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Referendariat

Einführungslehrgang Zivilrecht – Teil I

By 7. März 2019November 7th, 2022No Comments
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Einführungslehrgang Zivilrecht – Teil I

Der erste Tag als Rechtsreferendarin ist bereits vorüber und schon am nächsten Tag startete der Einführungslehrgang Zivilrecht. Unseren Plan dafür haben wir bereits am Tag zuvor erhalten. Ab sofort stand also zwei Wochen lang jeden Tag die Arbeitsgemeinschaft auf dem Plan – von 8:30 bis 13:00 Uhr. Im ersten Moment dachte ich: „Fast wie in der Schule?!“ Aber schnell wurde ich eines Besseren belehrt. Gerne möchte ich mit euch teilen, was während des Einführungslehrgangs auf mich zukam:

Tag 1:

Der erste Tag des Einführungslehrgangs startete mit einer Art Wiederholungseinheit. Wir beschäftigten uns mit der Zulässigkeit der Klage. Wir wiederholten die Themenkomplexe Ordnungsgemäße Klageerhebung, Zuständigkeit des Gerichts, Partei- und Prozessfähigkeit und insbesondere mit der Prozessführungsbefugnis. Somit war der erste Tag perfekt, um wieder in die Materie der ZPO einzusteigen.

Tag 2:

Tag 2 war geprägt durch einen Einblick in die Tätigkeit des Zivilrichters sowie der Geschäftsstelle in Zivilsachen und dem Verfahren vor einem Haupttermin. In diesem Rahmen lernten wir, wie eine Gerichtsakte aussieht. Das Aktenzeichen verrät dabei schon einiges und wenn man weiß für was die einzelnen Zeichen stehen, kann man schon dem Aktenzeichen einige Informationen entnehmen.

z.B. 2 O 101/19

  • 2 = Ordnungsziffer für die Kammer, Abteilung oder des Senats
  • O = Registerzeichen, in diesem Fall „Allgemeines Zivilverfahren vor dem Landgericht“
  • 101 = laufende Nummer im Jahr
  • 19 = Jahr

Die Registerzeichen findet man im Anhang des Habersacks (vormals Schönfelder) alphabetisch sortiert.

Nach Eingang der Klage bei Gericht, erteilt also die Geschäftsstelle zunächst ein Aktenzeichen und prüft, ob ein Gerichtskostenvorschuss nach § 12 GKG eingezahlt wurde. Denn erst dann wird die Akte an den zuständigen Einzelrichter oder die zuständige Kammer je nach Geschäftsverteilungsplan weitergeleitet. Der Richter prüft dann, ob er überhaupt zuständig ist und ob die Klage ordnungsgemäß erhoben wurde nach § 253 Abs. 2 ZPO.

Die Vorbereitung des Haupttermins richtet sich nach § 272 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Danach muss der zuständige Richter entscheiden, ob er ein schriftliches Vorverfahren nach § 276 ZPO anordnet oder einen frühen ersten Termin nach § 275 ZPO bestimmt.

Der frühe erste Termin bietet sich bei unkomplizierten Sachverhalten an. Zudem muss die Klageschrift schlüssig sein. Die Klage ist schlüssig, wenn der geltend gemachte Anspruch besteht, wenn der Sachverhalt sich also so zugetragen hat, wie es der Kläger in der Klageschrift vorträgt. Entscheidet sich der Richter für einen frühen ersten Termin, wird die Klageschrift an die Beklagtenpartei zugestellt und ein Termin zur frühen ersten Verhandlung bestimmt. Die Parteien werden dazu geladen und die Beklagtenpartei wird dazu aufgefordert unter Fristsetzung eine Klageerwiderung einzureichen.

Das schriftliche Vorverfahren ist in der Praxis jedoch der Regelfall. Die Klage wird der Beklagtenpartei ohne Terminbestimmung zugestellt. Er wird aufgefordert seine Verteidigungsbereitschaft binnen zwei Wochen anzuzeigen und eine Klageerwiderung binnen weiterer zwei Wochen einzureichen.

Tag 3:

Der nächste Tag startete zunächst mit einem kleinen Wiederholungsteil, in dem wir die Verfahrensgrundsätze der ZPO besprochen haben.

Anschließend befassten wir uns mit etwas völlig Neuem für uns. Es ging um die Methodik der Rechtsfindung – die sog. Relationstechnik. Mit der Relationstechnik kann entschieden werden, ob der Klage stattzugeben ist oder ob die Klage abzuweisen ist. Sie umfasst insgesamt vier Stationen.

  1. Prozessstation:

Hier wird geprüft, ob die Klage zulässig ist. Wenn sie bereits unzulässig ist, ist die Klage abzuweisen.

  1. Klägerstation:

Ist die Klage zulässig, wird im Rahmen der Klägerstation geprüft, ob die Klage schlüssig ist. Dabei fragt man sich, ob das gesamte Vorbringen des Klägers den geltend gemachten Anspruch rechtfertigt. Zum gesamten Vorbringen des Klägers zählt die Klageschrift, eine etwaige Replik und der Vortrag in der mündlichen Verhandlung. Die Klage ist abzuweisen, wenn die Klage unschlüssig ist.

  1. Beklagtenstation:

In der Beklagtenstation spielt die Erheblichkeit des Beklagtenvortrags eine Rolle. Die Frage ist, ob der geltend gemachte Anspruch nach dem Vorbringen des Beklagten ungerechtfertigt ist. Führt das Beklagtenvorbringen auch zur Rechtfertigung des Anspruchs, ist der Klage stattzugeben, da dem klägerischen Anspruch nichts entgegengesetzt werden kann.

  1. Beweisstation:

Führt der Beklagtenvortrag dazu, dass der Anspruch ungerechtfertigt sei, geht es mit der Beweisstation weiter. Hier ist zunächst zu fragen, ob die relevanten Tatsachen beweisbedürftig sind. Bei der Beweisbedürftigkeit muss die beweispflichtige Partei den Beweis auch antreten durch ein geeignetes Beweisangebot. Wird der Beweis nicht angetreten, ist der Klage je nach Beweislast stattzugeben oder sie ist abzuweisen. Bei Beweisantritt ist eine Beweisaufnahme durchzuführen und anhand des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu entscheiden, ob der Klage stattgegeben wird oder ob die Klage abgewiesen wird.

Tage 4 und 5:

Tag 4 und Tag 5 erhielten wir Besuch einer Rechtsanwältin. Mit ihr haben wir uns mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin beschäftigt. Insbesondere ging es um Form und Inhalt einer Klageschrift und einer Klageerwiderung.

Zunächst hat sie uns aus der Praxis erzählt, wie man an ein Mandat herangeht und was man bei einer Mandantenbesprechung alles beachten sollte. Mit dem Mandanten muss zwingend das Prozessrisiko besprochen werden, das heißt es muss geprüft werden, ob die Klage Aussicht auf Erfolg hat – bis dahin noch gewohnte Dinge. Danach muss geprüft werden, für welche Tatsachen der Mandant beweispflichtig ist und anhand dessen müssen Beweise zusammengetragen werden. Auf das Kostenrisiko muss ebenfalls eingegangen werden. Dem Mandanten muss klar gemacht werden, dass er unter Umständen – im Falle des Unterliegens – nicht nur die Gerichtskosten und die eigenen Rechtsanwaltskosten, sondern auch die Rechtsanwaltskosten des Gegners tragen muss. Im Rahmen dessen kann eine mögliche Prozesskostenhilfe geprüft werden.

Den Aufbau einer Klageschrift erarbeiteten wir anhand des Beispiels aus der Formularsammlung, die in Bayern im Zweiten Staatsexamen zugelassen ist (Kroiß/Neurauter, Formularsammlung für Rechtspflege und Verwaltung – K/N). Im K/N finden wir unter der Nr. 7 eine Klageschrift und unter Nr. 8 die Klageerwiderung.

Klageschrift:

Nach dem Gesetz besteht eine Klageschrift aus folgenden Teilen (§ 253, Abs. 2-4 ZPO):

  • Rubrum
  • Anträge
  • Klagegrund (=Lebenssachverhalt)
  • Beweismittelangabe
  • Unterschrift

Eine rechtliche Darstellung ist nicht vorgeschrieben, in der Praxis aber üblich. Wichtig ist, den Tatsachenvortrag und die rechtliche Würdigung strikt zu trennen. Im Rahmen des Tatsachenvortrags muss für beweispflichtige Tatsachen Beweis angeboten werden. Wird dies nicht eingehalten, geht dies zu Lasten des Mandanten (s.o. Relationstechnik).

Klageerwiderung:

Die Klageerwiderung wird wie folgt aufgebaut:

  • Kurzrubrum
  • Verteidigungsanzeige (in der Praxis wird diese schon vorab geschickt, um die Frist einzuhalten und einem Versäumnisurteil zu entgehen)
  • Anträge
  • Begründung

Im Rahmen der Begründung sind evtl. Ausführungen zur Unzulässigkeit der Klage zu machen, gefolgt von tatsächlichen Ausführungen zum Sachverhalt und abschließender rechtlicher Würdigung. Bei den tatsächlichen Ausführungen muss dargestellt werden, inwieweit der Sachverhalt streitig oder unstreitig ist. Bei streitigem Sachverhalt muss der Beklagte dann substantiiert Bestreiten, das heißt eine eigene Sachverhaltsdarstellung schildern mit den jeweiligen Beweisangeboten. Auch hier muss strikt zwischen den Tatsachenschilderungen und rechtlicher Würdigung unterschieden werden (s.o.).

Fazit

Die erste Woche des Einführungslehrgangs war geschafft – Halbzeit!

Die ersten Tage waren super, um sich in der Materie der ZPO wieder zu Recht zu finden. Die Tage darauf haben wir aber auch – endlich – etwas Neues gelernt, was wir aus dem Studium nicht kannten. Die erste Woche war aber nach so langer „Auszeit“ anstrengender als gedacht. Trotzdem freue ich mich auf die nächste Woche und darauf, noch mehr neue Dinge zu lernen, die man aus dem juristischen Studium noch nicht kennt. Jetzt heißt es erstmal kurz entspannen und dann mit Vollgas den Stoff nachzuarbeiten. Mal sehen, was die zweite Woche an neuen Erfahrungen mit sich bringt. Wie der Einführungslehrgang weiterging, könnt ihr im zweiten Teil lesen!

Lara

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Beitragsautor:

Lara Siegmann

Lara Siegmann

Lara berichtete uns über ihre Erlebnisse und Erfahrungen, die sie während ihres juristischen Vorbereitungsdienstes gemacht hat.

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