
Die Vorbereitung auf den staatsanwaltlichen Sitzungsdienst
Wenn es etwas gibt, auf das sich die Referendare gleichermaßen freuen wie sie sich (unbegründeterweise) davor fürchten, ist das der staatsanwaltliche Sitzungsdienst. Zum ersten Mal werden die Referendare hier aktiver Teil des Justizapparates. Dabei dürfen wir als Referendare erstmalig selbstständig vor Gericht auftreten und den Staat repräsentieren. Doch auch dies soll gut vorbereitet sein. In diesem Beitrag erläutere ich euch anhand meiner persönlichen Erfahrung, wie so eine effektive Vorbereitung auf den staatsanwaltlichen Sitzungsdienst aussehen kann.
Organisieren der Handakten
Ihr werdet nun eure Handakten von euren Ausbildern erhalten. In der Regel werden diese jedoch nie ganz vollständig sein, d.h. es kommen im Laufe der Woche meistens noch zusätzliche Handakten, z.B. durch kurzfristige Terminierungen, hinzu.
Daher ist es wichtig, dass ihr etwa zwei Tage vor eurem Sitzungstermin bei der zuständigen Geschäftsstelle des Amtsgerichts anruft und höflich nachfragt, ob eure Handakten für den Tag vollständig sind (dazu teilt ihr das entsprechende Aktenzeichen der StA mit). Die Telefonnummer findet ihr meistens rechts oben neben dem Eröffnungsbeschluss.
Modische Roben könnt ihr euch in passenden Größen bei der jeweiligen Wachtmeisterei der Staatsanwaltschaft ausleihen. Für Männer ist zusätzlich eine weiße Krawatte Pflicht. Diese findet man allerdings sehr günstig in gängigen Bastelläden oder im Internet für ca. drei bis fünf Euro.
Vorbereitung anhand von Stichpunktzetteln
Wenn ihr nun ganz stolz eure Handakten und das stylische Outfit zusammenorganisiert habt, kann auch schon die eigentliche Vorbereitung starten.
Ich habe es immer so gehandhabt, dass ich mir zunächst alle Anklageschriften meiner Handakten durchgelesen habe (i.d.R. etwa 7-9), um einen groben Überblick zu bekommen. Sind mehrere Anklagen verbunden? Gibt es Sachen, in denen viele Zeugen geladen sind?
Im zweiten Schritt habe ich mir in jede Handakte vorgefertigte und ausgedruckte Stichpunktzettel gelegt, um für jede Verhandlung eine DIN A4 Seite mit Stichpunkten zu haben. Dies wird später euer Gerüst für das Plädoyer.
Mein Stichpunktzettel fing mit dem Namen des/der Angeklagten und dem Nettoeinkommen (das erfahrt ihr auf Nachfrage in der Verhandlung und ist wichtig für die Berechnung der Tagessatzhöhe) an. Daneben notierte ich mir die Uhrzeit, damit ich nie den Überblick über das jeweilige terminierte Verfahren verlor.
Als nächstes notierte ich mir kurz den Sachverhalt.
Beispiel: „Diebstahl am 03.04.16 im Kaufhaus XY; Schaden 9,99 EUR und Schwarzfahrt am 05.06.16 in der Stadt XY.“
Darunter notierte ich die Normen, nach denen sich der Angeklagte schuldig gemacht haben könnte. Den Strafrahmen könnt ihr euch getrost sparen. Viele Richter sagten mir, dass man diesen weglassen kann, da der Strafrahmen zumindest bei einfachen Delikten offenkundig sei.
Um bei unserem Beispiel zu bleiben:
„Strafbar nach: §§ 242 Abs. 1, 265a Abs. 1, Abs. 3, 53 StGB“.
Darunter schrieb ich den Punkt: „Beweiswürdigung“, den ich bewusst frei ließ. Hier tragt ihr dann während der mündlichen Verhandlung in Stichpunkten ein, wie sich der Angeklagte einließ oder was die Zeugen aussagten. Diese Punkt werdet ihr nämlich kaum vorbereiten können, da ihr keine „umfangreiche“ Akte bekommt und sich die Dinge während der mündlichen Verhandlung immer anders darstellen können und auch meist werden.
Achtet dabei unbedingt darauf, dass es auch bei einem Stichwortzettel bleibt. Wenn ihr natürlich sehr viele Zeugen habt, könnt ihr für deren Aussagen einzelne „Beweiswürdigungszettel“ erstellen. Meistens sind die Verfahren jedoch recht übersichtlich (Schwarzfahren, Diebstahl etc.), sodass ich meistens mit diesem Stichwortzettel auskam. Auf keinen Fall sollte man dort irgendetwas ausformulieren, da man dann zum Ablesen neigt.
Darauf folgte dann eine Tabelle, die in „strafmildernd“ und „strafschärfend“ eingeteilt war. Hier tragt ihr stichpunktartig ein, was innerhalb der Strafzumessung für und gegen den Angeklagten spricht. Diese Punkte werden sich im Laufe der Sitzungen immer wiederholen.
Strafschärfend wird sich immer eine einschlägige Vorstrafe auswirken, sodass wichtig ist, dass ihr ein aktuelles „BzR“ (Auszug aus dem Bundeszentralregister) in der Handakte habt. Sollte dies fehlen oder nicht aktuell beziehbar sein, bittet den Richter höflich darum, euch auf den aktuellen Stand zu bringen (der BzR wird aber in der mündlichen Verhandlung auch vorgelesen). Dies ist auch deshalb so wichtig, da einige Eintragungen „gesamtstrafenfähig“ sein können.
Kleiner Tipp: Immer wenn Ihr Euch unsicher seid oder unerwartet weitere Vorstrafen hinzugekommen sind, bittet um kurze Unterbrechung und ruft euren Ausbilder an. Aber keine Sorge, das wird wohl sehr selten passieren.
Beispiele für strafschärfende Umstände:
– einschlägige Vorstrafen
– Bewährungsversager
– hohe kriminelle Energie (Achtung hier auf das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB achten: Wenn der Angeklagte sich beispielsweise wegen gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig gemacht hat, dürft ihr ihm nicht nochmal vorwerfen, dass er ja gewerbsmäßig gehandelt hat)
etc.
Beispiele für strafmildernde Umstände:
– Geständnis
– Einsicht und Reue
– Schadenswidergutmachung
– wirtschaftliche Notlage
– Provokationen des Tatopfers
etc.
Zum Schluss notiert Ihr euch dann eure Anträge, die ihr im besten Falle bereits mit eurem Ausbilder abgesprochen habt:
Beispiel: “1. Tat 40 TS á 10 Euro, 2. Tat 30 TS á 10 Euro-à Gesamt: 50 TS á 10 Euro“
Hier tragt ihr auch zusätzliche Anträge ein. Wenn sich aus der Handakte beispielsweise ergibt, dass es um Straßenverkehrsdelikte geht (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Trunkenheitsfahrt etc.) dürft ihr nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins vergessen. Auch kommen Sperrfristen in Betracht.
Dies werdet ihr aber ebenfalls immer vorher mit euren Ausbildern absprechen, sodass ihr darauf immer gut vorbereitet seid.
Nun habt ihr einen Stichpunktzettel, der euch auf (fast) alle Fragen eine Antwort gibt und mit dem ihr selbstbewusst und ohne Sorge in euren Sitzungsdienst gehen könnt.
Viel Erfolg!
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