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HLB Schumacher Hallermann präsentiert examensrelevante Fälle: Stillgelegte Tankstelle, aktive Rechtsfragen: Haftung nach Explosion (Schadensrecht)

By 18. Dezember 2024No Comments

Die Entscheidung des Quartals von HLB Schumacher Hallermann

In Kooperation mit der Kanzlei HLB Schumacher Hallermann präsentieren wir dir zusätzlich zu den aus unserem Leitfaden Assessor Juris bekannten examensrelevanten Fällen – die Entscheidung des Quartals. Diese wird unter Supervision von Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann von qualifizierten wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen für dich ausformuliert bzw. bearbeitet. Verfasserin dieser Entscheidung ist dieses Mal Frau Lara Reich, Referendarin bei HLB Schumacher Hallermann.

Hinweis vom HLB-Team:

„So ein großer Feuerball, Junge!“ In etwa so ließen sich wohl die unserer diesmonatigen Entscheidung zugrundeliegenden Feststellungen vom OLG Celle in pointiertem Format treffend zusammenfassen (Urt. v. 07.02.2024 – 14 U 113/23): Eine stillgelegte Tankstelle explodiert im Zuge der Reinigung zweier 2.000 l Tankstellen-Tanks zum Zwecke der Wiederaufnahme des Betriebs eben jener „Geister-Tankstelle“.

Wie unsere niederländischen New Kids, könnt auch ihr euch nun bei Kaltgetränk und Snacks zurücklehnen und den von uns, in gewohnt studierendenfreundlich Art aufbereiteten, explosiven Erwägungsgründen des OLG folgen. Es geht dabei um wahrhafte Klassiker des Schuld-, Schadens- und Prozessrechts. Behandelt werden etwa vertragliche Verkehrssicherungspflichten, Fragen der Darlegungs- und Beweislast sowie um Einzelfallfragen aus dem Schadensrecht.

Kombiniert ergeben diese „Zivilrechts-Evergreens“ den Stoff aus dem die Träume sind, wenigstens aus Sicht des Klausurstellers: Eine attraktive Examensklausur, welche den Prüflingen einiges an Fachwissen und methodischem Vorgehen abverlangt und gleichzeitig Schwerpunktsetzung abverlangt. Vor allem kleinere Rechtsprobleme im Schadensrecht sind beliebte „Anhängsel“ einer Klausur, wenn diese noch nicht ganz für fünf Stunden reicht. Alternativ kann auch eine zivilprozessuale Zusatzfrage im Anschluss lauern – so zuletzt ZR I im Mai-Durchgang. Darüber hinaus zeigt die Entscheidung des OLG Celle auf, wie damit umzugehen ist, wenn die Ursache eines schadensauslösenden Ereignisses nicht mehr festzustellen ist und welche Bedeutung die Risikosphären der Beteiligten hinsichtlich der Beweislast haben.

Die Hintergründe der Entscheidung

Zum ausführlichen Sachverhalt: des OLG Celle mit Urteil vom 07.02.2024 (14 U 113/23, BeckRS 2024, 2008)

Nach den Feststellungen des OLG Celle mit Urteil vom 07.02.2024 (14 U 113/23, BeckRS 2024, 2008) ist die Klägerin, ein mittelständisches Tischlereiunternehmen mitsamt firmeneigenen Fuhrparks, seit 2016 Pächterin einer auf ihrem Firmengelände befindlichen Tankstelle. Letztere war bis dato zwar bereits seit etwa zwanzig Jahren außer Betrieb. Allerdings plante die Klägerin, den Tankstellenbetrieb zukünftig zugunsten der wachsenden, tischlereieigenen Flotte wieder neu aufzunehmen. Aus diesem Grund beauftragte die Klägerin im Juli 2018 die Beklagte mit der Reinigung zweier leerstehender Kunststoff-Tankstellentanks. Die Beklagte ihrerseits beauftragte eine Reinigungsfirma (den Streithelfer) für die Ausführung der Arbeiten.

Im September 2018 kamen zwei Mitarbeiter der Reinigungsfirma für die Reinigungsarbeiten auf das Tankstellengelände. Sie ließen die Stromzufuhr der Pumpe der Tanks von der Klägerin unterbrechen und führten anschließend die Reinigungsarbeiten aus. Daraufhin kam es zu einer Explosion eines der Tanks. Sowohl der genaue Zeitpunkt der Explosion als auch die Ursache konnten nicht aufgeklärt werden (OLG Celle, a.a.O., Rn. 2).

Die Klägerin behauptet, es sei während der von den Mitarbeitern des Streithelfers ausgeführten Tankreinigung wegen fehlerhafter Ausführung der Reinigungsarbeiten zu der Explosion des Tanks gekommen, als der Zeuge D die Verkleidung für die Kraftstoffpumpe wieder angebaut habe. Die Zeugen hätten Lösungsmittel zur Reinigung des Tankinneren eingesetzt, wobei ein Schmierfilm zurückgeblieben sei. Die Explosion sei erfolgt, als auf die Bitte eines der Zeugen die Stromzufuhr zur Tankstelle wieder eingeschaltet worden sei. Die Kosten für die Wiedererrichtung der Tankstelle seien mit 42.086,73 €, in jedem Fall zumindest mit 25.000 €, zu beziffern. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr persönlich seien darüber hinaus weitere Schadenspositionen entstanden: Sie macht u.a. einen Schaden von mehr als 10.000 € geltend, da sie die monatliche Miete i.H.v. 178,50 € (brutto) – 61 Monate lang – vergeblich für die zerstörte Tankstelle zahle. Sie habe mit dem Eigentümer vereinbart, dass sie sicherstelle, dass die Tankstelle neu errichtet und zum Ende der Mietzeit herausgegeben werde. Neben dieser vergeblich aufgebrachten Miete sei ihr zudem die entgangene Nutzungsmöglichkeit der Tankstelle zu ersetzen. Dieser entgangene Nutzungsvorteil sei zumindest auf weitere 5.000 € zu beziffern (OLG Celle, a.a.O., Rn. 3).

HLB informiert:

Die Begriffe „Miete“ und „Pacht“ werden in den vorliegenden Entscheidungsgründen des OLG Celle zum Teil synonym verwendet. Dies mag entweder an den von den Parteien (= Rechtslaien) vorgelegten, in rechtlicher Hinsicht unsauber beschrifteten Urkunden liegen (fälschlich als „Mietvertrag“ bezeichneter Pachtvertrag), oder aber – unwahrscheinlicher – schlicht an unsauberer Arbeit des Berichterstatters liegen. Grds. gilt: Gewerbeobjekte können auch verpachtet werden. Dies geschieht meist bei Objekten, die über Inventar verfügen, das mitverpachtet wird, etwa eine Tankstelle oder eine Vereinsgaststätte. Der Unterschied zur Miete besteht darin, dass der Mieter lediglich das Mietobjekt nutzen darf, während er bei der Pacht zusätzlich aus der Pachtsache einen wirtschaftlichen Ertrag ziehen darf (§ 581 BGB). Grds. gelten für den Pachtvertrag die gleichen Vorschriften wie für den Gewerbemietvertrag. Eine wichtige Ausnahme stellen dabei die Regelungen über den Gebrauch des mitverpachteten Inventars dar (§§ 582–583a BGB). Vereinfacht ausgedrückt haftet der Pächter für das Inventar und muss es gegebenenfalls ersetzen. Zudem gilt ein anderes Kündigungsrecht: Während Pachtverträge immer nur zum Ende eines Pachtjahres gekündigt werden können und die Kündigung spätestens am dritten Werktag des halben Jahres, mit dessen Ablauf die Pacht enden soll (§ 584 BGB) erfolgen muss, gilt für Gewerbemietverträge § 580a BGB: Die ordentliche Kündigung ist spätestens am 3. Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig, d. h. die Kündigungsfrist beträgt für beide Parteien 6 Monate zum Quartalsende (abdingbar).

Die Beklagte und der Streithelfer behaupten, die Mitarbeiter der Reinigungsfirma hätten die Tankstellenreinigung nach den anerkannten Regeln der Technik (lege artis) und den gesetzlichen Vorschriften durchgeführt. Erst nach Abschluss der Tankstellenreinigung sei es zu einer Explosion gekommen, wobei die Tankstellenreinigung für die erfolgte Explosion nicht ursächlich gewesen sei. Die Explosion sei vielmehr auf eine unsachgemäße Inbetriebnahme durch die Klägerin zurückzuführen. Das Anstellen des Stromes und ein Defekt an der Pumpe kämen als Ursache ebenso in Betracht (OLG Celle, a.a.O., Rn. 4).

Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von sämtlichen Schadensersatzansprüchen des Eigentümers der Tankstelle aus Anlass der Zerstörung bzw. Beschädigung der Tankstelle durch das Schadensereignis freizustellen (auf gutdeutsch: die Klägerin will von ihrem Vermieter und dessen berechtigten (vertraglichen) Ansprüchen verschont bleiben). Außerdem beantragt sie, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.000 € nebst Jahreszinsen hierauf i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Sie begründet ihr Begehren damit, dass – bei lebensnaher Sachverhaltsbetrachtung – die Reinigungsarbeiten der Mitarbeiter des Streithelfers – kausal für die Explosion gewesen sein müssen (OLG Celle, a.a.O., Rn. 3, 6, 8).

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die mündliche Anhörung eines Sachverständigen. Dieser hat ausgeführt, dass der genaue Geschehensvorgang nicht mehr zu ermitteln sei. Aus dem erkennbaren Schadensbild ergebe sich aber, dass es im Tank zu einer schlagartigen Volumenausdehnung gekommen sei, wie sie typischerweise bei einer Explosion auftrete. Für die Entstehung einer solchen Explosion seien vier Voraussetzungen erforderlich: Zum einen müssten brennbares Gas und Sauerstoff vorhanden sein, außerdem müssten diese durchmischt worden sein, wobei die Gaskonzentration innerhalb der Explosionsgrenze liegen müsse. Ferner sei eine Zündquelle erforderlich und zuletzt müsse diese innerhalb der explosionsfähigen Atmosphäre wirksam werden. Im Tank seien noch Reste von Flüssigkeiten und Gasen eingeschlossen gewesen, die bei dem mechanischen Aufbrechen der Ablagerungen freigesetzt werden könnten und sich im Tank wieder anreicherten. Für die Explosion selbst kämen mehrere Zündquellen in Betracht, nämlich einmal die Kraftstoffpumpe selbst, das Wiedereinschalten des Stromes, die Montagearbeiten an der Pumpe, ein Erdungsfehler, ein Defekt der Pumpe, ein durch die Montagearbeiten verursachter Potentialausgleich oder eine Funkenbildung durch die Arbeiten an der Pumpe mit einem Schraubschlüssel – letztlich sei die konkrete Zündquelle aber nicht ermitteln (OLG Celle, a.a.O., Rn. 22).

Die Entscheidung

Entgegen der vorigen Instanz hat das OLG Celle als Berufungsgericht entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Freistellung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Eigentümer der Tankstelle gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 631, 249 ff. i.V.m. § 257 BGB habe. Allerdings habe sie keinen Anspruch auf Zahlung der 10.000 € für die vergeblich gezahlte monatliche Miete für die Tankstelle.

I. Feststellungsantrag

Das Gericht prüfte zunächst die Zulässigkeit der Berufung der Klägerin: Im Rahmen der Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO gilt es sodann ein paar Besonderheiten zu beachten.

Der Feststellungsantrag muss zulässig sein. Insbesondere muss zugunsten des Klägers das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vorliegen.

FYI: Insoweit gilt wie im Öffentlichen Recht die Maxime der Subsidiarität von Feststellungsklagen im Verhältnis zu Leistungsklagen. Die Gründe dafür wurzeln wie gewöhnlich im Gedanken der Prozessökonomie.

HLB informiert:

Definition: Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen.

Vorliegend sei für die Klägerin die Inanspruchnahme durch den Eigentümer der Tankstelle sowie die Kosten für einen Wiederaufbau zum Zeitpunkt der Tankstelleneinrichtung nicht vorhersehbar und abschließend bezifferbar gewesen, sodass die Erhebung einer Leistungsklage nicht zumutbar gewesen sei.

FYI: Das Feststellungsinteresse liegt i.d.R. vor, wenn nach einem schädigenden Ereignis die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, vgl. Foerste, in: Musielak/Voit-ZPO, 21. Aufl. 2024, § 256 ZPO Rn. 14.

Sodann müsste der zulässige Feststellungsantrag auch begründet sein. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung nebenvertraglicher Pflichten müssten vorliegen.

1. Schuldverhältnis

Das Gericht stellt fest, dass zwischen den Parteien ein Schuldverhältnis aufgrund des geschlossenen Werkvertrages über die Reinigung der Tanks gem. § 631 BGB bestanden habe.

2. Kausale Pflichtverletzung

Die Beklagte habe auch eine Pflicht, namentlich eine vertragliche Nebenpflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Eine solche folge aus dem zwischen den Parteien geschlossenen privatrechtlichen Benutzungsvertrag, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Denn bei einem solchen Vertrag über die Reinigung eines Kraftstofftanks bestehe eine Schutzpflicht des reinigenden Fachunternehmens, die Rechtsgüter des Auftraggebers vor Beschädigungen beim Reinigungsvorgang zu bewahren. Dabei handele es sich um einen Unterfall einer Verkehrssicherungspflicht als vertragliche Nebenpflicht.

HLB informiert:

Definition: Verkehrssicherungspflicht

Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, hat die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu schützen.

Denn auch bei vertraglichen Schuldverhältnissen habe jeder Vertragspartner die Pflicht, auf das Integritätsinteresse seines Vertragspartners Rücksicht zu nehmen und dieses zu erhalten. Diese Pflicht entspreche inhaltlich den deliktischen Verkehrssicherungspflichten, sodass die dazu entwickelten Grundsätze entsprechend anwendbar seien. Die Beklagte sei mithin dazu verpflichtet gewesen, Vorkehrungen zur Beseitigung solcher Gefahren zu treffen, die ein umsichtiger, verständiger und vorsichtiger Angehöriger seines Verkehrskreises für notwendig und angemessen erachtet hätte (OLG Celle, a.a.O. Rn. 19). Diese Pflicht habe die Beklagte hier verletzt. Nach Durchführung der Beweisaufnahme sei der Beklagten zur Überzeugung des Senats der Beweis nicht gelungen, dass die Explosion auf eine andere Ursache als die nicht fachgerechte Reinigung zurückzuführen ist (OLG Celle, a.a.O. Rn. 18).

An dieser Stelle wird es prozessual nun interessant. Denn im Ergebnis haben wir es hier mit einer astreinen sog. non liquet-Situation zu tun, also eine Situation, in der im Zivilprozess nach Durchführung der Beweisaufnahme keine Klarheit über entscheidungsrelevante Tatsachen erreicht wurde. In solchen Fällen trägt die beweispflichtige Partei die Folgen der Unklarheit und verliert i.d.R. den Prozess. Im vorliegenden Streitfall ergeben sich nach Ansicht des Gerichts aber Besonderheiten.

Grundsätzlich trage zwar der Gläubiger die Beweislast für die objektive Pflichtverletzung, den Schaden und den Ursachenzusammenhang zwischen beiden Merkmalen. Etwas anderes gelte indes dann, wenn als mögliche Ursachen des Schadens nur solche aus dem Gefahren- und Obhutsbereich des Schuldners in Betracht kommen. In diesem Fall, müsse der Schuldner sich nicht nur hinsichtlich der subjektiven Seite, sondern auch bezüglich der objektiven Pflichtwidrigkeit entlasten. Bei einer Schadensersatzhaftung gelte das auch, wenn die genaue Ursache nicht aufgeklärt werden konnte (OLG Celle, a.a.O. Rn. 20). Diese Voraussetzung war nach Auffassung des Senats hier erfüllt.

Auf Gutdeutsch: Ein 2.000 l-Kunststofftank entscheidet sich – jenseits des Drehsets von „Alarm für Cobra 11“ – nicht willkürlich dazu, in die Luft zu fliegen; die (grds. beweispflichtige) Klägerin war jedoch während genau dies geschah derart weit entfernt vom Einwirkungsbereich auf den Tank, dass hier ausnahmsweise eine Einzelfallbetrachtung der Darlegungs- und Beweissituation billiger erscheint. Dies gilt umso mehr, als da die Beklagte – insoweit gegensätzlich zur Klägerin – im zündenden Moment gerade auf den Tank einwirkte.

Sämtliche durch den Sachverständigen festgestellten möglichen Explosionsursachen seien ausschließlich dem Gefahren- und Obhutsbereich der Beklagten zuzuordnen. Auch stehe nach den Ausführungen des Sachverständigen fest, dass diese allesamt bei Einhaltung der erwartbaren und zumutbaren Sorgfalt durch die Beklagte hätten vermieden werden können (z.B. Schmiermittel entfernen etc.) (OLG Celle, a.a.O. Rn. 21). Diese Einschätzung, also dass die Mitarbeiter des Streithelfers der Beklagten den Anforderungen zur Vermeidung von Explosionen nicht gerecht geworden sind, werde auch durch die rechtlichen Vorgaben der Explosionsschutz-Regeln gestützt (OLG Celle, a.a.O. Rn. 25 ff.). Für deren Einhaltung sei die Beklagte beweispflichtig. Diese hat jedoch dafür, ob und inwieweit vorliegend durch die Mitarbeiter des Streithelfers überhaupt Explosionsschutzmaßnahmen getroffen oder wenigstens bedacht wurden, nichts vorgetragen bzw. Beweis angeboten (OLG Celle, a.a.O. Rn. 27). Damit sei der hiesige Sachverhalt mit jenen vergleichbar, in denen die Rechtsprechung zu einer Umkehr der Beweislast gelangt (OLG Celle, a.a.O. Rn. 21).

3. Vertretenmüssen

Die Beklagte (n.b.: Die Beklagte ist hier nicht das ausführende Reinigungspersonal!) muss diese (Verkehrsicherungs-)Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Ein eigenes Verschulden scheidet aus, da nicht sie selbst die Tanks reinigte. Sie könnte sich jedoch gem. § 278 BGB das pflichtwidrige und somit schuldhafte Verhalten der Mitarbeiter des Streithelfers zurechnen lassen müssen, wenn diese als Erfüllungsgehilfen für die Beklagte tätig gewesen sind (OLG Celle, a.a.O. Rn. 15).

HLB informiert:

Definition: Erfüllungsgehilfen

„Als Erfüllungsgehilfen werden Personen bezeichnet, die mit Wissen und Wollen im Pflichtenkreis des Schuldners bei der Erfüllung einer dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit tätig sind.

Dies war vorliegend infolge des zwischen der Beklagten und dem Streithelfer geschlossenen Reinigungsvertrages. Die Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten.

FYI: Viele Studierende „beten“ an dieser Stelle gerne herunter: „Das Vertretenmüssen des Schuldners wird aufgrund der Negativformulierung in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet.“ Beachtet jedoch, dass es auf eine Vermutungsregel nur im Zweifelsfall ankommt; wenn ihr ein Vertretenmüssen hingegen bereits positiv feststellen könnt (so hier), dann ist die Floskel überflüssig und wird von strengen Prüfern negativ gewertet werden.

4. Schaden

Der Klägerin sei grundsätzlich auch ein Schaden durch diese Pflichtverletzung entstanden, nämlich in Gestalt der Schadensersatzansprüche, die der Eigentümer der Tankstelle aus Anlass der Zerstörung bzw. Beschädigung der Tankstelle gegen sie habe (OLG Celle, a.a.O. Rn. 14).

Die Voraussetzungen für einen Anspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB liegen demnach vor. Der Feststellungsantrag ist insoweit begründet.

II. Zahlungsantrag

Hingegen lehnte das OLG Celle einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 12, 631 BGB wegen nutzlos aufgewendeter Miete für die Tankstelle ab (OLG Celle, a.a.O. Rn. 31.).

Grundsätzlich habe zwar der Streithelfer schuldhaft die Ursache für die Explosion der Tankstelle gesetzt, was sich die Beklagte gemäß § 278 BGB auch zurechnen lassen müsse. Allerdings stelle die Mietzahlungen keinen kausalen erstattungsfähigen Schaden gemäß § 249 BGB dar.

HLB informiert:

Definition: Schaden

Der Schaden bezeichnet jedes unfreiwillige Vermögensopfer.

Die Mietzahlungen wären nach Auffassung des Senats auch in der Ausfallzeit – unabhängig vom haftungsbegründenden Schadensereignis – angefallen. Das Verhalten der Beklagten sei mithin nicht kausal für diesen Schadensposten. Dogmatisch u.U. sogar noch präziser, kann ebenso bereits das Merkmal der „Unfreiwilligkeit“ in Frage gestellt werden, da die Klägerin die Mietzahlungen hier gerade infolge ihrer privatautonom gesetzten Rechtsbeziehung entrichtet.

Die Klägerin, so das Gericht, sei vertraglich verpflichtet gewesen, die Miete für die Tankstellenanlage an deren Eigentümer zu zahlen. Da die Mietsache durch einen unbehebbaren Schaden untergegangen sei, der nicht auf einem Mangel beruhe, gelten die allgemeinen Vorschriften zur Unmöglichkeit. Damit sei für die Rechtsfolgen entscheidend, wer die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin selbst den Untergang der Mietsache zu vertreten, da sie sich im Verhältnis zum Eigentümer der Tankanlage das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten zurechnen lassen müsse (OLG Celle, a.a.O. Rn. 32 f.).

Die Mietkosten seien als sog. „Sowiesokosten“ nicht erstattungsfähig, da diese auch bei ordnungsgemäßer Leistung angefallen wären. Vorliegend habe die Mieterin bereits zwei Jahre vor dem Schadensereignis die streitbetroffene, über Jahre nicht betriebene Tankstelle gemietet und selbst wenn der Tank ordnungsgemäß gereinigt worden wäre, wäre der Betrieb nicht direkt wiederaufgenommen worden. Zu einer konkret geplanten Wiederaufnahme fehle es an Angaben von Seiten der Klägerin. Damit sei davon auszugehen, dass die monatliche Miete ebenso für eine nicht funktionstüchtige Tankstelle angefallen wäre, wie ohne das Schadensereignis (OLG Celle, a.a.O. Rn. 34). Letztlich scheitere der Anspruch also an einem fehlenden substantiierten Vortrag der Klägerin hinsichtlich ihres Schadens, bzw. der Unfreiwilligkeit desselben.

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Wer sind HLB Schumacher Hallermann?

HLB Schumacher Hallermann ist eine mittelständische Rechtsanwaltskanzlei, die von der steuerzentrierten Rechtsberatung kommt und sich nunmehr intensiv auch auf klassische Rechtsgebiete ausrichtet hat. Besonderes Merkmal: Konsequente Entwicklung spezieller und innovativer Beratungsfelder (Glücksspielbesteuerung, Glücksspielregulierung, eSport). Aus dem Herzen von Münster heraus beraten wir Mandanten persönlich und lösungsorientiert. Dabei ist uns eine offene und ehrliche Kommunikation gegenüber dem Mandanten wichtig.

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Beitragsautor:

JurCase Redaktion

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