Kurzer Überblick zum verwaltungsgerichtlichen Urteil
Nachdem wir uns dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss gewidmet haben, soll in diesem Beitrag der Aufbau des verwaltungsgerichtlichen Urteils erläutert werden. Ein sauberer Aufbau ist von enormer Wichtigkeit – daher sollte dies durch das regelmäßige Schreiben von Klausuren trainiert werden.
I. Rubrum
Zum Rubrum gehören:
- Die Bezeichnung des Gerichts.
- Oben links ist das Aktenzeichen anzugeben.
- Es folgt zentriert die Formel Im Namen des Volkes und anschließend die Bezeichnung der Entscheidung als
- Anschließend sind die Verfahrensbeteiligten zu benennen, also Kläger, Beklagter und Beigeladener; der Kläger ist mit Vor- und Nachnamen (ggf. Berufsbezeichnung) und vollständiger Anschrift anzugeben, bei juristischen und nicht prozessfähigen natürlichen Personen sind zudem die gesetzlichen Vertreter mit Namen und vollständiger Anschrift anzugeben.
- Werden die Beteiligten von einem Prozessbevollmächtigten vertreten, ist auch dieser mit Namen und vollständiger Anschrift aufzuführen.
- Parteien kraft Amtes (z. B. Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter) sind als gesetzliche Prozessstandschafter selbst Partei und mit ihrer Bezeichnung ins Rubrum aufzunehmen.
JurCase informiert:
bei der Angabe des (Passiv-)Rubrums ist stets auf die jeweiligen landesrechtlichen Besonderheiten zu achten; Im Passivrubrum ist regelmäßig der Rechtsträger aufzuführen, dessen Behörde den angefochtenen VA erlassen oder unterlassen hat (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Behörde ist nur aufzuführen, wenn eine landesrechtliche Bestimmung dies vorsieht (§ 61 Nr. 3 VwGO).
1. Kurzangabe des Streitgegenstandes
- der Streitgegenstand ist kurz zu benennen,
- B. wegen Schließung einer Gaststätte, wegen Erstattung von Abschleppkosten
2. Bezeichnung des Gerichts, Spruchkörpers und der Richter
- anschließend folgt gem. § 117 Abs. 2 Nr.2 VwGO die Bezeichnung des Gerichts, des Spruchkörpers sowie der beteiligten Richter:
… hat die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom….
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Müller,
den Richter am Verwaltungsgericht Meier,
die Richterin Dr. Schneider sowie die
ehrenamtlichen Richter Becker und Schmidt
für Recht erkannt;
- Falls gemäß § 6 Abs- 1 VwGO ein Einzelrichter entscheidet, ist der Einleitungssatz wie folgt abzuschließen:
…durch den Richter am Verwaltungsgericht… als Einzelrichter für Recht erkannt: …
3. Tenor
Der Tenor eines verwaltungsgerichtlichen Urteils besteht aus
- der Hauptsacheentscheidung;
- der Kostengrundentscheidung;
- dem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit.
II. Tatbestand
1. Einleitungssatz
Üblicherweise wird zu Beginn des Tatbestandes mit einem kurzen Einleitungssatz im Präsens dargestellt, worüber gestritten wird. Allerdings ist auch dies eine Geschmackssache! Oftmals wird ein Einleitungssatz bei einfach gelagerten Sachverhalten als überflüssig empfunden, auch hier solltest du Rücksprache mit eurem AG-Leiter halten!
2. Sachverhalt
Weil das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, beinhaltet die Darstellung nicht nur den unstreitigen Tatsachenvortrag der Beteiligten. Sie umfasst vielmehr alle Umstände, von denen das Gericht ohne Beweiserhebung ausgehen kann.
3. Verfahrensgeschichte
Anschließend ist die Verfahrensgeschichte chronologisch mit aktiven Verbformen im Imperfekt darzustellen.
JurCase informiert:
Die Aktenauszüge im Verwaltungsrecht sind oftmals mit einer Vielzahl an Daten gespickt! Es ist daher – wie auch in den anderen Rechtsgebieten – dringend zu empfehlen, sich zu Beginn eine Zeitleiste zu machen und den Sachverhalt nach Datum und dem jeweiligen Ereignis zu sortieren. So ist es auch einfacher, bei etwaigen Fristproblemen den Überblick zu behalten und sauber darzustellen.
- Bei Anfechtungsklagen ist daran zu denken, Anhörung, Datum und Begründung (einschließlich der Ermessenserwägungen) des Ausgangsbescheides, Datum und Begründung eines eventuellen Widerspruchs.
- Bei Verpflichtungsklagen ist an das Datum der Antragstellung bei der Behörde zu denken.
- Bei Fortsetzungsfeststellungsklagen (häufig in polizeirechtlichen Klausuren) sind die Umstände der Erledigung des VA darzulegen.
4. Prozessgeschichte ab Klageerhebung
- Die Prozessgeschichte Teil I wird im Perfekt dargestellt und beginnt mit Datum der Klageerhebung; zur Prozessgeschichte gehören alle Geschehnisse nach Klageerhebung.
- Zeitpunkt der Klageerhebung ist der Zeitpunkt, an dem die Klageschrift bei Gericht eingeht, § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO, oder zur Niederschrift erhoben wird (§ 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
5. Klägervorbringen
- Das Klägervorbringen ist in indirekter Rede darzustellen: Der Kläger rügt, dass… oder Der Kläger ist der Auffassung, dass...
- Im Gegensatz zum zivilgerichtlichen Tatbestand sind auch Rechtsansichten zu benennen.
6. Anträge des Klägers
- Die zuletzt gestellten Anträge sind durch Einrücken hervorzuheben.
- Die Darstellung der Anträge ist nicht immer unproblematisch:
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- stellt der Kläger einen „laienhaften“ Antrag, ist er umzuformulieren und darauf hinzuweisen („Der Kläger beantragt sinngemäß“…); alternativ kann im Tatbestand der Antrag auch wörtlich wiedergegeben werden und zu Beginn der Entscheidungsgründe ausgelegt werden
-
-
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- die einseitige Erledigungserklärung ist unmittelbar vor die zuletzt gestellten Anträge zu verorten; die ursprünglich gestellten Anträge sind nicht wörtlich wiederzugeben:
-
Nachdem (es folgt die Darstellung des erledigenden Ereignisses), hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt nunmehr
festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
- Liegt eine übereinstimmende Teil- (Erledigungserklärung) vor, ist sie ebenfalls im Tatbestand vor den Anträgen in die Prozessgeschichte aufzunehmen
Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Bescheid vom … insoweit aufgehoben hat, als …, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt nunmehr,
den Bescheid des Beklagten vom … aufzuheben, soweit er noch Gegenstand des Verfahrens ist.
- Auch im Falle einer Klageänderung sind die vorher gestellten Anträge lediglich sinngemäß wiederzugeben:
Nachdem der Kläger ursprünglich die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom … begehrt hatte, beantragt er nunmehr,
festzustellen, dass der Bescheid vom … rechtswidrig gewesen ist.
7. Antrag und Vorbringen des Beklagten
Im Anschluss an den Klägerantrag folgt der Antrag des Beklagten. Im Standardfall heißt es dann:
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bei der Erörterung des Beklagtenvorbringens gilt es, Wiederholungen zu vermeiden. Ihr könnt hier ruhig auf den Inhalt des Bescheides verweisen.
8. Vorbringen des Beigeladenen
Stellt der Beigeladene einen Antrag, ist dies im Tatbestand dringend zu erwähnen. Ihr könnt dabei wie folgt formulieren:
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch wenn er keinen Antrag stellt, ist dies im Antrag klarzustellen:
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er macht sich den Vortrag des Beklagten zu eigen.
9. Prozessgeschichte
- Zur Prozessgeschichte gehört u. a. der Hinweis auf eine Beweisaufnahme.
- Ferner sind besondere Entscheidungsformen anzuführen, wie das Einverständnis der Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
- Wenn ein Beteiligter nicht erscheint, kann das Gericht entscheiden, wenn dieser nach § 102 Abs. 2 VwGO ordnungsgemäß geladen wurde; das Nichterscheinen ist hier zu erwähnen.
III. Entscheidungsgründe
1. Vorprozessuale Fragen
Bevor ihr mit der eigentlichen rechtlichen Würdigung beginnt, ist ggf. auf vorprozessuale Fragen einzugehen:
- Entscheidung durch Einzelrichter, § 6 Abs. 1 VwGO
- Rubrumsberichtigung von Amts wegen
- Auslegung des Klageantrags
- Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO
- Entscheidung bei Ausbleiben von Beteiligten, § 102 Abs. 2 VwGO
- Klagerücknahme
- Erledigungserklärung
2. Rechtliche Würdigung
Die rechtliche Würdigung erfolgt – wie gewohnt – durch Darstellung der Zulässigkeit und Begründetheit im Urteilsstil
JurCase informiert:
Je nach Bundesland zählt auch das Steuerrecht zur Pflichtmaterie im Zweiten Examen. Einen Überblick hierüber findet ihr hier.
3. Nebenentscheidungen
a. Begründung der Kostenentscheidung
- Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 ff. VwGO
- Ist ein Beigeladener am Verfahren beteiligt und stellt einen eigenen Antrag, sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, wenn dies der Billigkeit entspricht; Der Kläger trägt dann die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, Gerichtskosten entstehen nämlich nur bei den Hauptbeteiligten
b. Vorläufige Vollstreckbarkeit
- Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. den Vorschriften der ZPO
4. Rechtsmittelbelehrung
Zulassung der Berufung, §§ 124,124a Abs. 4 VwGO
5. Unterschrift
Es unterschreiben ausschließlich die Berufsrichter