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Fall des Monats JUNI 2020: Müllcontainer als Mangel der Kaufsache

By 24. Juni 2020Oktober 10th, 2023No Comments
Fall des Monats

Problem: Müllcontainer als Mangel der Kaufsache

Einordnung: Kaufrecht

OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2020
I-21 U 46/19

EINLEITUNG

Aufgrund des steten Zuzugs in die Ballungsräume versuchen die Kommunen den Bedarf an Wohnungen nicht nur mit der Verdichtung gewachsener Wohngebiete sowie durch Erhöhung von Gebäuden zu decken, sondern planen erneut Großsiedlungen wie zuletzt in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die hier vorliegende Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt, dass man für über eine halbe Million Euro Kaufpreis nicht immer eine Traumwohnung erhält.

LEITSÄTZE
1. Eine in der Nähe einer vom Bauträger erworbenen Eigentumswohnung auf Anweisung der Stadt errichtete Wertstoffsammelstelle begründet keinen Sachmangel der Kaufsache im Sinne von § 437 BGB, weil die damit einhergehende Beeinträchtigung als sozialadäquat hinzunehmen ist.
2. Der Bauträger ist nicht verpflichtet, den Erwerber der Eigentumswohnung vor Vertragsschluss über die geplante Aufstellung der Wertstoffsammelstelle aufzuklären, wenn es sich um eine für jedermann öffentlich zugängliche Information handelt, die jederzeit bei der Stadt abrufbar war.

SACHVERHALT

Die K erwarben eine Eigentumswohnung im Objekt H13 in D zu einem Kaufpreis von 541.704,49 € von der Bauträgerin (B). Der Kaufvertrag wurde im Februar 2015 geschlossen. Das Objekt befindet sich im Neubaugebiet G, in dem insgesamt ca. 1.800 Wohnungen errichtet werden sollen. Die von den K selbst genutzte, 136,55 m² große Wohnung befindet sich im 2. Obergeschoss und besteht aus vier Zimmern. Etwa 84 m² der Wohnung nebst Balkon sind zur H-Straße gelegen. Auf der dem Haus gegenüberliegenden Seite der H-Straße befindet sich ein Platz, der von B in den Verkaufsprospekten und -verhandlungen als sog. „Piazza“ bezeichnet wurde. Auf diesem Platz wurde auf Anweisung der Stadt eine Altglas- und Altpapier-Entsorgungsanlage bestehend aus vier großen Niederflurcontainern errichtet (im Folgenden „Containeranlage“). Drei der Container sind für Altglas, einer für Altpapier vorgesehen.

Der Abstand der Container zum Objekt H13 beträgt 21,5 Meter. Kurz vor Übergabe der Wohnung fand eine Begehung des Gemeinschaftseigentums zum Zwecke der Abnahme statt, an der die Eigentümer teilnehmen konnten. Zu diesem Zeitpunkt war die Containeranlage bereits fertig gestellt. Über die Containeranlage wurde von Seiten der B mit den Eigentümern nicht gesprochen. Weder aus den Verkaufsprospekten noch aus einem auf der Internet-Homepage der B befindlichen Werbevideo war eine solche Anlage ersichtlich. Die Übergabe der Wohnung an die Kläger erfolgte kurz darauf Ende 2015. Im Rahmen der ersten Eigentümerversammlung Anfang 2016 bemängelten die Eigentümer die Entsorgungsanlage gegenüber B. Schriftlich teilten sie mit, dass ein Einverständnis mit der ohne ihre Kenntnis errichteten Containeranlage nicht bestehe, sie sich über einen durch diese bedingten Mangel mangels hinreichender Information arglistig getäuscht fühlten. B erläuterte kurz darauf schriftlich, wie es zu der Errichtung der Containeranlage gekommen war, und wies eine Aufklärungspflichtverletzung zurück.

Die Eigentümer beantragten im September 2016 bei der Stadt D schriftlich aber erfolglos die Verlegung der Containeranlage und setzten zeitgleich der B erfolglos eine Frist zur Beseitigung der Containeranlage. In der Folgezeit stellte ein Sachverständiger für Immobilienbewertung gutachterlich die Wertminderung der Wohnungen infolge der Entsorgungsanlage fest. An B gerichtete Aufforderungen zur Beseitigung der Containeranlage unter Vorlage des Gutachtens blieben erfolglos.

Die K sind der Meinung, durch die Containeranlage sei die von ihnen erworbene Wohnung mit einem Mangel im Sinne der §§ 434 ff. BGB behaftet, weil die Brauchbarkeit der Wohnung aufgrund des von der Containeranlage ausgehenden Lärms erheblich beeinträchtigt sei, in der 1800 Wohnungen ihr Altglas entsorgen. Zum einen rufe das Herabfallen der Flaschen nach dem Einwurf sowie das Betätigen der Metallklappen laute Geräusche her, zum anderen entstehe erheblicher Lärm auch beim Entleeren der Container, was regelmäßig vor 7.00 h morgens erfolge. Die vorgegebenen Nutzungszeiten würden nicht eingehalten; es käme zu heftigen Lärmbelästigungen bereits vor 7.00 h, in den Abendstunden und auch am Wochenende. Zu den akustischen Beeinträchtigungen kämen optische hinzu, da der Bereich vermüllt und die Container überfüllt seien. Es gäbe zahlreiche Alternativstandorte, da das Wohngebiet von Gewerbe- und Verkehrsflächen umgeben sei, die als Standort hätten gewählt werden können.

Auf eine Antwort auf die überholte Frage, wann bei der Rechtslage vor dem 01.01.2018 im Falle eines Bauträgervertrages das Kaufrecht zur Anwendung kam, verzichten wir. Heute gibt § 650u I BGB klar Auskunft. Das Gericht konzentrierte sich auf das Vorhandensein eines Mangels. Dem folgen wir hier.

Die K sind der Ansicht, B hätte ihnen den Mangel arglistig verschwiegen und verlangen die Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Wertdifferenz, die das Kaufobjekt durch den Mangel erfahren habe.

B hingegen meint, die mit dieser modernen Niederfluranlage einhergehenden Beeinträchtigungen seien Teil des urbanen Lebens und als sozialadäquate Störungen hinzunehmen und bestreitet das Vorliegen solcher Informationspflichten.

Die von der Piazza ausgehenden Lärmbelästigungen seien bereits kaufpreismindernd berücksichtigt worden. Zu Recht?

Die Kläger wollen das Objekt behalten, allerdings einen Teil des sehr hohen Kaufpreises erstattet bekommen. Sie hätten auch die Minderung erklären können, haben sich aber für das Geltendmachen von Schadensersatz entschieden. Dies dürfte damit zusammenhängen, weil sie sich im Hilfsvorbringen auf die angebliche arglistige Täuschung stützen.

LÖSUNG

A. Anspruch der K gegen B auf Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III 281 I 1 BGB

K könnte einen Anspruch gegen B auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Wertminderung aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III 281 I 1 BGB haben.

I. Kaufvertrag

Den hierzu erforderlichen Kaufvertrag schlossen die Parteien im Februar 2015. Eine Anfechtung des Vertrages haben sie nicht erklärt.

ZWEI WICHTIGE HINWEISE:
1. Wäre der Vertrag nach dem 01.01.2018 geschlossen worden, wäre gem. Art. 229, § 39 EGBGB die richtige Anspruchsgrundlage in §§ 650u I 3, 280 I, III, 281 BGB zu suchen.
2. Das OLG prüft als actio §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB, was nicht richtig ist, wenn der Schaden in einem behebbaren Mangel der Sache selbst und nicht neben der Leistung liegt.

II. Mangel zur Zeit des Gefahrübergangs

Die K berufen sich auf einen Sachmangel. Ein solcher muss zur Zeit des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Mangels anderer Angaben ist davon auszugehen, dass die Gefahr gem. § 446 S. 1 BGB mit der Übergabe im Dezember 2015 auf die K übergegangen ist.

1. Vorhandensein eines Sachmangels gem. § 434 I 1 BGB

Es könnte ein Sachmangel gem. § 434 BGB vorliegen. In Betracht kommt das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit gem. § 434 I 1 BGB. Unter Beschaffenheit einer Sache im Sinne von § 434 I 1 BGB sind sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben.

BGH, Urteil vom 15.06.2016, VIII ZR 134/15

[35] Eine negative Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien bezüglich der streitgegenständlichen Wertstoffsammelanlage liegt nicht vor, eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus dem Werbevideo der Beklagten. Dem Werbevideo kommt keine Bedeutung für eine verbindliche Aussage über die Gestaltung der Außenanlagen zu. Handelt es sich bei den bildlichen Darstellungen des Bauvorhabens in einem Exposé – wie hier – vornehmlich um Computergrafiken, kann der Erwerber nicht darauf vertrauen, dass das Objekt in der Realität exakt so ausgeführt wird, wie in den Computergrafiken visualisiert; eine Beschreibung von Eigenschaften des Grundstücks oder Gebäudes vor Vertragsschluss durch den Verkäufer, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, führt in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Absatz 1 Satz 1 BGB. Maßgeblich ist auch insoweit, was in der notariellen Urkunde vereinbart wird; erst sie ergibt, wofür der Verkäufer letztlich einstehen will. Eingang in die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien hat der Inhalt des Werbevideos jedoch nicht gefunden.

OLG Köln, Urteil vom 23.12.2016, 11 U 173/15
Was in der notariellen Urkunde steht, ist entscheidend: BGH, Urteil vom 22.04.2016, V ZR 23/15.

BGH, Urteil vom 15.06.2016, VIII ZR 134/15

Damit liegt keine Beschaffenheitsvereinbarung, auch keine negative, vor.

2. Sachmangel gem. § 434 I 2 Nr. 1 BGB

Ein Sachmangel liegt gem. § 434 I 2 Nr. 1 BGB ferner vor, wenn die Parteien beim Vertragsschluss eine besondere Verwendungseignung zwar nicht vereinbart, jedoch vorausgesetzt haben und diese fehlt. Dies ist hier aber nicht der Fall.

3. Sachmangel gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB

Ein Sachmangel liegt gem. § 434 I 2 Nr. 2 BGB vor, wenn die Sache sich entweder nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder von der gewöhnlichen Beschaffenheit, die ein Käufer erwarten kann, für den Käufer negativ abweicht.

[37] Auch eine Mangelhaftigkeit i.S.v. § 434 Absatz 1 Nummer 2 BGB ist nicht gegeben. [38] Eine Eignung der Eigentumswohnung für die gewöhnliche Verwendung, dem Bewohnen, liegt vor. Eine Eigentumswohnung, hinsichtlich derer sich weder aus dem Kaufvertrag noch aus seinen Begleitumständen Hinweise auf eine davon abweichende Zweckbestimmung ergeben, muss sich in erster Linie für Wohnzwecke von Menschen eignen; dies beinhaltet, dass sie eine Beschaffenheit aufweist, die bei Eigentumswohnungen üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Dies ist hier mit Blick auf die Bewohnbarkeit grundsätzlich der Fall. (…)

Wohnung eignete sich zu Wohnzwecken

[41] Vorliegend wenden sich die Kläger gegen das Vorhandensein der Containeranlage im Abstand von 21,5 m zu ihrer Eigentumswohnung und den sich diesbezüglich ergebenden Emissionen. Zutreffend führt das Landgericht hierzu zunächst aus, dass nach der berechtigten Käufererwartung nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Objekt grundsätzlich frei von jeglichen Umwelteinflüssen wie Geräuschemissionen und optischen Beeinträchtigungen ist. Derartige Beeinträchtigungen können vielmehr nur dann zu einer Abweichung von der Normalbeschaffenheit führen, wenn diese die Nutzung mehr als nur unwesentlich beeinträchtigen. Für die Unwesentlichkeit von Beeinträchtigungen spricht, wenn diese als sozialadäquat angesehen werden.

Wer wenig Immissionen wünscht, muss in den Wald ziehen.

Entscheidend ist, ob die Immissionen noch sozialadäquat sind.

[45] Zutreffend hat das Landgericht hierbei den Rechtsgedanken des § 906 BGB zu der Bestimmung dessen, was hinnehmbar ist, herangezogen. Gemäß § 906 Absatz 1 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Beachtung der Grundsätze des § 906 BGB im Rahmen eines Mietverhältnisses nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese Vorschrift im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet. (…) Diese Ausstrahlungwirkung findet nach der Auffassung des Senats damit erst Recht auch im Verhältnis von Kaufvertragsparteien zueinander Berücksichtigung, zumal im Rahmen der Schuldrechtsreform der Mangelbegriff des Mietrechts dem des Kaufrechts angepasst worden ist.

Anwendung des Rechtsgedankens des § 906 BGB auf das Verhältnis Mieter/Vermieter: BGH, Urteil vom 29.04.2015, VIII ZR 197/14 (…)

Das OLG Düsseldorf wendet den Rechtsgedanken des § 906 BGB nun auf das Verhältnis Käufer/Verkäufer an.

[46] Maßstab bei der Beurteilung ist vor diesem Hintergrund das Empfinden eines verständigen und daher auch andere öffentliche und private Belange berücksichtigenden Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit und nicht das subjektive Empfinden des Gestörten (…)

Es kommt nicht auf das subjektive Empfinden desjenigen an, der sich gestört fühlt.

[48] Ökologisch sinnvolle Abfallentsorgung gehört zum urbanen Leben, für das die Kläger sich mit der Standortwahl ihrer Eigentumswohnung entschieden haben. Zurecht weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die besonderen Anforderungen an das städtische Leben und die dortige hohe Verdichtung der Bevölkerung eben nicht nur zu den bekannten Annehmlichkeiten wie eine Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten und kulturellen Angeboten, zum Arbeitsplatz sowie zu strukturellen Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen führt, sondern auch zu gewissen Beeinträchtigungen, die das Leben von vielen Menschen auf vergleichsweise eng besiedeltem Raum mit sich bringt, die in ländlichen Bereichen möglicher Weise so nicht vorliegen. (…) Dass an einer Piazza die Geräuschbelastung grundsätzlich höher ist als in einem rückwärtigen Teil des Wohngebiets, liegt auf der Hand.

Keine Rose ohne Dornen! Wer die Vorteile des Lebens in einer Großstadt genießen will, muss mit den Nachteilen der dichten Besiedelung, den vielen Menschen mit ihren Eigenheiten und Bedürfnissen klarkommen. Wer sich für eine Wohnung an der „Piazza“ entschieden hat, muss mit dem Lärm leben, der dort üblich ist.

Damit liegt kein Sachmangel vor und besteht mithin kein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 BGB.

B. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB

I. Anwendbarkeit neben den §§ 434 ff. BGB

Ein Anspruch aus §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB wird von den kaufrechtlichen Sachmängelansprüchen nicht verdrängt, wenn, wie hier behauptet wird, eine Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt wurde.

BGH, Urteil vom 27.03.2009, V ZR 30/08

II. Schuldverhältnis gem. § 311 II Nr. 1

Nach § 311 II Nr. 1 BGB entsteht ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Dies ist hier der Fall.

III. Pflichtverletzung im Sinne des § 241 II BGB

B muss eine Pflicht gem. § 241 II BGB verletzt haben. In Betracht kommt allein die Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht.

[59] Die Aufklärungspflicht betrifft grundsätzlich die Aufklärung über erhebliche Umstände, so dass es in der Regel darum geht, dass der Schädiger dem Geschädigten in Verletzung seiner Aufklärungspflicht unrichtige oder unvollständige Informationen gegeben hat. Vor diesem Hintergrund besteht eine Aufklärungspflicht auch in Bezug auf Umstände, welche im Ergebnis nicht als Sachmangel i.S.v. § 434 BGB zu qualifizieren sind. Die aufklärungswürdigen und -bedürftigen Umstände sind weiter zu fassen als der Begriff des Sachmangels i.S.v. § 434 BGB.

Aufklärungspflicht kann Umstände betreffen, welche keine Sachmängel sind.

Jedoch sind Informationsdefizite Teil des Lebensrisikos. Zur Aufklärung ist man nur verpflichtet, wenn ein berechtigtes Interesse des anderen Teils ersichtlich ist und die Preisgabe der Information zumutbar ist.

Siehe auch LG Wuppertal, RA 2020, 57 ff.

[62] Gegen ein solches Informationsgespräch spricht, dass es sich bei dem geplanten Standort für die Containeranlage um eine für jedermann öffentlich zugängliche Information handelte, die jederzeit bei der Stadt D. abfragbar war. Eine Pflicht der Beklagten zur ungefragten Offenlegung des geplanten Containerstandorts war dann bereits nicht gegeben.

Jeder muss sich um frei verfügbare Informationen selbst bemühen.

Damit fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung im Sinne des § 241 II BGB.

IV. Vertretenmüssen durch arglistiges Verschweigen

[64] Zudem liegen die Voraussetzungen der Arglist nicht vor. [65] Arglist setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest Eventualvorsatz voraus; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen nicht. Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (…).

Arglist: BGH, Urteil vom 22.04.2016, V ZR 23/15

[67] Hiergegen spricht zunächst einmal, dass die Information über den geplanten Standort der Containeranlage bei der Stadt D… frei verfügbar war; es handelte sich mithin nicht um ein „Geheimwissen“ der Beklagten. [68] Schließlich ergeben sich Anhaltspunkte für ein arglistiges Verhalten auch nicht aus dem Umstand, dass die Containeranlage im Werbevideo der Beklagten nicht zu sehen war. Derartigen Animationen ist immanent, dass diese die Umgebung nicht bis ins Detail naturgetreu abbilden.

K hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 280 I, 311 II Nr. 1, 241 II BGB.

C. Ergebnis

K hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz.

FAZIT

Rügt der Käufer einen Mangel der Kaufsache wegen lästiger Immissionen, ist nicht das subjektive Empfinden maßgeblich, sondern die Sozialadäquanz der Immissionen. Hierbei darf das Gericht auf den Rechtsgedanken des § 906 BGB abstellen. Eine Aufklärungspflichtverletzung liegt nicht vor, wenn sich der Käufer die Information aus frei zugänglichen Quellen beschaffen kann und ihm dies auch zuzumuten ist.

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