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Referendariat

Die Sitzungsleitung im Rahmen der Zivilstation

By 31. Januar 2019Oktober 18th, 2023No Comments
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Die Sitzungsleitung im Rahmen der Zivilstation

Erfahrungsbericht und Tipps für die Sitzungsleitung

Im Rahmen der Zivilstation bekommt man in Schleswig-Holstein die Möglichkeit als Referendar selbst eine mündliche Verhandlung zu leiten.

Der folgende Erfahrungsbericht soll euch ein paar Tipps für eine erfolgreiche Sitzungsleitung liefern.

Allgemeines zur Sitzungsleitung

Die gesetzliche Grundlage für die Sitzungsleitung durch einen Referendar bildet § 10 GVG.

Hiernach darf ein Referendar unter Aufsicht eines Richters Rechtshilfeersuche erledigen und (außer in Strafsachen) Verfahrensbeteiligte anhören. Weiterhin darf die mündliche Verhandlung geleitet und Beweis erhoben werden. Ausgeschlossen hiervon ist die Anordnung einer Beeidigung oder die Eidabnahme. Denklogisch ebenfalls ausgenommen ist die Verkündung von Beschlüssen bzw. Urteilen.

Ob und in welchem Maße eine mündliche Verhandlung geleitet wird, liegt im Ermessen von Referendar und Ausbilder. Es bietet sich generell an, eine Sitzung im letzten Monat der Station zu wählen, weil sich bis dahin bereits eine gewisse Routine durch die Begleitung des Ausbilders eingestellt hat. Wer sich unsicher fühlt, kann auch in einer Sitzung nur in den Sach- und Streitstand einführen, in der nächsten dann zusätzlich die rechtlichen Erwägungen vortragen, darauf dann zusätzlich eine Beweisaufnahme leiten und zuletzt zusätzlich noch den gesamten Vorgang protokollieren. Oder man schichtet ab und verzichtet z.B. auf die Erfahrung des Protokollierens. Nach der Hälfte der Stationszeit sollte man den Willen zur Sitzungsleitung mit dem eigenen Ausbilder besprechen und einen individuell zugeschnittenen Fahrplan hierfür entwerfen. Die Leistungen im Rahmen der Sitzungsleitung sind grundsätzlich auch der Benotung zugänglich.

Meine Sitzungsleitung oder „ Die Kunst des Multitasking“

Nach der Hälfte der Station bot mein Ausbilder von sich aus die Möglichkeit einer Sitzungsleitung an. Diese sollte im letzten Monat der Station erfolgen. Ungefähr zu dieser Zeit erinnerte uns mein AG-Leiter auch subtil in jeder AG-Stunde daran, die Chance wahrzunehmen, mal „Richter zu spielen“.

Bei mir kam es aber nun ganz anders als geplant:
Zwei Tage nach dem Gespräch über die Sitzungsleitung rief mein Ausbilder mich früh morgens spontan an. Er hatte eine Akte auf dem Tisch, die geradezu nach einem Referendar schreie. Der Haken an der Sache? Die Sitzung war am nächsten Vormittag. Und ich hatte mich zur gleichen Zeit für eine Hospitation in der Mediationsgeschäftsstelle verabredet. Trotzdem – und weil mein Ausbilder nicht wusste, ob während meiner Stationszeit eine ebenso passende Akte hereinkommen würde – nahm ich das Angebot an und holte mir Akte und Diktiergerät für den Nachmittag ab. Als Bonus kopierte er mir einen kurzen Leitfaden zur Sitzungsleitung und sagte sogar die Mediationsteilnahme für mich ab.

Den gesamten Nachmittag bis in den späten Abend verbrachte ich damit, mir – ähnlich wie für den staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst – einen Sitzungsrenner zu erstellen. Mein Sitzungsrenner umfasste insgesamt 12 Seiten, auf denen ich auch die wichtigsten Protokollanweisungen mit aufgenommen hatte. Den Renner besprach ich am nächsten Morgen ca. eine Stunde vor der Verhandlung mit meinem Ausbilder und konnte so noch einige Korrekturen aufnehmen.

Mit dem Diktiergerät machte ich mich vertraut, indem ich meinen Kater im Fall des verschwundenen Leckerlis als Zeugen vernahm – er verweigerte übrigens die Aussage nach 384 ZPO. 😉
Ein kleiner Tipp hierzu: Löscht die Aufnahme, nachdem ihr genug geübt habt, ansonsten hat entweder euer Ausbilder oder die Geschäftsstelle beim nächsten Abhören was zu lachen…

Meine Akte war ein simpler Verkehrsunfall. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung sollte der Kläger angehört und eine Zeugin vernommen werden. Mit meinem Ausbilder hatte ich besprochen, in den Sach- und Streitstand einzuführen, die rechtlichen Erwägungen vorzutragen, im Rahmen der Beweisaufnahme den Kläger anzuhören, die Zeugin zu vernehmen und das ganze zusätzlich zu protokollieren. Dass ich statt des Komplettpakets auch hätte Abschichten können, verriet er mir am nächsten Tag fünf Minuten vor Verhandlungsbeginn. Das auch noch mit den Worten „ich bin ja mal gespannt, wie du dich schlägst“ einzuleiten, konnten auch seine wiederholten Beteuerungen, er hätte mich das nicht machen lassen, wenn er nicht vollstes Vertrauen in mich hätte, nicht mehr retten.

Die Sitzungsleitung selbst lief weitgehend reibungslos. Im Unterschied zum staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst saß mein Ausbilder die gesamte Zeit daneben und konnte mir unauffällig das Diktiergerät abnehmen und mich korrigieren, wenn ich mal wieder mit dem Protokollieren nicht nachkam. Neben der Nervosität entpuppte sich das Multitasking auch – entgegen landläufiger Theorien – als die größte Schwierigkeit: Während der Einführung in den Sach- und Streitstand und der rechtlichen Erwägungen war nicht viel zu protokollieren, sodass ich mich voll auf meinen Renner konzentrieren konnte. Im Rahmen der Klägeranhörung und auch der Zeugenvernehmung musste ich nun aber gleichzeitig auf Warn- und Realkennzeichen achten, Fragen stellen, die Antworten hierauf notieren und diese auch noch in regelmäßigen Abständen protokollieren. Obwohl ich dank der Examensvorbereitung für das Erste Staatsexamen eigentlich ziemlich schnell schreiben kann, geriet ich dabei ins Schwitzen und verhaspelte mich bei der Klägeranhörung einmal so dermaßen, dass mein Ausbilder übernehmen musste. Hieraus lernte ich aber für die Zeugenvernehmung und unterbrach den Redefluss der Zeugin in regelmäßigen Abständen, um bislang Gesagtes aufzunehmen. Dafür vergaß ich bei der Zeugenbelehrung, dass der Zeugin als juristischer Laiin nicht nur die juristisch korrekte Belehrung verständlich erklärt werden sollte. Grade bei Zeugen, die das erste Mal vor einem deutschen Gericht stehen, muss auch ein gewisses Maß an Empathie gezeigt werden. In Erinnerung an das Gesicht der Zeugin, das mit fortschreitender Belehrung immer ängstlicher wurde, brachte ich diese Empathie aufgrund meiner eigenen Nervosität nicht genügend rüber. Auch das Protokollieren erwies sich an manchen Stellen als tückisch: In dem Bestreben, die Aussage möglichst wortgetreu wiederzugeben, diktierte ich zwischendrin fröhlich ohne Punkt, Komma oder auch Absätze. An anderen Stellen wies das Protokoll dann mehrere Absätze nacheinander auf, weil ich diese bei Zwischenstopps doppelt aufgenommen hatte.

Trotz dieser „kleinen“ Patzer war ich mit meiner guten Bewertung am Ende der Sitzungsleitung sehr zufrieden.

Fazit:

Auch nach der notwendigen umfangreichen Vorbereitung habe ich die Zustimmung zur Sitzungsleitung nicht bereut. Allein dieser kurze Einblick in die Leitung einer mündlichen Verhandlung, die von der Seite immer so einfach erscheint, war die Anstrengung wert. Zu merken, wie schnell ich auch bei einem so einfachen Fall ins Schwimmen komme, hat meinen Respekt vor meinem Ausbilder und seinen Kollegen, die das so mühelos aussehen lassen, noch einmal verstärkt. Ich gebe auch zu, dass es Spaß gemacht hat, der Sitzung einen eigenen Charakter zu verleihen und selbst ein Protokoll zu erstellen. Auch wenn die Geschäftsstelle wohl weniger Freude an meinen fehlenden Satzzeichen und Absätzen hatte…

Ich hoffe, dieser Erfahrungsbericht hilft euch ein wenig bei eurer eigenen Sitzungsleitung und wünsche euch viel Erfolg dabei!

-Regina

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Beitragsautor:

Regina Kardel

Regina Kardel

Regina berichtete uns über ihre Erlebnisse und Erfahrungen, die sie während ihres juristischen Vorbereitungsdienstes gemacht hat. Mittlerweile ist sie zugelassene Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei. Deshalb schreibt sie aktuell für JurCase-Jobs über die anwaltliche Karriere.

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