#HierZucktDeinPrüfungsamt im Öffentlichen Recht in Kooperation mit RiVG Dr. David Stadermann
Moin zusammen,
heute empfehle ich euch einen interessanten Beschluss des OVG Lüneburg vom 10. Juli 2023 (1 ME 45/23) in dem es um ein Mauerblümchen im Staatsexamen: Verwaltungsvollstreckung – und das auch noch im Eilrechtsschutz!
JurCase informiert:
Den Beschluss des OVG Lüneburg (Niedersachsen) vom 10.07.2023 (1 ME 45/23) findest du kostenfrei hier im Niedersächsischen Vorschrifteninformationssystem.
Was ist passiert?
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Festsetzung und weitere Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung bezüglich eines ehemaligen Schleusenwärterdoppelhauses.
Nach einer – hier nicht weiter interessierenden Vorgeschichte – setzte der Antragsgegner gegen den Antragsteller ein Zwangsgeld fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld für den Fall an, dass der Antragsteller der Beseitigungsanordnung nicht nachkomme. Vor dem VG trug der Antragsteller erstmals unter Vorlage eines notariellen Ehevertrages vor, dass er und seine Ehefrau in Gütergemeinschaft lebten, das Schleusenwärterdoppelhaus somit zum Gesamtgut gehöre und folglich ein Vollstreckungshindernis bestehe.
Während das VG dem Antragsteller noch entgegenhielt, er könne aus dem Güterstand wegen § 1412 BGB keine Einwendungen gegen die rechtskräftige Beseitigungspflicht gegenüber dem Antragsgegner als Drittem herleiten, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sei, dass der Ehevertrag in das Güterregister eingetragen gewesen sei, oder Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der vereinbarte Güterstand dem Antragsgegner bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei, gab das OVG dem Eilantrag im Wesentlichen statt.
Worum geht es?
Verwaltungsvollstreckung – ein Mauerblümchen im Staatsexamen! Und dann auch noch im Eilrechtsschutz…
Warum solltest du diese Entscheidung bei der Vorbereitung berücksichtigen?
- Der Beschluss lädt ein, das Verwaltungsvollstreckungsrecht (jedenfalls in Grundzügen) zu wiederholen. Ein willkommener Anlass also, hier Wissen aufzufrischen (oder anzusammeln).
- Bestand im Fall ein Vollstreckungshindernis, konnte m.a.W. der Vollstreckungsschuldner (hier: der Antragsteller) einer ihm obliegenden Pflicht nicht nachkommen, ohne in die Rechte Dritter (hier: seiner Frau) einzugreifen? Dann hätte der Antragsgegner eine Duldungsverfügung erlassen müssen!
- Aber: Kann sich der Antragsteller auf die Gütergemeinschaft überhaupt berufen? Schließlich war dem Antragsgegner der Güterstand unbekannt. Darauf kommt es aber nach Auffassung des Senats nicht an, da § 1412 BGB hier weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar ist. Es fehlt am rechtsgeschäftlichen Verkehr. Auch aus § 892 BGB folge nichts Anderes.
- Mit diesem „Schlenker“ gibt der Beschluss der Gelegenheit, eine unbekannte Norm auszulegen oder eine bekannte Norm in ungewohntem Terrain anzuwenden – eine Fähigkeit, deren Beherrschung in allen Rechtsgebieten unumgänglich ist.
- In der Sache wird das VG nun prüfen müssen, ob der Berufung auf die Gütergemeinschaft nicht § 242 BGB entgegensteht. Dies sei offen, so der Senat.