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examensrelevant

HLB Schumacher Hallermann präsentiert examensrelevante Fälle: Neues zu Sondernutzung und Gemeingebrauch im Straßenrecht (Verwaltungsrecht)

Aufbereitete Fälle bekannt aus Assessor Juris

In Kooperation mit der Kanzlei HLB Schumacher Hallermann präsentieren wir dir die aus unserem Leitfaden Assessor Juris bekannten examensrelevanten Fällen. Diese werden unter Supervision von Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann von qualifizierten wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen oder Referendar:innen für dich ausformuliert bzw. bearbeitet.

In diesem Beitrag geht es um einen Beschluss des VG Münster vom 09.02.2022 – 8 L 785/2.

Hinweis vom HLB-Team:

Die Sondernutzung öffentlicher Straßen, der damit in Verbindung stehende Erlaubnisvorbehalt, die Abgrenzung zwischen Sondernutzung und Gemeingebrauch nach dem StrWG (NRW), die Prüfung von behördlichen Ermessensentscheidungen sind hochrelevante Themen im Ersten und im Zweiten Staatsexamen. Dem geschuldet folgt nach der Skizzierung des Beschlusses eine grobe dogmatische Einordnung dieser Key-Themen.

Die Hintergründe zur Entscheidung

Der Streit um ein mögliches E-Scooter-Verbot in Münster geht weiter. Was die zunehmend an Boden gewinnenden ca. 3.000 „Elektrokleinstfahrzeuge“ anbelangt, teilen sich die Gemüter seit Langem. Manch einer verflucht sie im Münsteraner Stadtbild. Für wieder andere sind sie ein Segen auf dem Weg nach Hause.

Ein brandaktueller Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster beleuchtet nun eingehender die Konsequenzen einer auszuufern drohenden E-Scooter-Infrastruktur.

Der Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen e.V. erinnerte mit seinem Eilantrag zu Recht daran, dass gerade die ohnehin Beeinträchtigten unserer Gesellschaft durch Defizite in der E-Roller-Infrastruktur schlimmer betroffen und sogar gefährdet werden. Ein untragbarer Zustand, der ein Verbot des Verleihs von E-Scootern im stationslosen „Free-Floating-System“, zumindest den Erlass von Beseitigungsverfügungen rechtfertigen würde, so zumindest befand es der Verein, der dies bei der Stadt Münster beantragte.

Der Antragsteller führte zur Begründung u.a. an, die E-Scooter seien für seine Mitglieder – blinde und sehbehinderte Menschen – unvermutete Barrieren an ständig wechselnden Orten in einer unkontrollierten Vielzahl – und damit ein massives, ernsthaftes Sicherheitsproblem. Hinzu komme, dass die E-Roller bei schlechter Witterung umkippen und Wege nicht unwesentlich blockieren.

Die Stadt Münster lehnte ein Verbot hingegen ab. Die örtlichen Betreiber hätten sich verpflichtet, sich um das Problem zu kümmern.

Ein völliges Verbot der stationslosen E- Scooter sei unverhältnismäßig und komme nicht in Betracht. Daraufhin ersuchte der Antragsteller um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO beim VG Münster.

Die Entscheidung

Ein Verbot im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung konnte der Blindenverein vor dem VG Münster (Beschl. v. 09.02.2022 – 8 L 785/21) nicht durchsetzen. Dieses gab dem Antrag allerdings teilweise statt.

Der Antragsteller habe – so das Gericht – keinen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag erstrebte Untersagung des Geschäftsbetriebs mit E-Tretrollern im „Free-Floating-System“ sowie den begehrten Erlass von Beseitigungsverfügungen glaubhaft gemacht. Für die beantragte Untersagung des Geschäftsbetriebs sei schon keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Soweit sich der Antragsteller wie für den begehrten Erlass von Beseitigungsverfügungen auf § 22 Abs. 1 S. 1 StrWG NRW stütze, sei zu berücksichtigen, dass die Vorschrift der Behörde Ermessen einräume. Die Untersagung des Geschäftsbetriebs bzw. der Erlass von Beseitigungsverfügungen stellten jedoch nicht die einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung dar (keine Ermessensreduzierung auf Null). Es existierten verschiedene Handlungsmöglichkeiten für Vorkehrungen, um Beeinträchtigungen von Sehbehinderten und Blinden zu minimieren (vgl. VG Münster, Beschl. v. 09.02.2022 – 8 L 785/21, Rn. 6 ff., BeckRS 2022, 1755).

Der Antragsteller habe jedoch einen Anspruch auf Neubescheidung glaubhaft gemacht. Die Nutzung von E-Scootern im „Free-Floating- Modell“ sei nach vorläufiger Bewertung der Kammer straßenrechtlich als Sondernutzung zu qualifizieren. Über die erforderliche Sondernutzungserlaubnis verfüge der Betreiber nicht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 StrWG lägen mithin vor. Die Entscheidung, erforderliche Maßnahmen nach dieser Vorschrift anzuordnen, läge im Ermessen der Behörde. Dieses Ermessen habe die Stadt Münster rechtsfehlerhaft ausgeübt. Ihr Verweis auf freiwillige Selbstverpflichtungserklärungen der Betreiber, mit deren Hilfe den verkehrssicherheitsrechtlich relevanten Aspekten angemessen berücksichtigt würden, sei nicht ausreichend. Insbesondere sei zu bedenken, dass bereits das Fehlen der erforderlichen Sondernutzungserlaubnis (formelle Illegalität) zum Erlass von Beseitigungsverfügungen berechtigen. Es fehlten Erwägungen zur Belastbarkeit bzw. Tragfähigkeit der Selbstverpflichtungserklärungen. Zudem habe die Antragsgegnerin bisherige Unfälle im Zusammenhang mit den aufgestellten E-Scootern im Rahmen ihrer Ermessensausübung nicht berücksichtigt. Der Verweis auf die absehbare Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen sei nicht tragfähig, da deren Erteilung auch vor dem Hintergrund, dass Anträge noch gestellt seien, nicht absehbar sei. Das VG Münster bejahte schließlich einen Anordnungsgrund mit Blick auf das hochrangige Rechtsgut des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (vgl. zum Ganzen VG Münster, Beschl. v. 09.02.2022 – 8 L 785/21, Rn. 9 ff., BeckRS 2022, 1755).

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Wer sind HLB Schumacher Hallermann?

HLB Schumacher Hallermann ist eine mittelständische Rechtsanwaltskanzlei, die von der steuerzentrierten Rechtsberatung kommt und sich nunmehr intensiv auch auf klassische Rechtsgebiete ausrichtet hat. Besonderes Merkmal: Konsequente Entwicklung spezieller und innovativer Beratungsfelder (Glücksspielbesteuerung, Glücksspielregulierung, eSport). Aus dem Herzen von Münster heraus beraten wir Mandanten persönlich und lösungsorientiert. Dabei ist uns eine offene und ehrliche Kommunikation gegenüber dem Mandanten wichtig.

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Beitragsautor:

Dr. Lennart Brüggemann

Dr. Lennart Brüggemann

HLB Schumacher Hallermann ist eine mittelständische Rechtsanwaltskanzlei, die sich intensiv auch auf klassische Rechtsgebiete ausrichtet hat. Rechtsanwalt Dr. Lennart Brüggemann, Partner bei HLB, betreut unter anderem das Projekt „Entscheidung des Monats“, bei dem regelmäßig unter seiner Supervision wissenschaftliche Mitarbeiter:innen oder Referendar:innen eine aktuelle Entscheidung analysieren und aufbereiten.

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