CSI Wiesbaden – Hausdurchsuchung im Rahmen des Referendariats
Wenn die Strafrechtsstation Fiktion zur Realität werden lässt
Ich habe bereits zu Beginn meiner Einzelausbildung meine Ausbilderin gefragt, ob sie eine Möglichkeit habe, dass ich einmal bei einer Hausdurchsuchung anwesend sein kann. Sie notierte hierfür meine Kontaktdaten, welche sie an einen Kollegen bei der Polizei weitergab. Nach zwei Wochen meldete sich die Polizei Wiesbaden mit einem Nikolausgeschenk: Es wurde gefragt, ob ich am 06. Dezember um Viertel vor 6 Uhr morgens auf der Dienststelle sein möchte, um mit den Einsatzkräften zu einer Hausdurchsuchung zu fahren. Freudestrahlend nahm ich dieses Angebot selbstverständlich an. Was mich bei der Hausdurchsuchung erwartete und inwieweit ich dieses Erlebnis sinnvoll für die juristische Ausbildung halte, erfährst du hier:
Eine kurze Einführung in die Sachlage
Ich bin gegen 5:40 Uhr beim Polizeipräsidium Westhessen angekommen, wo mich der Einsatzleiter des K34 – Betäubungsmittelkriminalität – erwartete. In seinem Büro wartete bereits ein Referendarkollege, der zwei Monate vor mir mit seinem juristischen Vorbereitungsdienst angefangen hat (Hinweis: in Hessen werden Referendare alle zwei Monate eingestellt; mehr dazu im Leitfaden zur Referendarausbildung in Hessen). Der Einsatzleiter gab uns sodann eine kleine Einführung in die Sachlage:
Es sollte bei zwei Tatverdächtigen gleichzeitig jeweils eine Hausdurchsuchung stattfinden. Der erste Tatverdächtige war schon 57 Mal verdächtig eine Straftat begangen zu haben, wobei sich die Straftaten nicht nur auf Betäubungsmitteldelikte beschränkten, sondern auch Körperverletzungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Raub umfassten. Deshalb sollte bei diesem Tatverdächtigen die OpE (kurz für ‚Operative Einheit‘)zunächst die Tür aufbrechen und den Verdächtigen mit Handschellen fixieren. Der zweite Tatverdächtige, der in der direkten Nachbarschaft des ersten Tatverdächtigen wohnt, war vergleichsweise eine kleine Nummer, da er „nur“ 12 Mal verdächtig einer Straftat war (Verstöße gegen das BtMG, Körperverletzungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt).
Ich hoffte selbstverständlich darauf, dass ich der Einheit des K34 zugewiesen werde, um bei dem Einsatz mit der OpE dabei zu sein. Und dieses erweiterte Nikolausgeschenk wurde mir auch gewährt. Bevor es zu den Tatverdächtigen ging, gab es eine kurze Einsatzbesprechung zwischen den Einheiten des K34 und der OpE.
Die Hausdurchsuchung vor Ort
Die Wohnungen der beiden Tatverdächtigen befanden sich in der Wiesbadener Innenstadt, weshalb es zunächst das Parkplatzproblem zu bewältigen galt. Gegen 6:30 Uhr erfolgte dann aber der Zugriff – und zwar so, wie man es aus dem TV kennt: Erst konnte man von draußen mehrere laute Schläge gegen eine Tür und sodann ein lautes Knallen hören, bevor ein „Keine Bewegung, hier ist die Polizei“ ertönte. Nach einer kurzen Unruhe folgte Stille. Dies war das Zeichen für den Einsatzleiter, mit mir in die Wohnung des Tatverdächtigen zur Spurensuche und -sicherung zu gehen. In der Wohnung saß der Tatverdächtige in Handschallen auf einer Couch, seine Freundin war hingegen nicht fixiert. Der Einsatzleiter begann seine Arbeit vor Ort mit der Belehrung des Verdächtigen, auch über sein Recht einen Zeugen für die Hausdurchsuchung zuzuziehen. Der Tatverdächtige benannte selbstverständlich seine Freundin als Zeugin, der Einsatzleiter stellte mich namenlos als Zeuge für die Polizei vor.
Die Wohnung des Tatverdächtigen war recht klein. Sie bestand aus einem kleinen Schlafzimmer, in dem sichtlich eine sogenannte Blackbox betrieben wurde, einem mittelgroßen Wohnzimmer, in dem sichtlich zwei größere Behälter gefüllt mit Cannabis standen, einem kleinen Bad, einem kleinen Flur und einer mittelgroßen Küche.
Der dem OpE angehörige Hundeführer ging mit seinem Spürhund von Raum zu Raum, um versteckte Betäubungsmittel aufzuspüren. Der Hund schlug zwar an ein paar wenigen Stellen an, abgesehen von der Blackbox mit einer Cannabispflanze und den beiden Behältnissen wurde aber nicht viel gefunden, außer ein wenig Anbaumaterial, ein kleines Tütchen mit Marihuana und eine zweite Blackbox in der Küche, unter der Spüle, die sich jedoch nicht in Betrieb befand. Damit konnte sich zumindest der Verdacht des Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen nicht halten, wohl aber der des Besitzes und der Herstellung von Betäubungsmitteln. Dieser Tatverdacht änderte sich auch nicht nach einem kurzen Blick in den Kellerraum des Tatverdächtigen.
Der Tatverdächtige war im Wesentlichen zwar kooperativ, meckerte aber viel, insbesondere über die Unordnung, die die Polizei veranstaltete. In meinem Verständnis – auch wenn ich keinen Vergleich habe – hielt sich diese aber in Grenzen. Vielmehr empfand ich die Wohnung bereits ohne Hausdurchsuchung als eher unordentlich bis dreckig.
Nach der Hausdurchsuchung wurde der Tatverdächtige für erkennungsdienstliche Maßnahmen mit zum Polizeipräsidium Westhessen genommen; eine Aussage wollte er jedoch nicht machen.
Gegen 8:20 Uhr hatte ich auf der Wache mit dem Einsatzleiter noch ein kurzes Abschlussgespräch, bevor ich meinen Dienst gegen 8:40 Uhr beendete.
Fazit
Welchen Mehrwert erhält ein Rechtsreferendar für seine Ausbildung durch ein solches Erlebnis?
Ich bin der Ansicht, dass jeder Jurist, der sich beruflich mit Strafrecht beschäftigen möchte, also sei es Staatsanwalt, Strafverteidiger oder Strafrichter, einmal selbst erleben sollte, wie eine Hausdurchsuchung abläuft. Dabei können verschiedene Erkenntnisse gewonnen werden, insbesondere dass nicht jeder Polizist bei jedem Fund dabei ist. Dies kann beispielsweise ein Einfallstor für Strafverteidiger sein, für Staatsanwälte und Strafrichter eine Erkenntnis hinsichtlich der Zeugenladungen. Aber auch abgesehen davon ist eine Hausdurchsuchung ein Erlebnis für sich, das ich als sehr spannend und großartig empfand und deshalb gerne noch einmal wiederholen wollen würde. Deshalb empfehle ich die Teilnahme an solchen Aktivitäten wärmstens, auch völlig unabhängig von meinem Enthusiasmus für Strafrecht.
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