#HierZucktDeinPrüfungsamt im Öffentlichen Recht in Kooperation mit RiVG Dr. David Stadermann
Moin zusammen,
heute empfehle ich euch einen interessanten Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt in Magdeburg vom 30.05.2024 (3 M 96/24). Danach reicht für die Erhebung eines Widerspruchs zur Niederschrift bei der Behörde gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ein Aktenvermerk über einen telefonisch vorgetragenen Widerspruch grundsätzlich nicht aus.
JurCase informiert:
Der Beschluss des OVG Magdeburg vom 30.05.2024 (3 M 96/24) findest du kostenfrei hier auf der Seite des Landesrechts Sachsen-Anhalt.
Was ist passiert?
Im Streit stand die Frage, ob die Antragstellerin fristgerecht Widerspruch gegen einen (nicht näher bezeichneten) Verwaltungsakt erhoben hat. Nach der Rechtsbehelfsbelehrung konnte der Widerspruch u.a. auch zur Niederschrift erklärt werden. Gegenüber einem Behördenmitarbeiter äußerte sie am Telefon, mit dem Verwaltungsakt nicht einverstanden zu sein. Daraufhin sei ihr mitgeteilt worden, sie könne Widerspruch erheben. Über das Gespräch hat die Behörde einen Vermerk angefertigt. Die Antragstellerin meint, sie habe wirksam Widerspruch erhoben; außerdem wolle sie die Hinzuziehung ihres Rechtsanwalts für erforderlich erklärt haben.
Weder das Verwaltungsgericht noch das Oberverwaltungsgericht sind dieser Argumentation gefolgt.
Warum solltest du diese Entscheidung lesen?
Weil sie kurz ist. Und weil sie, wie viele andere Entscheidungen auch, in der NVwZ-RR veröffentlicht ist. Hier meine fünf „learning nuggets“:
- Ein Widerspruch zur Niederschrift kann nicht am Telefon erhoben werden, selbst dann nicht, wenn die Behörde hierüber einen Vermerk anfertigt. Ein nur mündlich geäußerter Protest erfüllt nach der Regelung des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht die Formerfordernisse eines Widerspruchs. Der Aktenvermerk stelle keine „Niederschrift“ dar, weil damit die Zwecke des Formerfordernisses nicht erfüllt werden. Die Förmlichkeiten der Niederschrift dienten, so der Senat, nicht nur Beweiszwecken, sondern auch dem Schutz vor Missverständnissen bei übereilten Äußerungen. Auch müsse für die Behörde klar sein, ob ein gewollter Rechtsbehelf vorliegt, der sie zur Überprüfung des erlassenen Verwaltungsakts zwinge.
- Die Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides beanstandete der Senat – erwartungsgemäß – nicht. Insbesondere sei eine nähere Erläuterung des gesetzlich in § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO verwendeten Begriffs der „Niederschrift“, auf den die Belehrung hinwies, nicht erforderlich.
Beachte: Je enger sich die Rechtsbehelfsbelehrung am Gesetz orientiert, umso geringer ist ihre Fehleranfälligkeit. Hilft das aber dem rechtsschutzsuchenden Bürger? Ist davon auszugehen, dass er diese Belehrung überhaupt liest? - Der Antrag, die Zuziehung (nicht: Hinzuziehung, lies § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO) eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Eilverfahren unstatthaft: Das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO ist ein Vorverfahren zum Klageverfahren und kein Vorverfahren zu dem Verfahren nach § 80 oder § 123 VwGO.
- Wo kann das Problem in der Klausur auftauchen? Am ehesten i.R.d. Zulässigkeit der Klage, denkbar wäre aber auch eine Einkleidung in eine Drittschutzkonstellation.
- Kann das Problem auch bei der Klageerhebung auftauchen? Sicherlich – gerade während der Corona-Pandemie wurde erörtert, wie der Zugang zum Recht auch ohne physische Präsenz beim Rechtsantragsdienst gewährt werden kann. Seit einigen Wochen regelt § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO zudem, dass Klagen auch „per Bild- und Tonübertragung“ erhoben werden können. Bitte lesen!