5 Mythen rund um das Referendariat
Jeder neue Lebensabschnitt, ob beruflich oder privater Natur, stellt einen vor neue Herausforderungen. Vor Beginn des Referendariats können sich die meisten angehenden Referendare noch nicht so wirklich vorstellen, was auf sie zukommen wird. Mit diesem Beitrag möchte ich euch einen kleinen Einblick geben, mit ein paar „Vorurteilen“ und Halbwahrheiten aufräumen und euch auch ein paar Tipps für die nächsten spannenden Monate mitgeben.
1. Vergesst alles, was ihr im Studium gelernt habt – das Referendariat wird ganz anders
Nun, hierzu muss man ganz deutlich sagen: das stimmt nicht. Das wäre nicht nur überaus unsinnig, sondern auch ganz schön ineffizient. Wozu werden jährlich tausende von jungen Juristen an den verschiedenen Universitäten mit allen möglichen Rechtsgebieten zugeworfen, wenn das alles (oder ein Großteil davon) im Referendariat keine Rolle mehr spielen würde? Das materielle Recht, welches man für das Erste Examen hoch und runter gelernt hat, ist im Referendariat nicht weniger wichtig. Vielmehr muss es noch besser sitzen, denn die Zeiteinteilung wird in den Klausuren knapper. Langes Nachdenken im Sinne von: …wie war das nochmal mit dem EBV…? sollte man besser vermeiden. Richtig ist jedoch, dass die klassischen Meinungsstreitigkeiten, die man im Ersten Examen an den richtigen Stellen „blind“ abspulen musste, nun nicht mehr so aktuell sind. Das wäre auch praxisfern, denn kein Richter diskutiert in einem Urteil über 4 Seiten die Theorien des ETBI.
2. Im Referendariat kommt die Literaturmeinung in die Tonne – gefolgt wird nur der Rechtsprechung
Zwar ist es im Grunde richtig, dass Gerichte in der Regel der obergerichtlichen Rechtsprechung folgen. Das ist auch sinnvoll, denn sonst stünde die Kassation eines Urteils einfach viel zu oft im Raum. Zwingend ist das jedoch nicht, erst recht nicht in Klausuren. Ist euch die herrschende Meinung der Rechtsprechung bekannt, solltet ihr sie in der Klausur vertreten. Dies ersetzt jedoch nicht die eigene Argumentation. Noch dazu gibt es oft nicht „die“ Rechtsprechungsmeinung, da Gerichte auch untereinander verschiedene Ansichten vertreten. Und das ist auch das Stichwort: Vertretbarkeit. Wenn ihr in eurer Klausur eine Ansicht niederschreibt, die vornehmlich von Literaturmeinungen beeinflusst ist, ist das alles andere als falsch. Ist eure Lösung stringent aufgebaut und verfolgt ihr euren Lösungsweg konsequent und gespickt mit guten Argumenten, wird euch kein Prüfer hinschreiben, dass dies falsch ist. Im Rahmen von Klausurbesprechungen äußern die Korrektoren, die selbst als Richter, Anwälte oder Staatsanwälte tätig sind, oft, dass sie den Weg der Lösungsskizze nicht gewählt hätten. Demnach sind auch andere Lösungswege möglich. Richtig und falsch gibt es in dem Sinne also nicht.
3. Materielles Recht ist nicht mehr so wichtig, denn man kann ja Kommentare benutzen
Nun, ich gebe zu, das dachte ich anfangs auch, wurde jedoch schnell eines Besseren belehrt. Wenn man sich komplett ohne Kommentare durch das Erste Examen manövriert hat, klingt der Gedanke daran, im Zweiten Examen Kommentarliteratur zur Verfügung zu haben, wie ein Traum. Aber wer glaubt, er könne nun einfach alles nachlesen, was ihm von selbst nicht mehr einfällt, liegt falsch. Erstens habt ihr gar nicht die Zeit dazu und zweitens weiß jeder, der den Grüneberg schonmal aufgeschlagen hat, dass man nach einem Blick in den Kommentar manchmal verwirrter ist als vorher.
Kommentare können euer Wissen nicht ersetzen, euch aber die Anhäufung unnützen Detailwissens ersparen. Dinge, die ihr fürs Erste Examen auswendig lernen musstet, obwohl ihr wusstet, dass es höchstwahrscheinlich nicht drankommt, könnt ihr nun im Kommentar nachschlagen. Die Klausursachverhalte sind auch oft gerade dahin ausgelegt, euch bestimmte Stellen im Kommentar finden zu lassen. Jedes Detailproblem kann man nicht kennen und das wird auch nicht erwartet. Hierzu gibt es schließlich die Kommentarliteratur. Diese muss man allerdings auch lernen richtig zu nutzen. Wer nicht weiß, wo er suchen muss, wird es auch nicht finden. Also am besten gleich von Anfang an den Kommentar danebenlegen und immer kurz nachschlagen.
4. Das Referendariat wird wahnsinnig stressig und ihr werdet nur noch arbeiten und lernen
Ok, ganz falsch ist das nicht. Wahrscheinlich sogar recht zutreffend. Aber trotzdem kann ich euch beruhigen: es ist machbar, auch ohne 60 Stunden Woche und Burn-out. In den verschiedenen Stationen bekommt ihr verschiedene Ausbilder, die genau das gleiche „durchgemacht haben“ wie ihr. Die weit überwiegende Zahl fühlt also mit und möchte euch helfen, anstatt euch das Leben noch schwerer zu machen. Ihr werdet Akten zur Bearbeitung bekommen und andere Aufgaben, die eure Zeit in Anspruch nehmen. Aber eben nicht in solchem Maß, dass ihr zu nichts anderem mehr kommt. Selbst wenn ihr mal an einen Ausbilder geratet, der es etwas „zu gut“ mit den von euch zu erfüllenden Aufgaben meint, ist das nicht in jeder Station so.
Wie hoch der Lernaufwand ist, kann man natürlich nicht pauschal beantworten. Das hängt vom eigenen Ehrgeiz und Können ab. Hier muss jeder seinen eigenen Rhythmus finden.
5. Die Klausuren werden viel härter korrigiert – Praktiker verzeihen keine Fehler
Ja und nein. Es kommt auf die Art der Fehler an, die in der Klausur gemacht werden. Fehler bei Formalien (wo kommt das Aktenzeichen hin, Aufbau des Rubrums etc.) sind leider tatsächlich ein großer Minuspunkt. Jemand, der seit Jahr und Tag Urteile schreibt, reagiert allergisch auf solche vermeintlichen Kleinigkeiten, vor allem da derartige Fehler sofort herausstechen (und man sie durch auswendig lernen einfach vermeiden kann). Auch die Grundlagen müssen sitzen, die Korrektoren wollen sehen, dass ihr euer „Handwerkszeug“ wie es immer so schön heißt, beherrscht. Garniert ihr die Klausur dann noch mit überzeugenden Argumenten, ist der Korrektor schon sehr zufrieden. Überzeugend heißt nicht dogmatisch wasserdicht, sondern – platt gesagt – nach gesundem Menschenverstand sinnvoll. Urteile oder Anwaltsschriftsätze schreibt man nicht für Bibliotheken, sondern für Menschen. Was dort drin steht, soll praktisch einen Sinn ergeben. Der Kläger oder Beklagte soll am Ende sagen: Ja, das macht Sinn; auch wenn ich es nicht gut finde, so sehe ich es ein und akzeptiere es. Mit inhaltsleeren Floskeln beeindruckt man hier also (meist) niemanden mehr. Selbst wenn man dann ein paar materielle Probleme übersieht, ist das (solange es nicht der Klausurschwerpunkt ist) nicht so tragisch und es kann dennoch eine gute Note dabei herauskommen.
Ich hoffe euch einen kleinen Überblick über gewisse Mythen und Vorurteile im Hinblick auf das Referendariat gegeben zu haben und wünsche euch bei euren eigenen Erfahrungen und Eindrücken viel Erfolg!
-Jennifer
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