
#HierZucktDeinPrüfungsamt im Öffentlichen Recht in Kooperation mit RiVG Dr. David Stadermann
Moin zusammen,
heute empfehle ich euch einen interessanten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim vom 27.02.2025 (13 S 15/25). Dieser Beschluss behandelt die Antragsbefugnis bei Ermessensvorschriften im einstweiligen Rechtsschutz (und gibt darüber hinaus Gelegenheit, den Aufbau der einstweiligen Anordnung zu wiederholen).
JurCase informiert:
Den Beschluss des VGH Mannheim 27.02.2025 (13 S 15/25) gibt es kostenfrei hier auf der Seite Landesrecht BW | Baden-Württemberg.
Was ist passiert?
Der Antragssteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines gegebenenfalls noch anhängig zu machenden Hauptsachverfahrens den in ihrem Gemeindegebiet liegenden Fuß- und Radweg teilweise mit den Verkehrszeichen 239 (Gehweg) und 1022-10 StVO (Fahrräder frei) zu beschildern. Er beruft sich darauf, diesen Weg als Fußgänger nahezu täglich zu nutzen (und stört sich wohl an den Radfahrern, s. dazu Rn. 22 f. der Entscheidung).
Ohne Erfolg.
Warum sollte ich den Beschluss lesen?
Der Beschluss behandelt die Antragsbefugnis bei Ermessensvorschriften im einstweiligen Rechtsschutz (und gibt darüber hinaus Gelegenheit, den Aufbau der einstweiligen Anordnung zu wiederholen).
Im Einzelnen:
- Der Senat hält den Antrag bereits für unzulässig, da der Antragsteller nicht antragsbefugt ist.
- Im subjektivrechtlich ausgestalteten Rechtsschutzsystem der VwGO ist ein Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller antragsbefugt ist. Dies setzt entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass der Rechtsschutzsuchende die Verletzung eigener Rechte geltend macht. Damit muss auf Grundlage seines Vorbringens die Verletzung eines ihm zustehenden subjektiven Rechts möglich erscheinen. Diese Möglichkeit fehlt, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Rechtsschutzsuchenden verletzt sein können.
- Subjektive Rechte vermitteln nur solche Rechtsvorschriften, die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Rechte dienen. Drittschutz wird nur dann gewährt, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist.
- Dies ist bei § 45 Abs. 1 StVO nicht der Fall, da diese Vorschrift grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Belange Einzelner im Straßenverkehr gerichtet ist.
- Ein subjektives Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung kann nur in Ausnahmefällen bestehen, nämlich dann, wenn Betroffene vor Einwirkungen des Straßenverkehrs zu schützen sind, die nach allgemeiner Anschauung das zumutbare Maß übersteigen. Gesetzlich geregelt ist ein derartiger Fall etwa in § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO, zudem wurde ein derartiges Recht in der Rechtsprechung etwa wegen eines regelmäßig verbotswidrig beparkten Gehwegs für Anwohner in einem gewissen Umfang angenommen (BVerwG, Urt. v. 6.6.2024, 3 C 5.23, juris Rn. 42 f., 62). Macht der Antragsteller aber, wie hier, lediglich geltend, den Weg zu nutzen, reicht dies nicht aus.
- Merke: Ist das Ermessen nicht „auf Null“ reduziert, kommt – wenn die Vorschrift, wie dargestellt, drittschützend ist – nur ein Anspruch auf ermessensfehlerhafte Entscheidung in Betracht. Dieser ist aber erfüllt, wenn die Behörde bereits ermessensfehlerfrei entschieden hat.
- Warum begehrte der Antragsteller „lediglich“ eine vorläufige Regelung? Und warum spielt das „gegebenenfalls noch anhängig zu machende Hauptsacheverfahren“ eine Rolle?
- Und warum heißen die Oberverwaltungsgerichte in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen eigentlich „Verwaltungsgerichtshöfe?“*
*§ 184 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 1 BWAGVwGO, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayAGVwGO und § 1 Abs. 1 HessAGVwGO!