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Referendariat

Die Wahlstation bei der Staatsanwaltschaft

By 30. Oktober 2018Oktober 12th, 2023No Comments
Erfahrungsbericht_Strafstation_FB

Die Wahlstation bei der Staatsanwaltschaft

Die letzte Station im Referendariat steht bevor und ich blicke wieder etwas erschrocken zurück und frage mich, wo die letzten zwei Jahre eigentlich geblieben sind. Die Klausuren sind geschrieben und die Wartezeit auf die Ergebnisse fühlt sich jetzt schon an wie die reinste Folter. Zum Glück geht in zwei Wochen für mich die Wahlstation bei der Staatsanwaltschaft los. Diese Ablenkung wird mir sicherlich guttun. Jeden Tag wache ich schon mit einem neuen Gedanken auf, warum ich dieses oder jenes in der Klausur eigentlich so und nicht anders gelöst habe. Daher bin ich echt froh, dass es bald wieder etwas zum Arbeiten gibt.

Warum ich mich für die Wahlstation bei der Staatsanwaltschaft entschieden habe

Viele meiner AG-Kollegen hat es für die Wahlstation ins Ausland gezogen. Für einige ging es nach Sydney, für andere nach New York oder London. Für mich war eigentlich nur ein Kriterium für die Wahl der Station maßgeblich: Ich wollte wieder mitarbeiten, gestalten, Verantwortung übernehmen. Gerade in der Pflichtstation bei der Staatsanwaltschaft war richtig „Not am Mann“. Wir wurden als Referendare zwei Mal die Woche zu Sitzungsvertretungen geschickt und man war seitens der Staatsanwaltschaft richtig froh, dass wir die Amtsanwälte entlasteten und diese Aufgabe übernahmen. Es war einfach ein befriedigendes Gefühl, gebraucht und für seine Arbeit geschätzt zu werden.

Mein Berufswunsch tendiert im Moment Richtung Anwaltschaft. Nichtsdestotrotz wollte ich bewusst nicht nochmal eine Station beim Rechtsanwalt machen. Hand aufs Herz, ich kann die Rechtsanwälte auch verstehen, dass sie ihre Referendare noch nicht völlig eigenständig auf Mandanten loslassen wollen, sodass es in der Praxis so gut wie kaum vorkommen wird, dass Referendare ganz allein Mandaten verteidigen dürfen.

Anders sieht es da bei der Staatsanwaltschaft aus. Ich genoss die mir übertragene Verantwortung und konnte gar nicht genug Sitzungsdienste bekommen. Es hat einfach nur unglaublich Spaß gemacht. Mal ging es um juristisch spannende Sachverhalte, mal um besondere menschliche Schicksale. All dies fesselte mich so sehr, dass für mich am Ende der Strafrechtsstation feststand, dass ich wieder zur Staatsanwaltschaft muss.

Häusliche Gewalt, Sexualdelikte und Organisierte Kriminalität

Bei der Zuweisung für die Wahlstation besteht die Möglichkeit ein Wunschdezernat anzugeben, in der Pflichtstation wurde man hingegen automatisch zugeteilt. Damals kam ich im Dezernat für häusliche Gewalt und Sexualdelikte unter. Interessant dabei war, dass ich Gelegenheit bekam in Rechtsgebiete einzudringen, die in der Ausbildung praktisch nie angesprochen wurden, in der Praxis aber (leider) häufig vorkommen. Da ich immer hungrig nach neuem Wissen bin, wollte ich dann auch dieses Mal in Gebiete blicken, die einem zumeist verborgen bleiben. Ich entschied mich für das Dezernat „OK“ = Organisierte Kriminalität. Auch wenn mir im Vorfeld mitgeteilt wurde, dass ich dort wohl nicht so viele eigene Akten aus diesem Bereich mit nach Hause nehmen darf, freue ich mich besonders auf die großen Verfahren am Landgericht.

Das Verbrechen und die Kriminalität haben mich schon in meiner Schulzeit interessiert. Ich war immer ein großer Fan von kriminologischer Literatur und las alles, was mir in die Finger kam. So arbeitete ich schon zu Studienzeiten ehrenamtlich am Institut für Kriminologie an einem Resozialisierungsprogramm für Strafgefangene in der JVA Bochum.

Dort trafen wir uns mehrmals monatlich mit den inhaftierten Strafgefangenen und hielten Vorträge zum Thema „Recht im Alltag“ und organisierten Diskussionsrunden. Es überrascht daher wohl nicht, dass mich das Strafrecht auch im Referendariat nicht losgelassen hat.

Definition „Organisierte Kriminalität“

Ihr werdet jetzt, bewusst oder unbewusst, sofort an die alten Mafiafilme gedacht haben, als ihr „organisierte Kriminalität“ gelesen habt. Das stimmt natürlich in der Realität nur bedingt mit dem überein, was organisierte Kriminalität wirklich ist.

Es gibt dazu in der Literatur zahlreiche und auch sehr umfangreiche Definitionen.

So besteht eine Nähe zum Begriff der „Bande“. Das heißt, es müssen mindestens drei Beteiligte vorliegen, die arbeitsteilig vorgehen und aus ihrer Tätigkeit eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erwirtschaften wollen.

Das Bundeskriminalamt definiert organisierte Kriminalität etwa so:

„Organisierte Kriminalität ist, die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte, planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig

  1. a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
  2. b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
  3. c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.“

Was auffällt ist, dass keine „hierarchischen Strukturen“ mehr gefordert sind. Dies ist dem Wandel der Zeit zuzuschreiben, da das organisierte Verbrechen sich immer mehr über das Internet organisiert und teilweise aus dem Ausland operiert. Damit bedarf es der klassischen hierarchischen Struktur nicht mehr.

Wen diese Thematik ebenfalls interessiert, kann sich auf der Homepage des BKA einlesen:

https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/OrganisierteKriminalitaet/organisiertekriminalitaet_node.html

Fazit

Wie ihr seht, gibt es bei der Staatsanwaltschaft immer aktiv etwas zu tun und ihr müsst nicht immer nur eurem Ausbilder beisitzen. Gerade das wissen viele Referendare zu schätzen, wenn sie zum ersten Mal eigenständig den Staat repräsentieren dürfen. Wenn auch ihr mit dem Gedanken spielt, später einmal die Wahlstation dort zu absolvieren oder sogar Staatsanwalt/-anwältin zu werden, nehmt unbedingt die Chance in der Pflichtstation wahr und macht so viele Sitzungsvertretungen wie ihr nur kriegen könnt.

 

– Sinan

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Beitragsautor:

Sinan Akcakaya

Sinan Akcakaya

Sinan schrieb für JurCase zunächst über seine Erfahrungen im juristischen Vorbereitungsdienst und sodann über das Assessorexamen. Seine letzten Beiträge für uns befassen sich hingegen mit dem Karrierebeginn junger Volljuristen.

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