Die Verwaltungsstation beim Rechtsausschuss
Gar nicht mal so unspannend!
Die Verwaltungsstation ist unter Referendaren häufig eher unbeliebt. Das mag zum einen an den Erinnerungen an die Verwaltungsrechtsvorlesungen aus dem Studium liegen, die oft alles andere als spannend waren, aber zum anderen auch daran, dass Behördenarbeit landläufig als nicht sehr abwechslungsreich empfunden wird. Das Widerspruchsverfahren, das als gerichtsähnliches Verfahren vor einem weisungsunabhängigen Ausschuss durchgeführt wird, kann jedoch durchaus sehr abwechslungsreich sein.
Dass Verwaltungsrecht also nicht langweilig sein muss und die Verwaltungsstation Spaß machen kann, möchte ich euch in folgendem Beitrag zeigen.
Die Wahl der Station
Vor der Station war ich nicht ganz sicher, wo genau ich diese am liebsten verbringen würde. Da sie nur 3 Monate dauert, gehen einige mit der Einstellung „Hauptsache irgendwie die Zeit rumkriegen“ an die Stationswahl heran. Wenn man sich aber ein bisschen informiert, fällt einem auf, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt. Ganz klassisch kann man natürlich zum Verwaltungsgericht gehen. Bei uns gab es außerdem die Möglichkeit die Verwaltungsstation an der deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer zu absolvieren. Ich schwankte zunächst zwischen einer Station bei einem Ministerium und dem Rechtsausschuss. Letztlich entschied ich mich aufgrund der höheren Examensrelevanz für den Rechtsausschuss.
Die Arbeitsweise des Rechtsausschusses
Grundsätzlich kann man sagen, dass die Hauptaufgabe des Referendars beim Rechtsausschuss darin besteht, Widerspruchsbescheide zu schreiben. Das heißt, dass Behörden, welche nach Bescheiderlass und Widerspruch des Bürgers dem Widerspruch nicht abhelfen wollen, die Akte mit der Bitte um Entscheidung zum Rechtsausschuss weiterleiten. In vielen Bundesländern ist das Widerspruchsverfahren zwar weitestgehend abgeschafft, jedoch ist es in den Ländern, die ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO durchführen, immer wieder ein gern geprüfter Themenkomplex im Staatsexamen.
Im Jahr werden bei dem Rechtsausschuss, bei dem ich meine Station absolviere, etwa 450 Widersprüche anhängig gemacht. Verhandelt werden jährlich um die 280 Widersprüche; bearbeitet und erledigt fast 400. In den Fällen, in denen sich der Widerspruch nicht anderweitig erledigt hat, sondern eine Entscheidung erfolgte, wurde in 90% der Fälle der Widerspruch zurückgewiesen. Dies zeugt jedenfalls von einer gründlichen Behördenarbeit, denn im Umkehrschluss heißt das, dass die behördliche Entscheidung rechtmäßig erfolgte und deshalb gerade nicht aufzuheben war. Die Rechtsausschüsse haben demnach nachweisbar eine große Filterwirkung, die zu einer Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit führt. Die Verwaltungsgerichte setzen sich daher auch immer wieder dafür ein, das – in Deutschland zum Großteil abgeschaffte – Widerspruchsverfahren dort, wo es noch möglich ist, zu erhalten.
Der Sitzungstag
Nachdem die Akte beim Rechtsausschuss eingeht, wird dort eine eigene Akte angelegt, in die die Behördenakte eingelegt wird. Der Rechtsausschuss ist besetzt mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Die Beisitzer sind Laien, der Vorsitzende ist Jurist. Bei meiner Ausbildungsstelle findet etwa einmal im Monat ein Sitzungstag statt, an welchem die Widerspruchsführer gehört werden. Bevor terminiert wird, muss geprüft werden ob die Sache entscheidungsreif ist. Ist sie es, wird die Sitzung von dem Vorsitzenden vorbereitet. Eine Ladungsfrist ist nicht vorgeschrieben, aber zwischen Ladung und Termin liegt in der Regel ein Zeitraum von mindestens 2 Wochen. Hier sind dann der Widerspruchsführer selbst, gegebenenfalls mit rechtlichem Beistand, sowie ein Vertreter des Widerspruchsgegners, also ein Behördenmitarbeiter, anwesend. Ist einer der Beteiligten jedoch nicht anwesend, kann auch ohne ihn nach dem ermittelten Sach- und Streitstand entschieden werden. Hierauf wird in der Ladung hingewiesen.
Die Sitzung beginnt mit der Verlesung des Sachverhalts durch den Vorsitzenden. Im Anschluss wird dann im Gespräch mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Den Beteiligten wird hier auch die Gelegenheit zur Äußerung gegeben, von der rege Gebrauch gemacht wird. Oft lassen sich in diesem Rahmen bereits einige streitige Punkte klären, sodass die Widerspruchsführer ihren Widerspruch sogar wieder zurücknehmen. Manchmal steht jedoch auch der Wunsch im Vordergrund, nochmals eine schriftliche Erläuterung der getroffenen Entscheidung zu erhalten. Nachdem dann beide Seiten angehört wurden, berät der Rechtsausschuss geheim. Hierbei durfte ich als Referendarin anwesend sein.
Sodann gibt es verschiedene Möglichkeiten des Verfahrensabschlusses: ergibt die Verhandlung, dass noch Punkte geklärt werden müssen, wird das Verfahren ausgesetzt. Ebenso kann der Widersprechende seinen Widerspruch zurücknehmen oder der Behördenvertreter nimmt den Verwaltungsakt zurück. Ansonsten bleibt natürlich auch die Möglichkeit, dass der Widerspruch als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird oder ihm stattgegeben wird.
Die eigenständige Aktenarbeit
Als Referendar ist man vor allem mit der Erstellung von Widerspruchsbescheiden befasst. Die Themengebiete sind hier bunt durchmischt: Widersprüche gegen Beseitigungsanordnungen von Grabsteinen, Gewerbeuntersagungen, Unterhaltsvorschuss, Themen aus dem Waffenrecht – um nur eine Auswahl zu nennen. Die Akten sind meist nicht sehr umfangreich, sodass man sich trotz der oft etwas fremden Themengebiete schnell einarbeiten kann. Die Widerspruchsführer verfassen ihre Schreiben oft selbst, was eine ganz andere Betrachtungsweise ermöglicht als das Lesen vielseitiger Anwaltsschriftsätze. Auch beim Abfassen des Widerspruchsbescheides muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass der Bürger am Ende verstanden haben soll, wieso genau diese Entscheidung getroffen wurde. Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und eine Wortwahl mit der auch Nichtjuristen etwas anfangen können, ist hier besonders wichtig. Dabei darf natürlich die inhaltliche Seite nicht darunter leiden, denn eine ordentliche Subsumtion ist hier genauso wichtig.
Ist der Bürger nach Erhalt des Widerspruchsbescheides noch nicht zufrieden, bleibt ihm auch die Möglichkeit Klage zum Verwaltungsgericht zu erheben.
Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in die Tätigkeiten des Rechtsausschusses geben und hoffe, ihr findet ebenfalls eine Möglichkeit, eure Verwaltungsstation abwechslungsreich und interessant zu gestalten.
Jennifer
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