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Referendariat

Die Zivilstation – Zwischen AG, Gericht und Lernen

By 27. August 2019Mai 30th, 2023No Comments
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Die Zivilstation – Zwischen AG, Gericht und Lernen

Das Leben als Referendarin ist aufregend. Hat man zur Vorbereitung des Ersten Examens die meiste Zeit im Arbeitszimmer oder der Bibliothek verbracht, ist man nun im Referendariat ständig unterwegs. Ein- bis zweimal pro Woche Arbeitsgemeinschaft (AG) und Klausuren schreiben, zweimal pro Woche zum Gericht und dann noch einen Tag arbeiten. Was man nicht vergessen darf, sind die „Hausaufgaben“ – jede Woche Urteile und Voten schreiben, und irgendwann will (oder muss) man ja auch mal lernen…

1. AG

In der Arbeitsgemeinschaft (AG) unterrichtet ein Richter eine Gruppe von Referendar:innen. Das erinnert an die Schulzeit. Die AGs bleiben während des gesamten Referendariats bestehen, nur die Ausbilder:innen wechseln nach jeder Station.

Von der Zuständigkeit der Gerichte über das Anfertigen von Urteilen und das komplette Zivilverfahren lernt man dort die Theorie der Praxis. Anhand von kleinen Fällen versucht unser AG-Leiter, uns auch trockene Gebiete wie das Kostenrecht anschaulich zu erklären.

Außerdem schreiben wir jeden Monat eine fünfstündige Klausur. Dabei handelt es sich um Altklausuren aus dem Zweiten Examen aus den Vorjahren, die uns auf das Staatsexamen vorbereiten sollen. Zusätzlich gab es nach dem Einführungslehrgang eine Klausur über das Online-Lernportal „ELAN-Ref“, die der Lernkontrolle dienen sollte.

2. Gericht

Zweimal pro Woche fahre ich zum Landgericht Berlin in der Littenstraße. Dort hole ich mir neue Akten, gebe die der letzten Woche ab und bekomme Feedback zu meinen Urteilen und Voten. Viel spannender sind aber die mündlichen Verhandlungen, bei denen ich zuschauen darf. Dort sehe ich die Kammer in Aktion. Es ist sehr interessant, die Verfahren live mitzubekommen, gerade wenn man zu diesen Fällen vorher schon die Voten geschrieben hat.

Dabei merkt man auch, wie unterschiedlich die Richter:innen ticken – wie sehr einzelne um einen Vergleich bemüht sind und wie viel oder wenig Zeit sie sich für einzelne Verfahren nehmen. Auch die Anwält:innen sind sehr unterschiedlich. Manche sehr laut und fordernd, manche sagen gar nichts, vor allem die Terminsvertreter:innen.

Die Abläufe der Verhandlungen sind noch sehr ungewohnt. Es ist alles sehr klar strukturiert und durchgetaktet. Es wird nur das Nötigste besprochen und es werden nur dort Ausführungen gemacht, wo die Rechtslage streitig ist.

3. Nebenjob

Einen Tag pro Woche gehe ich arbeiten. Das mache ich einerseits des Geldes wegen – die Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 1.320,38 Euro brutto ist nicht so üppig. Andererseits bringt es Abwechslung und Praxiserfahrung. Ich arbeite in einer Kanzlei als wissenschaftliche Mitarbeiterin und darf dort auch eigene Mandate bearbeiten. Die Arbeit als Anwält:in ist ganz anders als die der Richter:innen. Aber es ist gut, beide Seiten kennenzulernen und sich so in beide Rollen hineinversetzen zu können. So weiß man als Anwält:in, was Richter:innen hören wollen und als Richter:in, warum Anwält:innen so ticken, wie sie es nun mal tun.

4. Voten und Urteile schreiben

Der erste Tag am Landgericht war sehr aufregend. Alle Referendar:innen, die dort ihre Zivilstation absolvieren, waren zu einer kurzen Infoveranstaltung eingeladen. Dort haben wir auch wichtige Unterlagen bekommen. Neben der Zuteilung zu einer Kammer auch Verhaltensregeln und weitere Infos.

Danach ging es für alle zu ihren Richter:innen. Ich bin in einer Kammer gelandet, die sich vor allem mit Berufungsverfahren in Mietsachen beschäftigt, aber auch einige allgemeine erstinstanzliche Zivilsachen macht. Da meine Richterin nicht da war, gab mir die Vorsitzende der Kammer eine Akte mit, nachdem sie mich kurz begrüßt hatte. Mehr passierte am ersten Tag nicht und dennoch hatte ich nun meine erste echte Gerichtsakte auf dem Schreibtisch zu liegen.

In der Akte fand ich ein Beispielvotum als Vorlage. Eine weitere Einweisung gab es nicht. Ein Votum dient als Vorbereitung für die mündliche Verhandlung und für das Verfassen des Urteils. Neben einem Vorblatt, auf dem die Formalien festgehalten werden und geprüft wird, ob von den Parteien die Fristen eingehalten wurden, besteht das Votum aus dem Sachverhalt, einer rechtlichen Würdigung und einem Entscheidungsvorschlag. Es ist also eine Mischung aus Gutachten und Urteil. Dabei gibt es für den Aufbau und Inhalt keine allgemeingültigen Regeln. Beides muss mit der bzw. dem jeweiligen Richter:in abgesprochen werden.

An der ersten Akte saß ich sehr lange. Sie hatte um die 250 Seiten, also so viel wie so manches Buch, und das liest man nicht mal eben so an einem Tag. Zumal mir immer die Aussage meiner Richterin im Kopf schwebte, dass sie sich so 2-3 Stunden für ein Votum nimmt. In der Zeit hatte ich gerade mal die Akte gelesen…

Es ist sehr wichtig, dass man lernt, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Es kommt nicht darauf an, jede einzelne Seite gelesen zu haben, sondern zu wissen, wo man was findet und wie man das verwertet.

Sehr ungewohnt zu schreiben sind vor allem der Sachverhalt und die Entscheidungsgründe. Beim Sachverhalt gibt es einen klaren Aufbau, den man einhalten muss, inklusive Zeitformen, die gefühlt in jedem Absatz wechseln und Formulierungen, von denen man nicht abweichen darf. Den Sachverhalt richtig zu schreiben, ist etwas, das man üben muss. Irgendwann ist es Routine und geht sehr schnell, ohne dass man lange darüber nachdenken muss.

Gleiches gilt für den Schreibstil der Entscheidungsgründe. Wie diese aufzubauen sind, was hinein gehört und was nicht, ist anfangs gar nicht so leicht rauszukriegen. Auch der Umstand, dass man sich vom Gutachtenstil verabschieden muss, ist gewöhnungsbedürftig. Ich erwische mich immer wieder dabei, dass ich in diesen zurückfalle…

5. Lernen

Lernen… oh man. Eigentlich ist man froh, das Erste Staatsexamen hinter sich zu haben und will einfach nur die Praxiserfahrungen in sich aufsaugen. Leider weiß man aber schon am ersten Tag des Referendariats, dass man in 18 Monaten wieder Examen schreibt und in 24 Monaten mündliche Prüfung hat. Man kann also gar nicht früh genug anfangen zu lernen.

Zeitlich gesehen ist das jedoch echt schwierig. Ich bin im Schnitt an vier Tagen unterwegs, um zur AG zu fahren, zum LG Berlin und zur Arbeit. Mindestens einen vollen Tag brauche ich für das Votum. Wie das Wochenende dann aussieht, kann man sich denken. Ich will mich nicht beschweren, aber ich hätte gedacht, dass die Präsenzzeiten kürzer sind. Eine echte Herausforderung, die viel Selbstdisziplin und gutes Time-Management erfordert, denn man muss echt gut planen und sich für das Lernen bewusst Zeit nehmen. Aber mit ein bisschen Übung wird das schon…

-Ulrike

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Beitragsautor:

Ulrike R.

Ulrike R.

Ulrike befindet sich seit zwei Jahren im juristischen Vorbereitungsdienst, den sie zugunsten ihres Sohnes unterbrechen musste. Sie befindet sich noch bis voraussichtlich Mai 2021 in Mutterschaftszeit. Danach steht bei ihr das Examen an. In ihren Beiträgen berichtet sie von der Vereinbarkeit von Kind und Referendariat.

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