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Gewusst

„Voraussagen soll man unbedingt vermeiden, besonders solche über die Zukunft.“ – a.A. im Gewerberecht (3 EO 559/22)

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#HierZucktDeinPrüfungsamt im Öffentlichen Recht in Kooperation mit RiVG Dr. David Stadermann

 

Moin zusammen,
heute empfehle ich euch einen interessanten Beschluss des OVG Weimar v. 23.2.2023 (3 EO 559/22) in dem es um einen richtigen Examensklassiker geht: Unzuverlässigkeit im Gewerberecht – und das auch noch im Eilrechtsschutz!

JurCase informiert:

Den Beschluss des OVG Weimar vom 23.02.2023 (3 EO 559/22) findest du kostenfrei hier auf der Seite des Freistaats Thüringen.

Was ist passiert?

Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die sofort vollziehbare Rücknahme einer gewerberechtlichen Erlaubnis und entsprechende Begleitverfügungen im Eilrechtsschutz.

Er beantragte im Oktober 2020 die Erteilung einer gewerberechtlichen Erlaubnis für die Tätigkeit als Immobilienmakler und gab an, dass gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig sei. Eine Einsicht in die Ermittlungsakten wurde der Antragsgegnerin zunächst nicht gewährt. Im Mai 2021 erteilte die Antragsgegnerin die beantragte Erlaubnis unter der „Auflage“, dass die Erlaubnis „zunächst vorbehaltlich“ der Überprüfung des Strafverfahrens erteilt werde.

Aus der daraufhin gewährten Akteneinsicht ergab sich, dass gegen den Antragsteller, der bei einem Rüstungsunternehmen beschäftigt und Reservist der Bundeswehr war, der Verdacht bestehe, er habe sich bei der Ableistung von Wehrübungen Dokumente, die Geschäfts- und Dienstgeheimnisse der Bundeswehr enthielten, verschafft, gesichert und an Mitarbeiter seines Arbeitgebers weitergeleitet.

Im Rahmen der Anhörung teilte die Antragsgegnerin dem Antragssteller mit, dass die Zuverlässigkeitsprognose zu seinen Ungunsten ausfalle, da sich aus der Ermittlungsakte ergebe, dass er rechtswidrig wider besseres Wissen sensible Daten der Bundeswehr weitergegeben oder angekündigt habe, gewünschte Daten zu beschaffen. Unabhängig von der strafrechtlichen Würdigung weise das auf ein hohes Maß an krimineller Energie hin.

Im Juni 2022 nahm die Antragsgegnerin die Erlaubnis zurück, verfügte, dass seine Tätigkeit als Immobilienmakler innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides einzustellen sei, ordnete die Rückgabe der schriftlichen Erlaubnis gemäß § 34c GewO innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids sowie die sofortige Vollziehung an. Außerdem drohte sie Zwangsmaßnahmen an. In der Begründung nahm sie auf die Argumentation im Anhörungsbescheid Bezug; Ermessenerwägungen stellte sie nicht an.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch und ersuchte das Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz. Nachdem das Verwaltungsgericht noch zu seinen Gunsten entschieden hatte, lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag weitgehend ab.

Worum geht es?

Unzuverlässigkeit im Gewerberecht – ein echter Klassiker im Staatsexamen! Und das auch noch im Eilrechtsschutz…

Warum solltest du diese Entscheidung bei der Vorbereitung berücksichtigen?

  1. Die Aufhebung von Verwaltungsakten (§§ 48 ff. VwVfG) kann man nicht oft genug wiederholen, zeigen sich daran doch wichtige Grundsätze des Allgemeinen Verwaltungsrechts (Bestandskraft, Rechtssicherheit, Vertrauensschutz, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung!)
  2. Neben dem Bau- und dem Polizei- und Ordnungsrecht dürfte das Gewerberecht zu den wichtigen Rechtsgebieten des Besonderen Verwaltungsrechts gehören, die im Examen beherrscht werden sollten. Und welcher Sachverhalt im Gewerberecht kommt ohne die Prüfung der Zuverlässigkeit aus?!
  3. Wichtig: Bei der Prognose muss die Behörde die Tatsachen eigenständig prüfen. We-der müssen diese (bereits) zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt haben, noch muss sich hieraus die Verwirklichung eines Straftatbestandes ergeben. Sollte sich die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden aus nichttätigkeitsbezogenen Tatsachen ergeben, ist es erforderlich, dass ein konkreter Bezug zum Zuverlässigkeitsmaßstab des einschlägigen Gewerbes besteht. Die betreffenden Tatsachen müssen sich mithin auf das oder die in Rede stehenden Gewerbe auswirken.
  4. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts stellt eine Ermessensentscheidung dar. Was ist, wenn die Behörde kein Ermessen ausgeübt hat? Ist dann die Entscheidung stets rechtswidrig? Nein! Denn im – hier gegebenen – Fall der „Ermessensreduzierung auf Null“ kann die Rücknahme der begehrten Erlaubnis nicht an einem Ermessensfehler leiden, und zwar auch dann nicht, wenn die Behörde kein Ermessen ausgeübt hat. Hintergrund ist der, dass die gerichtliche Kontrolle im Fall einer solchen Ermessensreduzierung ebenso weit geht, wie bei einer gebundenen Entscheidung.
  5. Zum Weiterdenken: Am Rande hat sich der Senat auch mit den Folgen befasst, die sich daraus ergeben, dass die Antragsgegnerin die Erlaubnis „unter Vorbehalt“ erteilt hat. Durfte sie das? Und führt bereits die Formulierung als „Auflage“ dazu, dass die Erlaubnis automatisch ihre Wirksamkeit verliert?

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Beitragsautor:

Dr. David Stadermann

Dr. David Stadermann

Dr. David Stadermann ist Richter am Verwaltungsgericht in Hamburg und Lehrbeauftragter an der HAW. Auf LinkedIn gibt Dr. Stadermann in Bezug auf der Öffentliche Recht Hinweise auf höchst- bzw. obergerichtliche Rechtsprechung, aber auch sonstige Ereignisse, die aufgrund ihrer Aktualität gerne in mündlichen Prüfungen verarbeitet werden können. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Stadermann findest du auch bei JurCase!

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