Der öffentliche Dienst – Volljurist:innen händeringend gesucht
„Wenn Sie kein vollbefriedigend im Examen haben, dann sollten Sie Ihre Erwartungen stark herunterschrauben, was ihren Berufswunsch angeht“- Das war einer der ersten Sätze ich damals im 1. Semester von einem Zivilrechtsprofessor hörte. Falscher kann er heute – knapp 9 Jahre später – nicht sein. Die Pensionierungswelle geht im öffentlichen Staatsdienst weiter. Wer schon immer den Karrierewunsch hegte, einmal in den Staatsdienst zu gehen, der hat es heute so einfach wie lange nicht mehr. Daher stelle ich euch heute, anhand realer Beispiele aus meinem Umfeld, vor, was euch für Möglichkeiten im Staatsdienst geboten werden und welche Voraussetzungen ihr dafür mitbringen müsst.
Die klassischen Berufe im öffentlichen Dienst
Wer an Jobs im öffentlichen Dienst denkt, wird automatisch – so ging es zumindest mir – immer an die Richterschaft und die Staatsanwaltschaft denken. Dies auch nicht unberechtigterweise. Gerade der Beruf der Richterin bzw. des Richters oder der Staatsanwältin bzw. des Staatsanwaltes sind in unserer Gesellschaft hoch angesehen (ich rede jetzt bewusst nicht von einigen Parallelgesellschaften). Aber auch in finanzieller Sicht kann die Richterschaft oder Staatsanwaltschaft durchaus eine attraktive Alternative für viele Referendar:innen oder „Seitenwechsler:innen“ sein. Zwar mag man mit ordentlichen Noten in der freien Wirtschaft mehr Geld verdienen, allerdings lockt der Staatsdienst mit dem Beamtenstatus, der viel Sicherheit mit sich bringt. Auch wem die Familienplanung samt Eigenheim wichtig ist, den lockt sicherlich die feste und zukunftssichere Besoldung des Staates (Stichwort: „Alimentierungsprinzip“). Daneben ist zu beobachten, dass gerade viele Frauen in die Richterschaft gehen, da die freie Zeiteinteilung einen erheblichen Vorteil für die Familienplanung mit sich bringt. Der Richterbund ging im Jahre 2012 sogar so weit, dass er vor „zu viele Frauen in der Richterschaft“ warnte (was ich so nicht teile). Wichtiger scheint mir eine ganz andere Entwicklung und diese gilt sowohl für die Richterschaft als auch für die Staatsanwaltschaft.
Denn die Einstellungsvoraussetzungen sind lange nicht mehr so streng wie früher. Aktuell kursieren hierfür einige Notenvoraussetzungen durch die Gerüchteküche. Ich kann von NRW berichten, dass man bereits mit einem Notenschnitt von 7.75 im Zweiten Examen für ein Vorstellungsgespräch bei der Staatsanwaltschaft eingeladen werden kann, wenn die oder der Bewerber:in mit einem interessanten Lebenslauf hervorsticht. Aus unserer Arbeitsgemeinschaft sind sehr viele in die Richterschaft gegangen. Die Einstellungsvoraussetzungen sind hier ähnlich. Eine Einladung zum Assessmentcenter erfolgt realistischer Weise mit 8.0 Punkten und aufwärts. Übersteht man dieses und das weitere Gespräch, so hat man gute Chancen auch ohne ein vollbefriedigend eingestellt zu werden. Wenn man bedenkt, dass man auch in der Mündlichen Prüfung sehr hohe Notensprünge erzielen kann, so sollte man sich auch von „verhauenen“ Klausuren noch längst nicht entmutigen lassen.
Allein an den heruntergeschraubten Einstellungsvoraussetzungen erkennt man daher, dass der Staat händeringend guten Nachwuchs sucht. Erfreulich ist hierbei, dass nunmehr die Kandidat:innen nicht nur an den starren Prädikatsnoten gemessen werden.
Öffentlicher Dienst ist nicht nur Richterschaft und Staatsanwaltschaft
Daneben gibt es auch eine Menge anderer Berufe, die einem erst auf den zweiten Blick erscheinen. So fand ich eine Stellenanzeige besonders interessant: In NRW suchte eine Justizvollzugsanstalt eine:n neue:n Anstaltsleiter:in, die bzw. der Volljurist:in mit mindestens befriedigendem Examen sein musste. Daneben wurden noch einige Sozialkompetenzen genannt, wie etwa Organisationstalent und Führungsstärke. Wer also etwa neben juristischen Arbeiten auch mal über den Tellerrand hinausblicken will, für den lohnt es sich auch öfters die Stellenausschreibungen nach solchen Jobs zu durchstöbern. Bei der Leitung einer JVA wird nämlich nicht nur mit gängigen Vorschriften aus dem öffentlichen Recht gearbeitet, sondern etwa auch die Lösung nichtjuristischer Herausforderungen erwartet (Mitarbeiterführung, Personalverwaltung, Disziplinarrecht). Auch hier steigt man in NRW in der Regel mit Besoldungsgruppe A13 ein.
Daneben sucht aktuell z.B. auch die Bundeswehr sogenannte Verwaltungsjurist:innen. Auch hier sind die Tätigkeiten breit gefächert. Hier werden militärische Entscheidungsträger juristisch beraten und auch gerichtlich begleitet. Daneben stellen sich auch andere interessante juristische Aufgaben, wie etwa das Disziplinarrecht für Soldaten und Ähnliches. Daneben gehört das Völkerrecht und das Verfassungsrecht zu den Rechtsgebieten, für die man bereits im Studium eine Affinität gehabt haben sollte. Spannend können zum Beispiel Fragen nach der Rechtmäßigkeit für Auslandseinsätze sein. Falls man zu Zeiten der Wehrpflicht den Wehr dienst verweigert und stattdessen Zivildienst gemacht hat, ist für diesen Job unerheblich.
Auch Arbeitsagenturen suchen Jurist:innen (Erstes Examen oder Volljurist:innen). Mir persönlich bot die Arbeitsagentur eine Weiterbildung für Führungskräfte an, an dessen Ende man als Volljurist:in eine Behörde – wie das Jobcenter – leiten kann. Auch hier kann man ganz gut verdienen und die Noten sind hier kein Teil der Einstellungsvoraussetzung. Allein der Vorschlag der Sachbearbeiterin zeigt, dass mittlerweile auch hier aktiv Werbung für juristischen Nachwuchs gemacht wird, da auch im Bereich des Sozialrechts (gerade in Behörden) großer Bedarf besteht. Wer sich von dem täglichen „Behördenwahnsinn“ nicht abschrecken lässt, der kann sich sicherlich auch Gedanken über diese Alternative machen. Eine steile Karriere kann man nämlich auch hier hinlegen.
Fazit
Als Fazit lässt sich festhalten, dass es nie so „einfach“ war in den Staatsdienst zu kommen, wie heute. Keinesfalls sollte man daher den Wunsch aufgeben, nur weil man das Vollbefriedigend im Examen nicht geschafft hat. Neben den klassischen Berufen gibt es noch eine Vielzahl von anderen interessanten Stellen im öffentlichen Dienst. Hier lohnt sich eine breitgefächerte Suche in den Stellenanzeigen der gängigen Behörden, denn Jurist:innen braucht man fast überall.
-Sinan
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