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Nur Bares ist Wahres? – Konsequenzen einer Schwarzgeldabrede beim Erwerb einer Eigentumswohnung (V ZR 115/22)

By 14. Oktober 2024No Comments
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#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer

Moin zusammen,
heute empfehle ich ein Urteil des V. Zivilsenats vom 15. März 2024, in dem es um die Frage geht, ob ein Grundstückskaufvertrag und in der Folge auch die Auflassung nichtig sind, weil die Parteien als sog. Schwarzgeldabrede nur einen geringeren Kaufpreis haben beurkunden lassen.

JurCase informiert:

Das Urteil des V. Zivilsenats vom 15.03.2024 – V ZR 115/22 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was ist passiert?

Die Klägerin kam mit dem Beklagten überein, dessen Eigentumswohnung zum Preis von 150.000,00 Euro zu erwerben. Sie zahlte vorab 30.000,00 Euro in bar. Sodann ließen die Parteien einen Kaufvertrag über 120.000,00 Euro beurkunden. Hierdurch sparte die Klägerin Grunderwerbsteuer iHv ca. 1.500,00 Euro. Nach Zahlung des restlichen Kaufpreises wurde die Klägerin im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.

Nachdem der Beklagte gegenüber dem Finanzamt eine Selbstanzeige im Hinblick auf seine Mitwirkung bei der Verkürzung der Grunderwerbsteuer erstattet und das Finanzamt die Grunderwerbsteuer für den gesamten Kaufpreis festgesetzt hatte, führten die Parteien Gespräche über die Wirksamkeit des Kaufvertrags und dessen Rückabwicklung. Im Zuge dessen beantragte und bewilligte die Klägerin auf Verlangen und zu Gunsten des Beklagten die Eintragung eines Widerspruchs gegen ihre Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch. Der Beklagte überwies daraufhin einen Betrag in Höhe von 120.000,00 Euro auf das Treuhandkonto eines Notars, welcher den Betrag an die Klägerin auszahlte, obwohl der Beklagte noch nicht wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden war.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs.

Worum geht es?

Zugunsten des Beklagten ist im Grundbuch ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen (§ 899 BGB), den die Klägerin beseitigen lassen möchte. Ihr Anspruch könnte sich aus der entsprechenden Anwendung von § 894 BGB ergeben. Hierzu muss der Widerspruch zu Unrecht eingetragen sein, weil die Klägerin tatsächlich Eigentümerin der Wohnung durch Einigung und Eintragung (§§ 873, 925 BGB) geworden ist.

Ausgangspunkt ist die Frage, ob die Schwarzgeldabrede der Parteien zur Nichtigkeit des Kaufvertrages und in der Folge auch des Eigentumserwerbs geführt hat.

  • Den beurkundeten Kaufvertrag haben die Parteien nur zum Schein geschlossen, sodass er nichtig ist (§ 117 Abs. 1 BGB). Der tatsächlich gewollte Vertrag über 150.000,00 Euro blieb unbeurkundet und wäre damit nichtig (§§ 117 Abs. 2, § 311b Abs. 1 S. 1, § 125 S. 1 BGB). Allerdings ist die Klägerin als Eigentümerin eingetragen worden. Damit wurde dieser Formmangel geheilt (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB).
  • Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Frage, ob der Kaufvertrag durch die Schwarzgeldabrede gegen ein gesetzliches Verbot verstößt oder sittenwidrig ist. Hier nimmt der BGH zunächst Bezug auf seine Rechtsprechung, wonach eine Schwarzgeldabrede grundsätzlich nur dann zur Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages führt, wenn sie den Hauptzweck des Vertrages bildet, Verkauf und Übereignung des Grundstücks also gar nicht ernstlich gewollt waren, was hier ersichtlich nicht der Fall ist. Dabei geht es auch darum, ob die Nichtigkeit der Schwarzgeldabrede selbst zu einer Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrages geführt hat, und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob die Klägerin auch für einen beurkundeten Kaufpreis von 150.000,00 Euro gekauft hätte.
  • Besonders ausführlich setzt sich der BGH mit der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats auseinander, nach der ein unter den Anwendungsbereich des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes fallender Vertrag ohne Weiteres in seiner Gesamtheit nichtig ist, wenn darin Regelungen enthalten sind, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich auf Grund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Muss diese Auffassung auf Grundstückskaufverträge mit Schwarzgeldabreden übertragen werden?

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

  • Der BGH lässt ausdrücklich offen, ob das Barzahlungsverbot des § 16a Abs. 1 S. 1 GwG zur Nichtigkeit des Kaufvertrags führen würde, da die Norm zeitlich noch nicht anwendbar war. Das solltest du im Blick behalten. Derzeit scheint man sich aber weitgehend einig zu sein, dass es sich bei dieser Regelung nicht um ein Schutzgesetz iSv § 134 BGB, sondern lediglich um eine spezielle Vorschrift zu §§ 362, 364 BGB handelt.
  • Du könntest die Entscheidungen des VII. Zivilsenats, zu der der VIII. Zivilsenat die vorliegende Konstellation ausführlich abgrenzt, ebenfalls gleich mal durcharbeiten, bspw. das grundlegende Urteil vom 1. August 2013 (VII ZR 6/13). (Zur Rückabwicklung nichtiger Dienst- und Werkverträge Peter, JA 2014, 248 ff., 333 ff.)
  • Du könntest wiederholen, wann die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts auf das Verfügungsgeschäft durchschlägt. Hierzu lesenswert: Lieder/Berneith, Echte und unechte Ausnahmen vom Abstraktionsprinzip, JuS 2016, 673.

Und sonst?

Die Klägerin hatte zunächst auch noch beantragt, festzustellen, dass sich der Beklagte mit der (erneuten) Annahme der zurückgezahlten 120.000,00 Euro in Verzug befindet. Nachdem der Beklagte erklärt hatte, dass der Notar ihm gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegenüber der Klägerin 120.000,00 Euro gezahlt habe, hat die Klägerin diesen Feststellungsantrag für erledigt erklärt.

Gute Gelegenheit, mal die Erledigung des Rechtsstreits zu wiederholen:

  • Hätte sich der Beklagte dieser Erledigungserklärung angeschlossen, wäre die Rechtshängigkeit des Feststellungsantrags entfallen (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO analog). Es wäre insoweit gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO nur noch über die Kostentragung zu entscheiden gewesen, allerdings nicht durch isolierten Beschluss, sondern im Rahmen einer einheitlichen Kostenmischentscheidung im Urteil. Hierfür wäre es darauf angekommen, ob die Feststellungsklage ohne die Auszahlung an den Beklagten Erfolg gehabt hätte.
  • Der Beklagte hat sich jedoch nicht angeschlossen. Bleibt die Erledigungserklärung des Klägers einseitig, findet § 91a ZPO keine Anwendung! Vielmehr kommt es zu einer nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässigen Änderung der ursprünglichen Klage in eine Klage auf Feststellung, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus dem schutzwürdigen Interesse, (insoweit) nicht die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen. Die Feststellungsklage hat Erfolg, wenn sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Das ist dann der Fall, wenn die Klage ursprünglich zulässig und begründet war, durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit aber unzulässig oder unbegründet geworden ist. Der Beklagte befand sich zunächst im Annahmeverzug, hat aber nach Zustellung der Klage das Geld doch noch angenommen. Damit hat sich die Feststellungsklage erledigt und der Beklagte muss (auch) insoweit die Kosten tragen – wiederum im Rahmen einer einheitlichen Kostenentscheidung.
  • Ist der Klagegrund bereits vor Rechtshängigkeit weggefallen, kommt keine Erledigung in Betracht, sondern nur die Klagerücknahme, wobei eine trotzdem abgegebene Erledigungserklärung entsprechend umgedeutet werden kann. Für die Kostentragung gelten § 269 Abs. 3 S. 2 und 3 ZPO: Ist der Klageanlass von Anhängigkeit weggefallen, trägt grundsätzlich der Kläger die Kosten, bei einem Wegfall zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit kommt es – wie bei § 91a ZPO – darauf an, wer andernfalls den Rechtsstreit gewonnen hätte.

Und nicht vergessen: Schreib regelmäßig Übungsklausuren!

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Beitragsautor:

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer ist Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Dozent und Autor. In seinem LinkedIn-Newsletter präsentiert er examensrelevante BGH-Entscheidungen im Zivilrecht und vieles mehr für Studium und Referendariat. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Büßer findest du auch bei JurCase!

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