Skip to main content
Referendariat

Meine Strafrechtsstation beim Strafrichter am Amtsgericht

By 7. April 2022Oktober 11th, 2023No Comments
Erfahrungsbericht_Strafstation_FB

Es muss nicht immer die Staatsanwaltschaft sein

Für die meisten Referendare ist schon von Beginn des Referendariats an klar, dass sie ihre Strafrechtsstation bei der Staatsanwaltschaft absolvieren möchten. Insbesondere wollen sich viele Referendare die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den Sitzungsdienst als Vertreter der Staatsanwaltschaft zu übernehmen. Die wenigsten Referendare werden daher erwägen, die Strafrechtsstation am Gericht zu absolvieren. Allerdings solltest du keine vorschnelle Wahl treffen und dich auch mit den Vorzügen beschäftigen, die das Gericht als Ausbildungsstelle für die Strafrechtsstation zu bieten hat. Ich beispielsweise habe meine Strafrechtsstation am Amtsgericht beim Strafrichter verbracht und möchte diese tolle Erfahrung mit dir teilen.

Vor- und Nachteile der beiden Ausbildungsstellen: Staatsanwaltschaft vs. Gericht

Ob die Staatsanwaltschaft oder das Gericht die geeignetere Ausbildungsstelle ist, ist schwer zu beurteilen. Dies hängt von vielen unterschiedlichen und individuellen Faktoren ab. Genannt seien hier nur die Examensrelevanz der jeweiligen Aufgaben, die Arbeitsauslastung sowie die persönlichen Präferenzen und Stärken des Referendars.

Beiden Ausbildungsstellen ist jedenfalls gemein, dass der Referendar – ob auf Seiten der Staatsanwaltschaft oder auf der Richterbank – die Hauptverhandlung wiederholt aus nächster Nähe miterlebt. Der Ablauf der Hauptverhandlung (in den §§ 243 ff. StPO geregelt) ist nicht nur äußerst interessant, sondern auch höchst examensrelevant. Besonders für die Revisionsklausur ist es von großer Bedeutung, dass der Referendar den ordnungsgemäßen Gang der Hauptverhandlung genau kennt. Nur dann ist er auch in der Lage, Abweichungen hiervon zu erkennen und zu bewerten.

Allerdings dürfte die Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft eine höhere Examensrelevanz aufweisen als die beim Gericht. Denn der Referendar wird überwiegend mit dem Verfassen von Anklageschriften und sonstigen Abschlussverfügungen beschäftigt sein. Gerade diese praktischen Entwürfe sind für das schriftliche Examen von herausragender Bedeutung, da mindestens eine der strafrechtlichen Klausuren aus Sicht eines Staatsanwalts zu lösen ist. Da bekanntermaßen besonders die Strafrechtsklausuren kaum in der vorgesehenen Zeit von fünf Stunden zu bewältigen sind, ist es essenziell, dass der Aufbau und Inhalt der Anklageschrift im Schlaf beherrscht werden. Zudem besteht für viele Referendare der besondere Reiz, ihre Strafrechtsstation bei der Staatsanwaltschaft zu verbringen, darin, dass sie den Sitzungsdienst übernehmen und somit selbst aktiv in der Hauptverhandlung mitwirken können. Gleichwohl sollte sich der Referendar auch bewusst machen, dass dadurch die Station sehr zeitintensiv wird, da der Sitzungsdienst meist wöchentlich übernommen werden muss und zusätzlicher Vorbereitungszeit bedarf. Ferner muss der Referendar besonders flexibel sein und hin und wieder auch kurzfristig einen Sitzungsdienst übernehmen.

Dies ist beim Gericht in der Regel anders, da die Sitzungstage meistens an den gleichen Wochentagen stattfinden. Zur Vorbereitung genügt meistens das vorherige Lesen der Anklageschrift und gegebenenfalls ein kurzes Überfliegen der Ermittlungsakte. Dadurch sind eine gewisse Routine und ein angemessener Arbeitsaufwand gewährleistet, sodass die Examensvorbereitung nicht zu kurz kommt. Allerdings hat der Referendar in Strafsachen nicht die Möglichkeit, Verfahrensbeteiligte anzuhören, Beweise zu erheben oder die Verhandlung zu leiten (§ 10 Satz 1 GVG). Daher kann er die Hauptverhandlung stets nur passiv verfolgen.  Im Rahmen der Strafrechtsstation am Gericht wird der Referendar hauptsächlich Urteile verfassen. Zwar ist ein Urteilsentwurf in der Strafrechtsexamensklausur eher eine exotische Aufgabenstellung, aber dennoch nicht auszuschließen. Daher ist es zumindest hilfreich, wenn der Examenskandidat den Aufbau des Urteils, die Tenorierung und die Grundlagen der Beweiswürdigung und der Strafzumessung beherrscht. Einen enormen Nutzen hat dieses Wissen allerdings für die Revisionsklausur. Denn in diesem Rahmen muss der Referendare Mängel und Verletzungen des Gesetzes in einem Urteil (siehe § 337 Abs. 1 StPO) analysieren, was natürlich voraussetzt, dass er weiß, wie ein Urteil ordnungsgemäß anzufertigen ist.

Tipps und Hinweise zur Strafrechtsstation

Anders als in der Verwaltungs- oder Anwaltsstation müssen sich die Referendare in der Strafrechtsstation nicht selbst auf eine Ausbildungsstelle bewerben. Vielmehr werden sie von ihrer Stammdienststelle zugeteilt. Erfahrungsgemäß können die Referendare aber eine Wunschausbildungsstelle angeben. Wenn du deine Station beim Gericht verbringen willst, solltest du daher möglichst frühzeitig diesen Wunsch äußern. Nach meiner Erfahrung hast du dann die größten Chancen deinen gewünschten Platz zu bekommen.

Arbeitsalltag beim Strafrichter

Meinen Arbeitsalltag beim Strafrichter würde ich als sehr routiniert, aber dennoch abwechslungsreich und spannend beschreiben. Auch die Arbeitsauslastung war angemessen. Dadurch hatte ich für meine übrigen Aufgaben (Lernen, Vorbereiten der Arbeitsgemeinschaft, Klausurenkurs) immer ausreichend Zeit.

Ein bis zwei Tage in der Woche war ich von ca. 9:00 – 16:00 Uhr am Amtsgericht. Dies waren die Tage an denen die Hauptverhandlungen stattfanden. Während der Hauptverhandlung beobachtete ich die Beteiligten und Zeugen genau und machte mir ausführliche Notizen. Dies erwies sich beim späteren Verfassen des Urteils als nützlich. Während der Mittagspause studierte ich meistens die Akten für den nächsten Sitzungstag.

Je nachdem wie umfangreich und geeignet die einzelnen Sachverhalte waren, habe ich dann ein bis zwei Urteilsentwürfe pro Woche verfasst. Ab und zu hat mir mein Einzelausbilder auch die Möglichkeit gegeben, zu Übungszwecken eine Anklageschrift zu entwerfen.

JurCase informiert:

Am Amtsgericht gibt es drei Spruchkörper in Strafsachen – den Strafrichter, das Schöffengericht und das erweiterte Schöffengericht.  Die Strafgewalt der Amtsgerichte liegt nach § 24 Abs. 2 GVG bei vier Jahren Freiheitsstrafe. Nach § 25 GVG ist der Strafrichter nur dann zuständig, wenn es sich bei dem Delikt um ein Vergehen handelt und eine höhere Freiheitsstrafe als zwei Jahre nicht zu erwarten ist. Bei Vergehen, bei denen eine Freiheitsstrafe von 2 bis 4 Jahren zu erwarten ist und bei Verbrechen, sind dagegen das Schöffengericht bzw. das erweiterte Schöffengericht zuständig (§ 28 GVG). Daher wird es der Referendar beim Strafrichter lediglich mit Vergehen zu tun bekommen. Häufig handelt es sich hierbei um Diebstahl, Betrug, Körperverletzung, und unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln.

Ein aufschlussreicher Fall

Während meiner Zeit beim Strafrichter am Amtsgericht ist mir ein Fall besonders im Gedächtnis geblieben und hat mir die Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ sowie die Schwierigkeiten der Beweiswürdigung verdeutlicht. Materiell rechtlich drehte sich der Fall um Betrug in mehreren Fällen. Es handelte sich um einen „Indizienprozess“, da den Angeklagten die Täuschungshandlung (es ging um Warenbestellungen bei Onlineshops) nicht unmittelbar nachgewiesen werden konnte. Allerdings ließen zahlreiche Indizien auf deren Täterschaft schließen. Die Angeklagten stritten den Tatvorwurf ab und belasteten eine andere Person mit völlig haltlosen Vorwürfen. Schließlich kam es zu der grotesken Situation, dass der Referendar, der als Vertreter der Staatsanwaltschaft anwesend war, in seinem Plädoyer Freispruch beantragte. Denn er war der Ansicht, dass nicht zu 100 % auszuschließen sei, dass auch eine andere Person die Täuschung begangen haben könnte. Das Gericht war allerdings aufgrund der festgestellten Indizien in der Hauptverhandlung zweifelsfrei von der Schuld der Angeklagten überzeugt, sodass es sie zu einer Geldstrafe verurteilte. In der Verurteilung lag, entgegen der Ansicht des Vertreters der Staatsanwaltschaft, kein Verstoß gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ vor, da der Zweifelssatz gerade nicht heranzuziehen ist, wenn das Gericht, trotz der erschöpfenden Würdigung der erhobenen Beweise, keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten hat (§ 261 StPO). Dieser Fall hat mir eindrücklich vor Augen geführt, wie unterschiedlich Indizien und Beweise gewürdigt werden können und wie wichtig es in der Praxis ist, die Vorschriften und Grundsätze der Beweiswürdigung zu beherrschen, um hierbei keinen falschen Maßstab zugrunde zu legen.

Fazit

Während meiner Strafrechtsstation beim Strafrichter habe ich viel über das Strafprozessrecht und seine Auswirkungen in der Praxis gelernt. Dieses Wissen hat mir auch in den Examensklausuren und der mündlichen Prüfung viel genützt. Die Arbeit hat mir großen Spaß bereitet, auch wenn ich in der Hauptverhandlung nicht selbst aktiv werden konnte.

Hat dir der Beitrag gefallen?

Beitragsautor:

Kassandra Forst

Kassandra Forst

Kassandra ist Diplom-Juristin und seit kurzem Rechtsassessorin. Ihr Referendariat absolvierte sie in Thüringen und wird hierüber in Erfahrungsberichten erzählen. Außerdem wird sie die #Gewusst-Reihe mit Beiträgen zu examensrelevanter, aktueller Rechtsprechung sowie zum materiellen und formellen Recht in Assessorklausuren unterstützen.

LinkedIn