbeweisen, sollte geklärt werden, wie das Vorgehen bei Ausbleiben des Zeugen ist (denn das kommt öfter vor, als man denkt).

Generell sollte immer besprochen werden, wie bei Ausbleiben des Angeklagten, der Zeugen oder Einstellungsverlangen von Seiten des Richters oder Verteidigers vorgegangen werden soll. Hierdurch vermeidet man es, in der Sitzung überrascht zu werden und dann hektisch mit der Staatsanwaltschaft telefonieren zu müssen. Denn in den meisten Fällen ist genau dann niemand greifbar und die Verhandlung verzögert sich unnötig (und der erkennende Richter wird pro Minute ungnädiger).

Zuletzt solle auch die im Plädoyer zu beantragende Strafe sowie etwaige Nebenanträge vorbesprochen werden. Vor der ersten Sitzung durfte ich meiner Ausbilderin mein Musterplädoyer für den Fall vortragen, das sie dann nochmal aus praktischer Sicht korrigiert hat.

Der Ablauf der ersten Sitzung oder auch „Egal, was passiert, ich stelle anheim!“

Am Tag der Sitzung solltet ihr ca. eine Viertelstunde vorher bei Gericht eintreffen. Schaut euch vorher nötigenfalls die Strecke und evtl. Verkehrsverzögerungen an und plant die nötige Reisezeit sorgfältig ein. Nichts ist peinlicher, als ein zu später Staatsanwalt – naja, außer vielleicht noch, die Robe oder Krawatte zu vergessen, also packt auch die vorher ein. Sobald die Protokollkraft den Saal betritt, dürft auch ihr eintreten. Ich war mir bei der ersten Sitzung bzgl. der Sitzordnung noch etwas unsicher, mir hat die Protokollkraft aber sehr freundlich weitergeholfen. Überhaupt kann ich in meinen Sitzungen bislang auf freundliche Richter, Verteidiger und Protokollkräfte zurückblicken. Sobald der Richter eintritt, solltet ihr diesen begrüßen und ihm mitteilen, dass es eure erste Sitzung ist. Sobald ihr dies anmerkt, werden alle im Gerichtssaal auch gleich merklich rücksichtsvoller.

Sobald der Richter mit dem Abgleich der Personalien fertig ist, kommt euer erster großer Auftritt: Die Verlesung der Anklageschrift. Ich habe bei der ersten Verlesung noch (stark) gezittert. Als Trick habe ich aber die Hände auf dem Tisch liegenlassen, sodass dieser mir Halt geben konnte. Darauf zu achten, statt „Angeschuldigter“ „Angeklagter“ vorzulesen, ist beim ersten Mal noch schwer. Als Hilfestellung kann man sich dies z,B, mit Bleistift in die Anklageschrift schreiben. Sich hierbei zu verlesen ist aber kein Beinbruch.

Bei den jeweiligen Vernehmungen ist aufmerksames Zuhören und Notieren angesagt, damit man für das Plädoyer relevante Tatsachen nicht vergisst. In der ersten Sitzung wird man meist keine großen zusätzlichen Fragen haben, auch das kommt aber mit der Zeit. Sollte man bei Beweis- oder allen anderen Anträgen nicht weiterwissen, gibt es immer noch die magischen Worte „Ich stelle anheim“.

Sobald der Richter die Beweisaufnahme schließt und man erwartungsvoll angeschaut wird, beginnt das große Finale: Das Plädoyer. Entweder hat sich die Anklageschrift vollumfänglich als erwiesen herausgestellt und man kann das vorgeschriebene Plädoyer verwenden – Jackpot! Ansonsten sollte man um eine kurze Unterbrechung bitten, um die Änderungen im Beratungszimmer in Ruhe einzupflegen und ggf. den Strafrahmen anzupassen. Für das Plädoyer muss man wiederum aufstehen, bei Nervosität kann man wieder die Hände auf dem Tisch platzieren. Wenn man dies geschickt anstellt, kann man hierbei auch seine Notizen einsehen, ohne, dass man abliest. Sobald der Angeklagte das letzte Wort erhalten hat, zieht sich der Richter zur Beratung zurück. Für die Verlesung des Urteilstenors durch den Richter ist wiederum aufzustehen, der Tenor sollte auch simultan mitnotiert werden. In der ersten Verhandlung hatte ich aufgrund der Schnelligkeit nicht alles mitnotieren können, hatte dann aber die Protokollkraft nach der Sitzung noch einmal um Einblick in das Protokoll gebeten.

Jetzt gilt es einmal Durchzuatmen: Die erste Sitzung ist überstanden!

Die Nachbereitung der Sitzung

Zur Nachbereitung der Sitzung tragt ihr zunächst auf den hinteren Aktendeckel die von euch gestellten Anträge sowie die Bescheidung durch den Richter ein. Denkt bei Gesamtstrafen auch daran, die jeweiligen Einzelstrafen mit aufzunehmen und vergesst auch die Nebenanträge, z.B. Fahrerlaubnisentzug, nicht. Nach der Sitzung besprecht ihr diese mit eurem Ausbilder noch kurz nach. Dieser zeichnet auch die Handakte für euch ab und bringt sie in den Umlauf. Vergesst zuletzt nicht, eure Robe, euren Stundenzettel und ggf. Reisekostenabrechnungen in der Verwaltung abzugeben.

Meine eigene kleine Horrorstory

Zuletzt möchte ich euch meine eigene kleine Horrorstory über den ersten Sitzungsdienst natürlich nicht vorenthalten:

Da ich eine auswärtige Sitzung hatte, wollte ich besonders penibel sein, und verbrachte meine Robe direkt nach Abholung bereits in mein Auto, um sie ja nicht zu vergessen. Was ich leider nicht bedacht hatte, war mein neu eingesetzter Auto-Lufterfrischer mit der Duftrichtung „Tropical Fruits“. Als ich in meiner ersten Sitzung also mit Schnappatmung und unter Schweißausbrüchen die Anklageschrift verlesen und mich wieder gesetzt hatte (und die erste Anspannung abfiel), wunderte ich mich geschlagene fünf Minuten darüber, dass es im Gerichtssaal irgendwie komisch roch. Ich hatte an diesem Sitzungstag fünf direkt aufeinanderfolgende Sitzungen vor derselben Richterin in demselben Saal und verbreitete die komplette Zeit lang einen dezent penetranten Schwall „Tropical Fruits“ im Gerichtssaal.

Fazit

Auch, wenn ich jetzt in den Chor einfalle: Ihr müsst wirklich keine Angst vor dem Sitzungsdienst haben. Bereitet euch sorgfältig auf die jeweilige Sitzung vor, spielt die möglichen Szenarien mit eurer Ausbilderin kurz durch und bleibt vor allem ruhig. Dann übersteht ihr eure erste Sitzung mit Bravour. Und auch wenn ihr danach eine eigene Horrorstory zu erzählen habt, könnt ihr in der Rückschau ganz schnell darüber lachen.

Aber keine Sorge, euch werden bestimmt keine Horrorszenarien begegnen und ihr werdet bald gar nicht mehr genug vom Sitzungsdienst bekommen! 😉

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Beitragsautor:

Regina Kardel

Regina Kardel

Regina berichtete uns über ihre Erlebnisse und Erfahrungen, die sie während ihres juristischen Vorbereitungsdienstes gemacht hat. Mittlerweile ist sie zugelassene Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei. Deshalb schreibt sie aktuell für JurCase-Jobs über die anwaltliche Karriere.

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