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Referendariat

Die Vorbereitung auf den staatsanwaltlichen Sitzungsdienst

By 27. September 2017Oktober 12th, 2023No Comments
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Die Vorbereitung auf den staatsanwaltlichen Sitzungsdienst

Wenn es etwas gibt, auf das sich die Referendare gleichermaßen freuen wie sie sich (unbegründeterweise) davor fürchten, ist das der staatsanwaltliche Sitzungsdienst. Zum ersten Mal werden die Referendare hier aktiver Teil des Justizapparates. Dabei dürfen wir als Referendare erstmalig selbstständig vor Gericht auftreten und den Staat repräsentieren. Doch auch dies soll gut vorbereitet sein. In diesem Beitrag erläutere ich dir anhand meiner persönlichen Erfahrung, wie so eine effektive Vorbereitung auf den staatsanwaltlichen Sitzungsdienst aussehen kann.

Organisieren der Handakten

Du wirst nun deine Handakten von deinen Ausbildern erhalten. In der Regel werden diese jedoch nie ganz vollständig sein, d.h. es kommen im Laufe der Woche meistens noch zusätzliche Handakten, z.B. durch kurzfristige Terminierungen, hinzu.

Daher ist es wichtig, dass du etwa zwei Tage vor deinem Sitzungstermin bei der zuständigen Geschäftsstelle des Amtsgerichts anrufst und höflich nachfragst, ob deine Handakten für den Tag vollständig sind (dazu teilst du das entsprechende Aktenzeichen der StA mit). Die Telefonnummer findest du meistens rechts oben neben dem Eröffnungsbeschluss.

Modische Roben kannst du dir in passenden Größen bei der jeweiligen Wachtmeisterei der Staatsanwaltschaft ausleihen. Für Männer ist zusätzlich eine weiße Krawatte Pflicht. Diese findet man allerdings sehr günstig in gängigen Bastelläden oder im Internet für ca. drei bis fünf Euro.

Vorbereitung anhand von Stichpunktzetteln

Wenn du nun ganz stolz deine Handakten und das stylische Outfit zusammenorganisiert hast, kann auch schon die eigentliche Vorbereitung starten.

Ich habe es immer so gehandhabt, dass ich mir zunächst alle Anklageschriften meiner Handakten durchgelesen habe (i.d.R. etwa 7-9), um einen groben Überblick zu bekommen. Sind mehrere Anklagen verbunden? Gibt es Sachen, in denen viele Zeugen geladen sind?

Im zweiten Schritt habe ich mir in jede Handakte vorgefertigte und ausgedruckte Stichpunktzettel gelegt, um für jede Verhandlung eine DIN A4 Seite mit Stichpunkten zu haben. Dies wird später dein Gerüst für das Plädoyer.

Mein Stichpunktzettel fing mit dem Namen des/der Angeklagten und dem Nettoeinkommen (das erfährst du auf Nachfrage in der Verhandlung und ist wichtig für die Berechnung der Tagessatzhöhe) an. Daneben notierte ich mir die Uhrzeit, damit ich nie den Überblick über das jeweilige terminierte Verfahren verlor.

Als nächstes notierte ich mir kurz den Sachverhalt.

Beispiel: „Diebstahl am 03.04.16 im Kaufhaus XY; Schaden 9,99 EUR und Schwarzfahrt am 05.06.16 in der Stadt XY.“

Darunter notierte ich die Normen, nach denen sich der Angeklagte schuldig gemacht haben könnte. Den Strafrahmen kannst du dir getrost sparen. Viele Richter sagten mir, dass man diesen weglassen kann, da der Strafrahmen zumindest bei einfachen Delikten offenkundig sei.

Um bei unserem Beispiel zu bleiben:

„Strafbar nach: §§ 242 Abs. 1, 265a Abs. 1, Abs. 3, 53 StGB“.

Darunter schrieb ich den Punkt: „Beweiswürdigung“, den ich bewusst frei ließ. Hier trägst du dann während der mündlichen Verhandlung in Stichpunkten ein, wie sich der Angeklagte einließ oder was die Zeugen aussagten. Diese Punkt wirst du nämlich kaum vorbereiten können, da du keine „umfangreiche“ Akte bekommst und sich die Dinge während der mündlichen Verhandlung immer anders darstellen können und auch meist werden.

Achte dabei unbedingt darauf, dass es auch bei einem Stichwortzettel bleibt. Wenn du natürlich sehr viele Zeugen hast, kannst du für deren Aussagen einzelne „Beweiswürdigungszettel“ erstellen. Meistens sind die Verfahren jedoch recht übersichtlich (Schwarzfahren, Diebstahl etc.), sodass ich meistens mit diesem Stichwortzettel auskam. Auf keinen Fall sollte man dort irgendetwas ausformulieren, da man dann zum Ablesen neigt.

Darauf folgte dann eine Tabelle, die in „strafmildernd“ und „strafschärfend“ eingeteilt war. Hier trägst du stichpunktartig ein, was innerhalb der Strafzumessung für und gegen den Angeklagten spricht. Diese Punkte werden sich im Laufe der Sitzungen immer wiederholen.

Strafschärfend wird sich immer eine einschlägige Vorstrafe auswirken, sodass wichtig ist, dass du ein aktuelles „BzR“ (Auszug aus dem Bundeszentralregister) in der Handakte hast. Sollte dies fehlen oder nicht aktuell beziehbar sein, bitte den Richter höflich darum, dich auf den aktuellen Stand zu bringen (der BzR wird aber in der mündlichen Verhandlung auch vorgelesen). Dies ist auch deshalb so wichtig, da einige Eintragungen „gesamtstrafenfähig“ sein können.

Kleiner Tipp: Immer wenn du dir unsicher bist oder unerwartet weitere Vorstrafen hinzugekommen sind, bitte um kurze Unterbrechung und rufe deinen Ausbilder an. Aber keine Sorge, das wird wohl sehr selten passieren.

Beispiele für strafschärfende Umstände:

– einschlägige Vorstrafen

– Bewährungsversager

– hohe kriminelle Energie (Achtung hier auf das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB achten: Wenn der Angeklagte sich beispielsweise wegen gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig gemacht hat, darfst du ihm nicht nochmal vorwerfen, dass er ja gewerbsmäßig gehandelt hat)

etc.

Beispiele für strafmildernde Umstände:

– Geständnis

– Einsicht und Reue

– Schadenswidergutmachung

– wirtschaftliche Notlage

– Provokationen des Tatopfers

etc.

Zum Schluss notierst du dir dann deine Anträge, die du im besten Falle bereits mit deinem Ausbilder abgesprochen hast:

Beispiel: “1. Tat 40 TS á 10 Euro, 2. Tat 30 TS á 10 Euro-à Gesamt: 50 TS á 10 Euro“

Hier trägst du auch zusätzliche Anträge ein. Wenn sich aus der Handakte beispielsweise ergibt, dass es um Straßenverkehrsdelikte geht (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Trunkenheitsfahrt etc.) darfst du nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins vergessen. Auch kommen Sperrfristen in Betracht.

Dies wirst du aber ebenfalls immer vorher mit deinem Ausbildern absprechen, sodass du darauf immer gut vorbereitet bist.

Nun hast du einen Stichpunktzettel, der dir auf (fast) alle Fragen eine Antwort gibt und mit dem du selbstbewusst und ohne Sorge in deine Sitzungsdienst gehen kannst.

Viel Erfolg!

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Beitragsautor:

Sinan Akcakaya

Sinan Akcakaya

Sinan schrieb für JurCase zunächst über seine Erfahrungen im juristischen Vorbereitungsdienst und sodann über das Assessorexamen. Seine letzten Beiträge für uns befassen sich hingegen mit dem Karrierebeginn junger Volljuristen.

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