Der erste Sitzungsdienst in der Strafrechtsstation
Tipps zur erfolgreichen Vorbereitung
Wer sich im Rahmen der Strafrechtsstation einem Staatsanwalt als Ausbilder zuteilen lässt, wird früher oder später auf die Situation treffen, als Sitzungsvertreter die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Sitzungsdienstes zu repräsentieren. Die Sorge vor diesem berüchtigten Sitzungsdienst ist oft größer als sie sein müsste, aber man weiß ja schließlich nicht, was auf einen zukommt und was von einem erwartet wird. Nachfolgend möchte ich euch ein paar Tipps mit an die Hand geben, mit denen ihr den Sitzungsdienst erfolgreich meistern könnt!
Die ersten Erfahrungen im Gerichtssaal und das Verlesen der Anklageschrift
Der ein oder andere hat vielleicht schon ein Praktikum bei Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft absolviert und demnach schon öfters einen Gerichtssaal von innen gesehen. Sollte dies bei euch bislang nicht der Fall gewesen sein, dann kommt diese Erfahrung jetzt auf euch zu. Bevor ihr nämlich das erste Mal allein losgeschickt werdet, begleitet ihr euren Ausbilder oder einen anderen Staatsanwalt mit zum Sitzungsdienst und könnt zuschauen. Hierbei nehmt ihr neben dem Staatsanwalt Platz und dürft auch i. d. R. schon die ein oder andere Anklage verlesen. Eine bestimmte Vorbereitung ist hier nicht nötig, aber ihr solltet euch natürlich ordentlich anziehen (eine Robe braucht ihr noch nicht) und euch wenn möglich mit den Sitzungshandakten vertraut machen, damit ihr der Verhandlung besser folgen könnt.
Bei dem Verlesen der Anklage kann es hilfreich sein, einen Bleistift im Vorfeld zur Hand zu nehmen und das Wort „Angeschuldigter“ zu markieren, denn beim Verlesen der Anklageschrift heißt dieser nunmehr „Angeklagter“. Solltet ihr euch doch einmal verlesen, ist dies aber nicht schlimm.
Das erste Plädoyer
Wenn ihr diese erste Aufgabe hinter euch gebracht habt, dann habt ihr meist Gelegenheit, „unter Aufsicht“ zu plädieren. Das heißt konkret: ihr sitzt während der Hauptverhandlung neben dem Staatsanwalt den ihr begleitet; den Schlussvortrag, das Plädoyer, haltet jedoch ihr. Hier ist es vollkommen normal aufgeregt zu sein, denn schließlich soll man das erste Mal in freier Rede einen Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht würdigen und anschließend ein Strafmaß benennen. Das Ganze erzählt man nun auch nicht irgendwelchen Unbeteiligten, sondern gerade auch dem Angeklagten, den es unmittelbar betrifft.
Respekt vor dieser Aufgabe zu haben ist mehr als angebracht, denn schließlich geht es hier um die Zukunft eines anderen Menschen. Trotz allem ist es nur halb so „schlimm“ wie es sich anhört. Denn: ihr seid Anfänger und könnt nicht alles auf Anhieb genauso gut können wie die Staatsanwälte, die den Beruf seit Jahren ausüben. Und: am Ende entscheidet nicht ihr, sondern der Richter. Große Fehler können also eigentlich nicht passieren.
Wenn ihr im Vorfeld schon einen Blick in die Sitzungshandakten werfen könnt, dann könnt ihr schon einmal mit eurem Ausbilder besprechen, in welcher Sache ihr am besten „Probe-Plädieren“ könntet. Am besten eignen sich hier einfach gelagerte Sachverhalte. Hier könnt ihr auch mit dem Sitzungsstaatsanwalt besprechen, dass er, bevor ihr loslegt, eine kurze Unterbrechung beantragt. So könnt ihr euch noch einmal sammeln und eventuell aufgetretene Fragen kurz besprechen.
Wenn ihr dann schon einmal unter Aufsicht ohne größere Unfälle plädiert habt, wird euer Ausbilder euch für den Sitzungsdienst freigeben. Hier kann ich euch sagen: ihr werdet euch nicht bereit fühlen und das ist vollkommen normal. Haltet euch vor Augen, dass ihr schließlich bereits ein langjähriges Studium und ein erstes Staatsexamen hinter euch gebracht habt- ihr könnt und wisst mehr, als ihr euch vielleicht angesichts der großen neuen Aufgabe zutraut.
Nun wird es ernst: der erste Sitzungsdienst allein
Im Vorfeld eurer ersten Sitzung werdet ihr mit eurem Ausbilder die Sitzungshandakten besprechen. Hier könnt ihr rechtliche Schwierigkeiten ansprechen, die sich eventuell stellen könnten und auch über das mögliche Strafmaß könnt ihr mit eurem Ausbilder beraten. Hierbei kann es sich aber natürlich nur um eine ungefähre Richtung handeln, denn letztlich müsst ihr anhand der Hauptverhandlung entscheiden, was ihr für angemessen erachtet. Um eine ungefähre Richtung einschätzen zu können, ist das Gespräch mit dem Ausbilder aber mehr als sinnvoll.
Auch ist es gut, bereits vorab mögliche Szenarien durchzuspielen und eine Strategie zu entwickeln wie ihr euch verhalten solltet, wenn diese eintreten. Was könnt ihr zum Beispiel tun, wenn der Angeklagte nicht erscheint? Wenn ihr dies im Vorfeld zumindest durchdacht habt, dann werdet ihr „im Ernstfall“ nicht so sehr davon überrumpelt. Auch solltet ihr ein oder zwei Tage bevor euer Sitzungsdienst ansteht, bei Gericht anrufen und erfragen, ob alle Termine stattfinden oder vielleicht sogar neue dazugekommen sind. Nichts treibt einem schneller den Angstschweiß auf die Stirn, als an der Tür zum Gerichtssaal zu stehen und zu bemerken, dass einem eine Handakte fehlt – das könnt ihr leicht durch einen Anruf am Vortag vermeiden!
Ihr solltet auch erfragen, welcher Staatsanwalt in dieser Woche Bereitschaftsdienst hat. Als Referendare dürft ihr nicht nach eigenem Gutdünken einer Einstellung nach den §§ 153 ff. StPO zustimmen oder ins Strafbefehlsverfahren übergehen. Bietet sich dies aber in der Hauptverhandlung an, müsst ihr kurz Rücksprache mit einem Staatsanwalt halten und euch dessen Einverständnis einholen. Um auch hier schnell jemanden zu erreichen, solltet ihr also die Nummer eures Ausbilders, des Bereitschaftsdienstes und vielleicht auch eures AG-Leiters zur Hand haben. Außerdem solltet ihr euren Gesetzestext sowie die Kommentare zu StGB und StPO mitnehmen.
Sitzungsvorbereitung und Sitzungsrenner
Auch wenn ihr letztlich erst in der Hauptverhandlung entscheiden könnt, was ihr konkret im Plädoyer beantragen möchtet, ist eine ordentliche Vorbereitung unerlässlich. Hierzu gehört es, sich die Handakten anzuschauen, die Anklageschrift und den Bundeszentralregisterauszug zu lesen und sich erste Gedanken zu machen und diese zu notieren. Hierbei könnt ihr euch auch schon Fragen aufschreiben, die ihr dem Angeklagten oder den Zeugen eventuell stellen möchtet. Ihr solltet im Blick behalten, ob eventuell ein minder oder besonders schwerer Fall vorliegen könnte, ob vielleicht eine Gesamtstrafe zu bilden ist und ob Nebenstrafen wie ein Fahrverbot oder Maßregeln, wie die Entziehung der Fahrerlaubnis, in Betracht kommen.
Im Internet finden sich außerdem Vordrucke eines sogenannten „Sitzungsrenners“, welche ihr ausdrucken und mitnehmen solltet. Hier könnt ihr während der Verhandlung Notizen eintragen und habt gleichzeitig eine Art Leitfaden für euer Plädoyer. Ihr könnt euch natürlich auch selbst ein solches Muster erstellen. Um möglichst strukturiert zu plädieren oder für den Fall, dass man einmal den Faden verliert, gibt einem der Sitzungsrenner die nötige Sicherheit.
Fazit
Dass anfangs die Bedenken groß sind etwas falsch zu machen oder der Situation nicht gewachsen zu sein, ist vollkommen normal. Das wissen auch die Richter, die schließlich selbst einmal in dieser Situation waren. Wenn ihr euch auf die Sitzungen vorbereitet habt und währenddessen aufmerksam und mit Ernst bei der Sache seid, dann seid ihr schon sehr gut aufgestellt. Freut euch auf die neue Erfahrung, es wird spannend und lehrreich!
-Jennifer
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