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Der zivilrechtliche Aktenvortrag im Assessorexamen (Teil II)

By 21. Juni 2022Oktober 11th, 2023No Comments
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In Teil I des Beitrages habe ich bereits beschrieben, wie die Einleitung und der Sachbericht bei einem Aktenvortrag aufgebaut werden. In Teil II werde ich mich den restlichen Abschnitten des Aktenvortrags widmen und dir zum Abschluss einige Tipps geben, um typische Fehler zu vermeiden.

3. Kurzvorschlag

Dem Sachbericht folgt ein zusammengefasster Entscheidungsvorschlag in einem Satz. Der vollständig ausformulierte Vorschlag in Form eines Tenors oder eines Antrags erfolgt erst am Ende des Aktenvortrags.

Beispiele für Kurzvorschläge können sein:

„Ich schlage vor, die Klage abzuweisen/ der Klage stattzugeben.“

„Ich schlage vor, der Klage lediglich in Höhe von 2000,00 € stattzugeben und sie im Übrigen
abzuweisen.“

„Ich schlage vor, eine einstweilige Verfügung des Inhalts zu erlassen, dass…“

„Ich schlage vor, Klage gegen X vor dem Amtsgericht Y zu erheben.“

„Ich schlage vor, Klageabweisung zu beantragen.“

4. Rechtliche Würdigung

Die rechtliche Würdigung ist das Herzstück bzw. der Schwerpunkt des Aktenvortrags und sollte ca. 2/3 der Vortragszeit in Anspruch nehmen.

Der Überleitungssatz lautet immer:

„Dieser Vorschlag beruht auf folgenden rechtlichen Erwägungen.“

Die rechtliche Würdigung ist logisch und verständlich zu strukturieren. Sie folgt im Grundsatz den bekannten Aufbaumustern bei einem Urteil / Beschluss oder einem anwaltlichen Gutachten in der Klausur. Da die Zeit im Aktenvortrag knapp ist, empfehle ich dir, dich auf die Knackpunkte des Falls zu fokussieren und diese ausführlicher zu diskutieren, während du unproblematische Punkte entweder ganz weglässt oder in einem kurzen Satz abhandelst.

Berücksichtige, dass der Aktenvortrag keiner strengen Darstellungsform folgt, es sei denn, der Bearbeitervermerk sieht dies vor. Es bietet sich regelmäßig an, eine Mischung aus Urteils- und Gutachtenstil zu verwenden. Die Grundform sollte der Urteilsstil bilden, mit welchem alle Notwendigkeiten und unproblematischeren Punkte abgehandelt werden sollten. Nur bei den Hauptproblemen des Falls, bei denen eine ausführlichere Argumentation erforderlich ist, solltest du in den Gutachtenstil wechseln. Dies hat zugleich den Vorteil, dass die erfahrenen Zuhörenden sofort deine Schwerpunktsetzung nachvollziehen können. Arbeite auch gerne mit Zwischenergebnissen oder Überleitungssätzen zu einem neuen Gliederungspunkt, um deine Vortragsstruktur zu veranschaulichen und die Präsentation für die Zuhörenden verständlicher zu machen.

Aufbau bei richterlichen Entscheidungen

Nach dem allgemeinen Einleitungssatz folgt bei einem Urteil oder Beschluss die Feststellung des Ergebnisses (Bsp.: „Die Klage ist zulässig und begründet.“). Im Anschluss folgen Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage, falls es hier Probleme gibt. Andernfalls solltest du höchstens einen Satz zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des Gerichts verlieren, ansonsten aber keine weiteren Ausführungen zur Zulässigkeit machen. Danach folgt die Begründetheit der Klage. Der Aufbau hier folgt den bekannten Grundsätzen. Vergiss nicht, am Ende der Begründetheit die Nebenforderungen und prozessualen Nebenentscheidungen durch die Nennung der jeweiligen Normen zu erörtern.

Aufbau bei anwaltlichen Aufgaben

Bei Vorträgen aus Sicht des Klägervertreters bietet sich das Vorgehen wie bei einer Anwaltsklausur an. Zunächst prüfst du den materiell-rechtlichen Anspruch der Mandantin bzw. des Mandanten unter Berücksichtigung des Mandantenbegehrens. Erst im Anschluss ist es sinnvoll, Zulässigkeitsfragen der zu erhebenden Klage zu klären und Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen. Bei Vorträgen aus Sicht des Beklagtenvertreters ist zuerst die Zulässigkeit und danach die Begründetheit der Klage zu prüfen. Zum Schluss sind die Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen.

Bei streitigen und erheblichen Tatsachen, hat sowohl der Kläger- als auch der Beklagtenvertreter eine Beweisprognose anzustellen, die bei dem konkreten Tatbestandsmerkmal zu erfolgen hat. Hierbei ist zunächst zu klären, welche Partei die Darlegungs- und Beweislast trägt. Im Anschluss muss überprüft werden, welche Beweismittel zur Verfügung stehen und ob etwaige Bedenken hinsichtlich deren Überzeugungskraft bestehen.

Im Rahmen der Zweckmäßigkeit ist darauf zu achten, den möglichst sichersten und kostengünstigsten Weg für die Mandantin bzw. den Mandanten zu finden. Falls die/der Mandant:in selbst bereits Prozesshandlungen vorgenommen hat, sind diese ggf. zu „korrigieren“, wenn sie nicht zweckmäßig erscheinen. Hierbei ist zum Beispiel an eine Klageänderung, eine Teilrücknahme oder Erledigungserklärung zu denken. Berücksichtige auch immer mögliche Gegenansprüche des Gegners, die dieser durch ein Zurückbehaltungsrecht, eine (Hilfs-)Aufrechnung oder eine (Hilfs-)Widerklage geltend machen könnte.

5. Ausformulierter Entscheidungsvorschlag

Dieser Punkt bildet den Abschluss deines Vortrags und sollte bestenfalls fehlerfrei sein, um keinen schlechten Eindruck am Ende der Präsentation zu hinterlassen.  Der Urteils- bzw. Beschlusstenor oder die Anträge sind vollständig auszuformulieren. Bei einer richterlichen Entscheidung ist daher auch die Kosten- und Vollstreckbarkeitsentscheidung erforderlich. Beachte aber, dass es bei einem Beschluss jedoch keiner Vollstreckbarkeitsentscheidung bedarf. Schreibe den Tenor oder Antrag am besten vollständig auf, sodass du ihn am Schluss einfach vorlesen kannst.

Einleiten solltest du diesen Abschnitt mit dem Satz:

„Ich schlage deshalb folgenden Urteilstenor vor…“

oder
„ Abschließend schlage ich daher vor, … “

Sonstige Hinweise und Tipps, um typische Fehler im Aktenvortrag zu vermeiden

Beim Aktenvortrag ist es besonders wichtig, dass die Präsentation für die Zuhörenden verständlich ist. Deshalb sollte sich immer ein roter Faden durch deinen Vortrag ziehen, sodass den Zuhörenden immer klar ist, welchen Teil / Prüfungspunkt du gerade diskutierst. Damit dies gewährleistet ist, solltest du immer die gängigen Einleitungs- und Überleitungssätze verwenden, welche du am besten auswendig lernst. Zudem ist es für die Verständlichkeit essenziell, dass die rechtliche Würdigung immer eine logische Struktur erkennen lässt.

Häufig passiert es Kandidatinnen und Kandidaten, dass sie die Zeitvorgaben für den Vortrag nicht einhalten. In jedem Fall gibt es Punktabzüge, wenn du die Zeit erheblich überschreitest. Regelmäßig brechen die Prüfer:innen sogar den Vortrag ab, wenn du mehr als 2 Minuten überziehst. Um dies zu vermeiden, musst du ein besonderes Augenmerk auf deine Schwerpunktsetzung legen. Insbesondere darf der Sachbericht nicht zu lang und detailliert sein. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung dürfen zudem keine ausgiebigen Ausführungen gemacht werden, wenn etwas unproblematisch ist.

Ein häufiger Fehler in Aktenvorträgen ist auch, dass Kandidatinnen und Kandidaten sich etwaige Unsicherheiten hinsichtlich ihrer gefundenen Lösung anmerken lassen oder gar Alternativvorschläge anbieten. Ich rate dir dringend hiervon ab, denn mit dem Aktenvortrag sollst du zeigen, dass du in der Lage bist, einen juristischen Standpunkt überzeugend und nachvollziehbar zu präsentieren. Zeigst du aber deutlich, dass du an deinem eigenen Ergebnis zweifelst, schmälert das erheblich die Überzeugungskraft deiner Argumentation.

Abschließend möchte ich dir noch einige Tipps für die Vortragsvorbereitung geben. Um Zeit zu sparen, empfehle ich dir, Zitate oder Anträge, die du im Vortrag wörtlich wiedergeben möchtest, in dem Aktenauszug zu markieren und dir lediglich die Seitenzahl auf deinen Stichpunktzettel zu notieren. Zudem solltest du deine Stichpunktzettel nummerieren und in einer großen leserlichen Schrift schreiben, damit du während des Vortrags nicht durcheinander kommst. Lege dir außerdem bei den wichtigsten Normen Lesezeichen in dein Gesetzbuch, falls du aus ihnen während des Vortrags vorlesen willst, damit du auch hier nicht zu viel Zeit mit Blättern verschwendest. Weiterhin solltest du während des Vortrags eine Stoppuhr benutzen, damit du die Zeit immer im Blick hast.

Fazit

Mit dem Aktenvortrag soll die/der angehende Assessor:in unter Beweis stellen, dass sie oder er einen Sachverhalt in kurzer Zeit erfassen, einer rechtlich vertretbaren Lösung und einem Entscheidungsvorschlag zuführen und in einer freien Rede anderen Juristinnen und Juristen, die mit dem Sachverhalt nicht vertraut sind, verständlich präsentieren kann. Der Aktenvortrag soll somit eine alltägliche berufliche Situation simulieren. Es wird von dir allerdings nicht verlangt, jedes Detailproblem ausführlich zu erörtern oder die perfekte Lösung zu präsentieren. Wenn du dir diesen Erwartungshorizont vergegenwärtigst, den allgemeinen Aufbau des Aktenvortrags beherrschst, die oben dargestellten Hinweise berücksichtigst und ausreichend Kurzvorträge übst, hast du eine solide Basis und brauchst keine Angst vor dem Aktenvortrag in der mündlichen Prüfung haben.

Viel Erfolg!

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Beitragsautor:

Kassandra Forst

Kassandra Forst

Kassandra ist Diplom-Juristin und seit kurzem Rechtsassessorin. Ihr Referendariat absolvierte sie in Thüringen und wird hierüber in Erfahrungsberichten erzählen. Außerdem wird sie die #Gewusst-Reihe mit Beiträgen zu examensrelevanter, aktueller Rechtsprechung sowie zum materiellen und formellen Recht in Assessorklausuren unterstützen.

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