Interview mit Ministerialrat Ehrmanntraut
Insiderwissen aus dem Justizprüfungsamt Hessen zur AG- und Einzelausbildung in der Verwaltungsstation sowie zum Zweiten Juristischen Examen (Teil 1)
Nachdem ich mich bereits mit der „anderen Seite“ im Rahmen der Zivilrechtstation sowie der Strafrechtsstation auseinandergesetzt habe, soll dies nun auch in der Verwaltungsstation geschehen. Ministerialrat Ehrmanntraut stand mir dabei tatkräftig zur Seite und gab einige hilfreiche Einblicke:
Herr Ehrmanntraut, geben Sie uns zum Einstieg ein paar Informationen zu Ihrer Person, insbesondere Ausbildung an welcher Universität, Referendariat an welchem Landgericht sowie zum weiteren beruflichen Werdegang.
Ehrmanntraut: Mein Name ist Michael Ehrmanntraut. Ich habe Jura ab 1978 an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz studiert und dort im Jahr 1985 auch meine Erste Juristische Prüfung erfolgreich abgelegt. Das damals noch 2,5 Jahre lange Referendariat absolvierte ich in Hessen am Landgericht Wiesbaden als Stammdienstelle. Das Zweite Staatsexamen absolvierte ich erfolgreich im Jahr 1988. Im gleichen Jahr begann ich meine berufliche Tätigkeit bei der Landesverwaltung, konkret beim Regierungspräsidium Darmstadt. Nach zwei Jahren wechselte ich dann als Fachjurist ins Hessische Umweltministerium. Im Jahr 1992 bin ich in die Justiz gewechselt, zunächst als Verwaltungsrichter kraft Auftrags. Ein Jahr später erfolgte die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit. Die ersten 9 Jahre war ich am Verwaltungsgericht Darmstadt tätig, wechselte dann zum Verwaltungsgericht Wiesbaden. Schließlich erfolgte eine neunmonatige Abordnung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof und daran anschließend im Jahr 2006 eine Abordnung an das Hessische Ministerium der Justiz. Nach 5 Jahren der Abordnung fand eine Umwandlung ins Beamtenverhältnis statt. Im Justizministerium bin ich in der Abteilung II tätig und dort für öffentliches Recht, konkret Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht, darüber hinaus bislang auch für die rechtsförmliche Prüfung von Gesetzesvorhaben, zuständig. Mit einem Teil der Arbeitskraft bin ich seit 2013 auch als Justitiar im JPA tätig, hauptsächlich im Bereich von Prüfungsanfechtungen, in naher Zukunft werden Grundsatzfragen der Juristenausbildung und der juristischen Staatsprüfung hinzuzukommen. Zudem bin ich der Vertreter des Präsidenten des Justizprüfungsamtes.
Was hat Sie dazu bewogen in die Justiz zu gehen? War dieser Wunsch schon im Studium vorhanden?
Ehrmanntraut: Ich hatte zunächst keine klaren Vorstellungen von Jura. Es war vielmehr ein Versuch herauszufinden, ob es mir liegt, mit Recht und Gesetzen zu arbeiten. Es hat auch eine gewisse Zeit gebraucht, bis ich feststellte, dass das passt. Schon im Studium entwickelte ich eine Affinität zum öffentlichen Recht. Damit entwickelte sich auch die Vorstellung, einmal in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu arbeiten. Damals wurden Berufsanfänger nach dem Zweiten Staatsexamen jedoch noch nicht direkt eingestellt, sondern sie mussten erst Erfahrungen in der Verwaltung oder in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sammeln. Deshalb traf ich die Entscheidung, zunächst einmal in die Verwaltung zu gehen. Zur Verwaltungsgerichtsbarkeit kam ich dann eher kurzfristig aufgrund eines gestiegenen Bedarfs infolge des Anstiegs von Asylverfahren. Die Zeit in der Verwaltungsgerichtsbarkeit habe ich nie bereut, es war eine sehr schöne und fruchtbare Zeit – trotz des vielen Asyls. Eine sehr lange Zeit konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass ich einmal etwas anderes mache. Der Wechsel zum Justizministerium war auch so nicht geplant. Es gab dann aber die Anfrage, ob ich Interesse hätte. Zunächst war auch kein dauerhafter Wechsel angedacht, sondern nur eine Abordnung für zwei, drei Jahre. Nachdem sich aber die Rahmenbedingungen geändert hatten, machte es Sinn, das dauerhaft umzuwandeln.
Seit wie vielen Jahren leiten Sie bereits Arbeitsgemeinschaften (AGs) in der Verwaltungsstation?
Ehrmanntraut: Ich leite seit 1995 Arbeitsgemeinschaften. Damals noch in Darmstadt, seit 2001 in Wiesbaden.
Worauf kommt es bei der Ausbildung in der AG besonders an? Welches theoretische und praktische Wissen sollte ein Ausbilder also insbesondere vermitteln?
Ehrmanntraut: Es kommt maßgeblich darauf an, das vorauszusetzende Wissen gut, sinnvoll und praxisnah umzusetzen, also in den praktischen Formen, mit denen man später juristisch konfrontiert ist. Man muss in der Lage sein, gute praxisgerechte Entscheidungen zu treffen und öffentlich-rechtliche Fragestellungen auch aus anwaltlicher Sicht bearbeiten zu können. Es muss aber auch speziell vermittelt werden, was im Examen auf die Referendare zukommen kann. Es darf sich jedoch nicht darauf beschränken. Dies ist auch jedoch kein Widerspruch, sondern Examen und Praxis ergänzen sich. Es gilt ein Verständnis für rechtliche Zusammenhänge zu vermitteln.
Wie sollten sich die Rechtsreferendare optimalerweise auf die wöchentlichen Arbeitsgemeinschaften vorbereiten? Sollte direkt von Beginn an AG-begleitend mit einem Lehrbuch gearbeitet werden beziehungsweise was sollten die Referendare idealerweise begleitend zur Arbeitsgemeinschaft machen?
Ehrmanntraut: Das muss jeder für sich selbst wissen, da es unterschiedliche Lerntypen gibt. Ich halte Hausaufgaben in den AGs für sinnvoll, da ehemalige Examensklausuren die beste Vorbereitung sind. Wenn diese gut und ordentlich zu Hause bearbeitet werden, ist dies eine sinnvolle Begleitung zur AG. Die von mir als Hausaufgaben verteilten Examensklausuren werden im Anschluss nicht nur besprochen, sondern ich gebe auch begleitende Skripte mit examensrelevanten Hinweisen raus. In Hessen gibt es auch die sog. Handakte, in der Formalien wie Aufbau von Erst- und Widerspruchsbescheiden, Urteilen und Beschlüssen praxisgerecht dargestellt werden. Inwieweit man neben diesen Materialien noch ein Lehrbuch benötigt, hängt also vom Lerntyp ab und davon, wie man sich selbst die Schwerpunkte setzt. Gleiches gilt auf für Repetitorien. Meines Erachtens nach braucht man die nicht unbedingt, wenn man ordentlich in der AG mitarbeitet.
Ganz besonders wichtig ist jedoch das Schreiben von Klausuren. Das wird zwar auch in der AG gemacht, sollte aber auch darüber hinaus gelernt werden, sei es mit Klausurenkursen oder anderweitig – hier ist jeder seines eigenen Glückes Schmied.
Wann sollten die Rechtsreferendare ihre ersten Übungsklausuren unter Examensbedingungen schreiben?
Ehrmanntraut: Selbstverständlich muss man erst einmal gelernt haben, wie im Zivilrecht ein Urteil und im Strafrecht eine Anklageschrift auszusehen hat. Dabei spielt bereits die Einzelausbildung in den beiden ersten Stationen eine große Rolle. Vorher macht der Klausurenkurs am Landgericht keinen Sinn. Auf der anderen Seite sollte man auch nicht zu spät mit dem Üben von Klausuren anfangen. Übungsklausuren unter Examensbedingungen werden zwar bereits in den AGs geschrieben, aber es muss zusätzlich trainiert werden.
Welcher Moment ist Ihnen als AG-Leiter besonders in Erinnerung geblieben?
Ehrmanntraut: lacht – hier könnte ich besonders viel erzählen, da mir insbesondere viele positive Erinnerungen geblieben sind. Als besonders schön empfand ich allerdings zwei Momente, da ich sie auch als Wertschätzung an meiner Person wahrnahm. Ich erhielt in zwei Fällen besonders schöne Präsente – natürlich im Rahmen des dienstrechtlich zulässigen. Einmal erhielt ich ein Trikot von Mainz 05, da ich bekennender Fan bin, und zwar mit Namen und der Rückennummer 80V. Und einmal erhielt ich, da ich in der AG ein Austauschprojekt in Armenien erwähnte, bei dem ich mit einem ausgezeichneten armenischen Cognac in Kontakt kam, eben eine Flasche diesen Cognacs. Ich habe es als besonders nett empfunden, dass sich jemand so viel Mühe macht, so etwas Spezielles herzustellen beziehungsweise über das Internet zu besorgen. Es zeigte mir, dass die Referendare die Zeit als sehr positiv empfunden haben.
Im zweiten Teil erfahrt ihr, welche Einblicke Ministerialrat Ehrmanntraut insbesondere zur Einzelausbildung gewährt.
Das Interview führte Sebastian Klingenberg, Referendar und Doktorand aus Hessen.
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