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Referendariat

Strafrechtsstation: Der erste Tag in der Einzelausbildung und die ersten Akten

By 3. Mai 2018Oktober 18th, 2023No Comments
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Strafrechtsstation: Der erste Tag in der Einzelausbildung und die ersten Akten

Die Einzelausbildung beginnt offiziell – zumindest in Hessen – in der Regel nach der Einführungswoche der jeweiligen Station. In dem Bescheid über die Zuweisung zu den Einzelausbildern wurde den Rechtsreferendaren jedoch nahegelegt, sich bei ihren Einzelausbildern bereits in der Woche zuvor zu melden. Deshalb habe auch ich mich schon während der Einführungswoche der Strafrechtsstation mit meiner Einzelausbilderin getroffen:

Meine staatsanwaltschaftliche Einzelausbildung in einer groben Übersicht

Meine Einzelausbilderin ist Staatsanwältin im Dezernat für Jugend(schutz)sachen und Betäubungsmitteldelikte. Da sie im Rahmen der BtM-Delikte auch Strafverfahren gegen Erwachsene führt, ist sie nicht im Haus des Jugendrechts ansässig. Dies finde ich in Anbetracht meines Ehrenamtes bei der Staatsanwaltschaft im Haus des Jugendrechts Mainz vorteilhaft, da ich dadurch neue Einblicke in die staatsanwaltschaftliche Arbeit erhalte – wenngleich das Betäubungsmittelstrafrecht nicht examensrelevant ist.

Meine Einzelausbilderin ist allerdings keine Examensprüferin und hat auch nur eine halbe Stelle, ist dementsprechend selten im Haus. Ihre Vorstellungen von der Zusammenarbeit sind jedoch vielversprechend:

  • Die Aktenbearbeitung

    Ich soll einmal die Woche vorbeikommen, um Akten zur Bearbeitung abzuholen – die ersten zwei lagen bereits bereit. Die Aufgabenstellung finde ich am Ende der Akte, für meine ersten beiden Aufgaben war diese noch sehr konkret. Meine Einzelausbilderin teilte mir jedoch mit, dass sie die Aufgabenstellung zunehmend abstrakter formulieren möchte, sodass ich am Ende meiner staatsanwaltschaftlichen Ausbildung eine solche bestenfalls überhaupt nicht mehr benötige. Eine weitere großartige Hilfestellung ihrerseits ist, dass sie mir entsprechende Vorlagen per E-Mail zusenden wird, soweit dies für meine Aufgabe erforderlich ist, damit ich mich bei der Arbeit daran orientieren kann.

 

  • Der Sitzungsdienst

    Meine Einzelausbilderin überlässt es mir, wie oft ich mit ihr in die Verhandlung zum Sitzungsdienst mitkommen möchte – eine Pflicht besteht von ihrer Seite jedoch nicht. Sie bot mir allerdings an, dass, sollte ich mich dafür entscheiden, sie öfters begleiten zu wollen, ich unter ihrer Supervision die Anklage vertreten und das Plädoyer halten dürfe – eine großartige Vorbereitung auf den pflichtmäßigen Sitzungsdienst, den ich schließlich ohne „Sicherheitsnetz“ bestreiten muss.

 

  • Sonstiges

    Daneben bot mir meine Einzelausbilderin an, dass ich gerne einmal bei einer Hausdurchsuchung der Polizei – Abteilung Drogendelikte – anwesend sein darf, soweit sich eine entsprechende Möglichkeit bietet. Dazu wird sie meine Handynummer an den zuständigen Leiter der Polizei weitergeben, der sich im Falle dessen mit mir in Verbindung setzen wird. Alles in allem kann ich also nur eins sagen: Erneut hatte ich Glück mit meiner Einzelausbilderin.

Meine ersten Akten – von Einstellungsverfügung und Gutachten

Die Akten, die ich mit zur Bearbeitung mit nach Hause nehmen durfte, stammten beide aus dem Jugendstrafrecht – konkret hatten sie Körperverletzungsdelikte zum Inhalt.

Für die eine Akte sollte ich eine Einstellungsverfügung im Sinne des § 170 Abs. 2 StPO anfertigen, wofür ich zunächst auch eine entsprechende Vorlage sowie ein leeres Verfügungsformular erhalten habe. Der Schwerpunkt dieser Aufgabe liegt in der Begründung für die Einstellung. In meinem Fall schlug der Beschuldigte „reflexartig“ zu – dies kann also alles und gar nichts bedeuten. Seine Einlassung sowie die weiteren Aussagen legten jedoch nahe, dass der Schlag tatsächlich nur aus einem Reflex heraus erfolgte und selbst im Falle eines von Vorsatz getragenen Schlages, dieser gerechtfertigt gewesen wäre. Diese Aufgabe gestaltete sich also tatsächlich als nicht sonderlich schwierig und war auch vergleichsweise schnell erledigt. Dieser Eindruck wurde schließlich auch in der Besprechung sowie durch die Bewertung meiner Einzelausbilderin bestätigt.

Für die andere Akte sollte ich ein strafrechtliches Gutachten erstellen. Auf Nachfrage, inwieweit sich hierbei die Grundsätze für ein zivilrechtliches Gutachten entsprechend heranziehen lassen, meinte meine Einzelausbilderin, dass ein vergleichsweise starrer Aufbau, wie es im Zivilrecht üblich ist, im Strafrecht gerade nicht möglich sei. In der Einführungsarbeitsgemeinschaft haben wir das Anfertigen eines strafrechtlichen Gutachtens bisher auch noch nicht besprochen, eine Vorlage habe ich ebenso nicht erhalten. Für diese Aufgabe war ich also auf mich allein gestellt – und dass bei drei Geschädigten, drei offiziellen Beschuldigten und einer weiteren Person, die wohl tatbeteiligt war, aber noch nicht ermittelt wurde und deshalb noch nicht als Beschuldigter geführt wurde. Für eine bessere Übersicht fertigte ich deshalb zunächst eine Art Sachbericht an, wozu ich den Sachverhalt anhand der Aussagen der einzelnen Verfahrensbeteiligten in chronologischer Reihenfolge der Vernehmungen beziehungsweise der Akte rekonstruierte. Im Anschluss machte ich mich an die rechtliche Würdigung. Die einfache beziehungsweise gefährliche Körperverletzung an sich war leicht geprüft, eine Herausforderung war jedoch das Integrieren der einzelnen Aussagen mitsamt einer rechtlichen Würdigung. Hierzu habe ich mich im Wesentlichen an die Grundzüge aus dem Zivilrecht gehalten. Schließlich konnte ich einen Vorschlag machen, der zwei Anklagen und zwei Ermittlungsverfügungen beinhaltete. Der Aufbau meines Sachverhaltes war zwar noch nicht optimal. Ich habe „Unstreitiges“ zu oft wiederholt, da ich die einzelnen Aussagen in ihrer Gänze darstellen wollte. Dies ist unnötig und sollte dem zivilrechtlichen Gutachten entsprechend gelöst werden. Zum Beispiel: „Der Beschuldigte B und der Geschädigte G trafen sich am Abend des Tattages. B gab in seiner polizeilichen Vernehmung an, der G habe ihn zuerst angegriffen (Bl. x d.A.). Demgegenüber sagte der G aus, der B sei unvermittelt auf ihn losgegangen (Bl. x d.A.).“ Dementsprechend war also meine Vorgehensweise noch nicht optimal, das Gutachten an sich konnte trotzdem überzeugen, schließlich bewertete meine Einzelausbilderin es mit einem „gut“.

Fazit

In der Strafrechtsstation werden zwar recht schnell die ersten Akten zur Bearbeitung ausgeteilt, diese sind in der Regel aber bei Weitem nicht so umfangreich wie in der Zivilrechtsstation. Das Vorgehen bei der Bearbeitung ist ähnlich wie bei den Zivilrechtlern, dennoch gibt es einige Unterschiede zu beachten. Hier sind die Einzelausbilder gefragt. Wer höflich um ausformulierte Vorlagen, sonstige Vordrucke und Hilfestellungen bittet, wird diese aber sicherlich bekommen. Ich jedenfalls hatte erneut eine Menge Glück mit meiner Einzelausbilderin, weshalb ich den nächsten vier Monaten mit voller Freude entgegensehe.

– Sebastian Klingenberg, Referendar und Doktorand aus Hessen

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Beitragsautor:

Sebastian M. Klingenberg

Sebastian M. Klingenberg

Redaktionsleiter bei JurCase
Rechtsassessor, Promotionsstudent, Freiberufler

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