Erfahrungsbericht: Meine zweite Einführungswoche in der Zivilrechtstation
Die erste Woche meiner Einführungs-AG war aufgrund vieler neuer Eindrücke und Inhalte ziemlich anstrengend. So haben wir nach einer kleinen Wiederholung zu den wichtigsten Regelungen in der ZPO die verschiedenen Arbeitstechniken des Richters kennengelernt, beginnend mit dem Aktenauszug über den Sachbericht und das Relationsgutachten bis hin zum Urteil. Meinen ausführlichen Bericht dazu findet ihr hier. Wie sieht nun aber die zweite Einführungswoche in der Zivilrechtstation aus? Wird das bisher Gelernte nun mit verschiedenen Übungen gefestigt oder gibt es noch weitere Arbeitstechniken kennenzulernen? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt euch mein nachfolgender Bericht:
Tag 1:
Unser AG-Leiter läutete die zweite Einführungswoche mit einer kleinen Wiederholung zur letzten Woche ein. Dazu gehörte auch ein kleiner Überblick über die möglichen zivilrechtlichen Klausurthemen im zweiten Staatsexamen. So wird uns in Hessen voraussichtlich vor allem eine Urteilsklausur begegnen, wobei jedoch auch ein Beschluss, sogar in Form des § 91a ZPO, möglich ist. Eine Relationsklausur ist hingegen eher selten, was uns sehr aufatmen ließ. Dafür können wir mit zwei Anwaltsklausuren rechnen, üblicherweise mit einer Klageerwiderung und einem Gutachten für eine Mandantenempfehlung. Hin und wieder wird stattdessen aber auch eine Kautelarklausur gestellt.
Im Anschluss gingen wir kurz auf den Aufbau eines Beschlusses – im Vergleich zu dem eines Urteils – ein. So wird ein Beschluss etwa nicht „Im Namen des Volkes“ erlassen, der Tenor enthält auch keine Entscheidung zu den Kosten oder zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und die Entscheidungsgründe werden hier lediglich Gründe genannt. Statthafter Rechtsbehelf gegen einen Beschluss ist auch nicht Berufung oder Revision, sondern grundsätzlich die (sofortige) Beschwerde. Im Übrigen gibt es kaum Unterschiede.
Anstatt diesen Stoff oder die anderen Arbeitstechniken zu vertiefen, gingen wir gefühlt zwei Schritte zurück: Zunächst unterhielten wir uns über die verschiedenen Gerichtsbarkeiten sowie über die verschiedenen Bundesgerichte und deren Sitz. Danach warfen wir einen äußerst ausführlichen Blick auf die wichtigsten Prozessmaximen. Leider wurde nun mehr auf Frontalunterricht gesetzt anstatt unser Wissen mit Fragen zu prüfen. Dies empfand ich als eher langweilig, da ich die zivilrechtlichen Verfahrensgrundsätze bereits für das erste Examen verinnerlicht habe.
Tag 2:
Auch der nächste Tag stand im Zeichen der Wiederholung in Form von Frontalunterricht mit nur wenigen Wissensfragen für die Gruppe. Auf dem Plan standen vor allem die Themen Klageschrift mitsamt Klagearten, Zustellung und Anhängigkeit beziehungsweise Rechtshängigkeit, Klagehäufung, Klagerücknahme und Klageänderung sowie die Parteifähigkeit. Wie bereits am Tag zuvor bezüglich der Prozessmaximen wurde auch an diesem Tag für mich wenig richtig Neues vermittelt. Die Ankündigung, dass wir gemeinsam am nächsten Tag einigen Verhandlungen beisitzen werden, war somit für mich ein kleiner Lichtblick.
Tag 3:
Pünktlich um 9:25 Uhr trafen wir uns alle vor dem Gerichtssaal, um den Verhandlungen unseres AG-Leiters beizuwohnen. Um 9:30 Uhr begann der erste Termin mit einer Güteverhandlung, der sich die streitige Verhandlung direkt anschloss. Nach etwa einer halben Stunde wurde den beiden Parteien von Seiten des Gerichts ein Vergleichsvorschlag unterbreitet. Danach war die erste, eher unspektakuläre Verhandlung schon vorbei. Unser AG-Leiter nutze sodann die Möglichkeit, um mit uns kurz den Gang der Hauptverhandlung zu besprechen und um uns einige Besonderheiten an Ausstattung und Aufbau des Landgerichts in Wiesbaden zu erklären. Schließlich hieß es dann, dass die anderen beiden Sitzungen ausfallen und wir uns also in 10 Minuten in unserem AG-Raum treffen würden.
Etwas enttäuscht von dieser Wendung holte ich mir noch schnell einen Kaffee, bevor es wieder zum Frontalunterricht ging. Auf dem Plan standen heute die weiteren parteibezogenen Prozessvoraussetzungen, mithin Prozessfähigkeit, Prozessführungsbefugnis mit gesetzlicher und gewillkürter Prozessstandschaft sowie die Postulationsfähigkeit. Nach einer kleinen Pause machten wir einen Exkurs zur Berechnung des Streitgegenstandes, der sowohl für die Zuständigkeit des Gerichts als auch für die im Rechtsstreit anfallenden Kosten eine Rolle spielt. Dies führte zu allgemeiner Verwirrung, schließlich haben wir uns bereits ausführlich über die Kostenentscheidung unterhalten. Nach diesem Exkurs widmeten wir uns überblicksweise dem Ablauf des Vorverfahrens, konkret dem frühen ersten Termin sowie dem schriftlichen Vorverfahren. Geschlaucht und etwas frustriert von dem Ablauf der AG wurden wir pünktlich aus der AG entlassen.
Tag 4:
Der Tag startete für mich etwas früher als sonst, da ich zunächst verabredungsgemäß zu meiner Einzelausbilderin ging. Dort warteten bereits zwei Akten auf mich: eine kleinere, für die ich einen Sachbericht schreiben soll, und eine ziemlich umfangreiche, für die ich ein Urteil anfertigen soll. Hierfür habe ich insgesamt vier Wochen Zeit, da meine Einzelausbilderin ab kommendem Montag für drei Wochen im Urlaub sein wird und mich deshalb mit ausreichend Arbeit versorgen wollte. Ich habe mir die ersten Wochen in meiner Zivilrechtsstation zwar etwas anders vorgestellt, insbesondere dass ein genauerer Blick auf meine Arbeit geworfen wird, aber ich stelle mich gerne neuen Herausforderungen. Wie ich mich letztlich mit dieser Herausforderung schlage, erfahrt ihr in einem entsprechenden Artikel zur gegebenen Zeit.
Nachdem meine Einzelausbilderin mir noch die Geschäftsstelle der Zivilkammer gezeigt hatte, entließ sie mich in meine AG. Dort ging es mit Frontalunterricht weiter. Zunächst widmeten wir uns der internationalen, örtlichen und sachlichen Zuständigkeit von Zivilgerichten und den damit verbundenen möglichen Problemen. Danach durften wir unser neu erlerntes Wissen an ein paar wenigen Übungsfällen austesten und zusätzlich den für den jeweiligen Fall passenden Tenor bilden. Insgesamt hätte ich mir mehrere solcher kleinen Übungen gewünscht, jedoch sollte nach der circa 15-minütigen praktischen Übung der Frontalunterricht weitergehen. Der schon letzte Punkt des Tages war die Zustellung. Die Einleitung unseres AG-Leiters, es handele sich dabei um ein nicht ganz so spannendes Thema, war mehr als zutreffend, sodass wir sehr erleichtert waren, als wir pünktlich aus der AG entlassen wurden.
Tag 5:
Auch der letzte Tag der zweiten Einführungswoche bestand aus Frontalunterricht. Die maßgeblichen Inhalte des Tages waren der Gang der Hauptverhandlung, die Kostenberechnung bei Streitgenossenschaft im Rahmen der sogenannten Baumbach’schen Formel sowie eine Einführung in die Prozesskostenhilfe. Den Schluss der Einführungs-AG machten nochmals zwei kleine Fälle zur Zuständigkeit mit Streitwertbestimmung sowie Tenorierung.
Motivation und Konzentration waren an diesem Tag bei der gesamten Gruppe so gut wie nicht vorhanden, was sich auch deutlich an der Mitarbeit abzeichnete. Ein wenig schade war dies allerdings schon, schließlich hatte sich der AG-Leiter doch stets Mühe gegeben. Trotzdem hoffen wir alle sehr, dass unsere neue AG-Leiterin, die jeweils montags unsere Regel-AG leiten wird, uns besser zu erreichen vermag und die vielleicht auch weniger fesselnde Materie spannender darstellen kann.
Damit ist auch die zweite Einführungswoche vorbei. Die Zeit verging im Vergleich zur ersten Woche gefühlt langsamer, was maßgeblich am Frontalunterricht lag. Es ist sicherlich nicht verkehrt, alle Rechtsreferendare auf das gleiche Level an Wissen bringen zu wollen. Vielleicht hätte man dieses Ziel aber mit mehr inaktivem Unterricht besser erreichen können, zumal unsere Gruppe im Großen und Ganzen entsprechendes Vorwissen mitgebracht hat. Trotz dieses nun doch vielleicht etwas holprigen Starts geht es nun mit voller Spannung in die Regel-AG und zu den Einzelausbildern.
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