Die wichtigsten Aspekte rund um Silvester, Feuerwerk und Co. für das Erste und Zweite Staatsexamen
Immer wieder schaffen es saisonale Themen rund um Silvester, Weihnachten und Co. sowohl im Ersten Staatsexamen als auch im Assessorexamen in die Examensklausur. Welche Probleme sind hier potenziell klausurrelevant? Anhand einiger Urteile werden die wichtigsten Aspekte beleuchtet, die dich sicher durch den Jahreswechsel führen.
Zivilrecht
Im Zivilrecht drehen sich die Probleme häufig um die Frage, wer haftet, wenn bei dem allseits beliebten Feuerwerk an Silvester Schäden entstehen und welche Verkehrssicherungspflichten müssen beachtet werden.
1. Fehlgehender Feuerwerkskörper führt zu Brand auf Nachbargrundstück
Geht ein ordnungsgemäß gezündeter Feuerwerkskörper fehl und verursacht dadurch auf dem Nachbargrundstück einen schadensträchtigen (Haus-)Brand, möchte der Nachbar Schadensersatz. Diese Klausurkonstellation eignet sich, um neben den klassischen deliktsrechtlichen Ansprüchen den § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog, den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, intensiv abzuprüfen.
Zur analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kommt es, wenn die grundstücksbezogene Störung, also die notwendige rechtswidrige Beeinträchtigung aus tatsächlichen Gründen nicht mit §§ 862, 1004 BGB abgewendet werden kann. Dies ist im Falle des Brandes durch das Eindringen eines Feuerwerkskörpers der Fall und es besteht selbstverständlich auch keine Duldungspflicht des Geschädigten. § 1004 Abs. 1 BGB findet keine Anwendung, da er nach der herrschenden Meinung keine Schadensersatznorm darstellt, sondern lediglich dazu dient, im Vorfeld erkennbare Beeinträchtigungen rechtzeitig abzuwehren oder Störungsquellen zu entfernen. Der Anspruch wäre lediglich zwischen Abschuss der Rakete und Brand durchsetzbar und damit faktisch unmöglich. § 862 BGB ist eine bloße Störungsbeseitigungsnorm und ermöglicht ebenfalls keinen Schadensersatz. Der Kniff in diesem Fall und der Grund, warum der Nachbar dennoch leer ausgeht: Es fehlt am notwendigen Grundstücksbezug. Das beeinträchtigende Verhalten muss der konkreten Grundstücksnutzung zuzuordnen sein und einen unmittelbaren Grundstücksbezug aufweisen. Während ersteres möglicherweise bejaht werden könnte, fehlt es jedoch am sachlichen Grundstücksbezug, da die Silvester-Rakete genau so gut von jedem anderen Ort abgefeuert werden kann.
– BGH, Urteil vom 18. 9.2009 – V ZR 75/08
JurCase informiert:
Wer aufmerksam gelesen hat, wird schnell merken, dass der Geschädigte hier komplette leer ausgeht. Denn aufgrund der sachgerechten Nutzung der Feuerwerksrakete fallen auch Ansprüche aus den §§ 823 ff. BGB aus.
2. Verkehrssicherungspflichten beim Abbrennen von Silvester-Feuerwerk
Die Person, die ein Feuerwerk veranstaltet, hat grundsätzlich hohe Verkehrssicherungspflichten einzuhalten und damit zu garantieren, dass keine andere Person zu Schaden kommt. Wichtig ist etwa, einen sicheren Standort für die Raketen zu wählen. Wird eine unbeteiligte Person am Silvesterabend dennoch verletzt, müssen die Anforderungen an die Voraussicht und Sorgfalt an denjenigen, der das Feuerwerk gezündet hat, streng überprüft werden. Diese Konstellation eignet sich in der Klausur gut, da der Umfang und die Beachtung von Verkehrssicherungspflichten mit guten Argumenten durch den Kandidaten abgewägt werden müssen. Erstaunlich ist hier, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass in der Silvesternacht die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern herabgesetzt ist. Denn es ist grundsätzlich zulässig und üblich, nicht erlaubnispflichtige Feuerwerkskörper abzubrennen. An dieser Tradition ist der Haftungsmaßstab zu messen. So bedarf es keiner Vorkehrungen zum Schutz von Zuschauern vor den normalen Gefährdungen, die über die ordnungsgemäße Bedienung der Feuerwerkskörper unter der Beachtung der Gebrauchsanleitung der Hersteller hinausgeht. Ein Feuerwerkszuschauer richtet sich an Silvester auf mögliche Gefährdungen ein, sofern sie nicht aus völlig unerwarteten Richtungen kommen. Dieser verringerte Maßstab der Verkehrssicherungspflichten sollte in der Klausur sauber herausgearbeitet werden. Voraussetzung ist aber natürlich immer die sorgfältige Handhabung der Knaller – ansonsten kommt es zur normalen verschuldensabhängigen Haftung.
Ebenso ist einem Geschädigten übrigens in Form des Mitverschuldens zuzurechnen, wenn er in der Silvesternacht Kleidung aus synthetischen und somit leicht brennbaren Stoffen trägt.
– BGH, Urteil vom 09.07.1985 – VI ZR 71/84
– LG Magdeburg, Urteil vom 18.04.2002 – 9 O 1891/01
– OLG Jena, Urteil vom 23. 10. 2007 – 5 U 146/06
3. Die elterliche Aufsichtspflicht
Die Prüfungsämter lieben Fälle mit Tieren ebenso wie mit Kindern, sodass sich die Frage stellt, wie weit die Aufsichtspflicht der Eltern gemäß § 1626 Abs. 1 BGB reicht, wenn das minderjährige Kind selbstständig Feuerwerkskörper abbrennt. So stellt sich die Frage zur Haftung der Eltern, wenn sie ihrem 7-jährigen Kind das Entzünden – ihrer Ansicht nach – altersgerechten Feuerwerks erlauben, der Knaller noch in der Hand des Kindes explodiert und durch die Druckwelle ein Freund des Kindes erhebliche Verletzungen im Gesicht erleidet. Das Gericht sprach dem Geschädigten einen Schadensersatzanspruch aus §§ 832 Abs. 1 BGB gegen die Eltern des Kindes zu. § 832 Abs. 1 S. 2 BGB enthält eine Beweislastregel, die zur Beweislastumkehr führt, die Eltern müssen also die Vermutung der Verletzung einer Aufsichtspflicht widerlegen. Wie weit die Aufsichtspflicht der Eltern geht, ergibt sich aus den konkreten Umständen wie Alter, Eigenart und Charakter sowie der Voraussehbarkeit eines schädigenden Verhaltens und danach, was verständige Eltern in der konkreten Situation zur Schadensvermeidung treffen müssen. Danach darf einem 7-jährigen Kind das Zünden von Feuerwerkskörpern auch nicht unter Aufsicht erlaubt werden. Der Umgang mit Feuerwerk ist für Kinder in diesem Alter ungeeignet. Auch auf ein striktes Verbot, das Feuerwerk nicht ohne die Eltern zu zünden, können sich die Eltern nicht berufen, da in diesem Alter kein Verlass darauf besteht, dass ein Verbot eingehalten wird. Ebenso widerspricht es der Gefährlichkeit von Feuerwerken, diese zunächst in der Hand zu zünden.
– OLG Schleswig, Urteil vom 12. 11. 1998 – 5 U 123–97
Öffentliches Recht
Neben dem Zivilrecht finden sich die meisten examensrelevanten Fragestellungen im öffentlichen Recht. Oft müssen extra für Silvester gefasste Verordnungen im Eilverfahren auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden.
1. Verkaufsverbot von Feuerwerk
Anlässlich der Covid-19 Pandemie war der Verkauf von Feuerwerkskörper sowohl im Dezember 2020 als auch im Dezember 2021 untersagt. Dies sorgte an manchen Orten für Unruhen und es gingen zahlreiche Eilanträge bei den Gerichten ein.
Im Rahmen der Folgenabwägung, welche sich im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO an dem Erfolg der Hauptsache orientiert, haben die Gerichte durchaus unterschiedlich entschieden. Schwerpunkt in einer solchen Klausur ist somit die detaillierte Auswertung des Sachverhalts oder der Akte sowie gute Argumentation. Es gilt, die (abgedruckte) Coronaschutzverordnung genau zu untersuchen. Gestützt wird das Verkaufsverbot grundsätzlich auf §§ 28 Abs. 1 S. 1, 28a Abs. 1 IfSG. Der Sinn und Zweck des Verbots wird regelmäßig damit begründet, dass die Krankenhäuser entlastet werden sollen. Denn es sei nicht unüblich, dass eine größere Menge an Menschen aufgrund von Feuerwerksverletzungen am 31.12. zu erhöhter Belastung in Krankenhäusern führt. Weiterhin sollen auch größere Menschenansammlung, bei welchen es zur Übertragung des Virus kommt, vermieden werden.
Während etwa das OVG Berlin einen entsprechenden Eilantrag mit der genannten Begründung abgelehnt hat, entschied der VGH München 2020 gegen das Verkaufsverbot. Es sei fraglich, ob tatsächlich eine konkrete Gefahr des Zusammenbruchs der Gesundheitsversorgung bestehe, und die geltenden Kontaktverbote reichten zur Verhinderung großer Menschenansammlungen aus. Dies macht deutlich, wie wichtig in der Klausur die Untersuchung des konkreten Falls und die Bewertung der Beteiligtenvorträge ist.
– VGH München, Entscheidung vom 29.12.2020 – 20 CS 20.3139
– OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.12.2021, Az. OVG 6 S 59/21, 60/21 u. 61/21
JurCase informiert:
In eine solche Klausur lässt sich auch eine Überprüfung des § 28a IfSG mit seiner Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz gut einbauen. Ebenso die Frage, ob ein Verkaufsverbot überhaupt einfach in einer Verordnung angeordnet werden darf (Stichwort: Wesentlichkeitstheorie).
2. Sperrungen von Straßen an Silvester
Findet dann doch einmal wieder öffentliches Feuerwerk statt, kommt es in vielen Städten zu vorrübergehenden Sperrungen von Straßen oder Brücken. Fraglich ist dann, ob solche Verordnungen mit der (landesrechtlichen) Verfassung im Einklang stehen können. Es folgt eine typische Rechtmäßigkeitsprüfung, beginnend mit einer Anspruchsgrundlage (etwa Art. 23 LV Bayern). Gerügt wird dann vom Antragsteller möglicherweise eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, da ihm die Teilnahme an einer Silvester-Feier auf der jeweiligen Straße oder Brücke verboten wird. Hier muss im Rahmen der Begründetheit abgewägt werden, wie stark die Einschränkung des Grundrechts wirkt und was die Antragsgegnerin mit der Verordnung bezweckt. Sinn und Zweck sind oft das Vermeiden großer Menschenmengen an unübersichtlichen Stellen, an denen es bei unkontrolliertem Entzünden von Feuerwerk schnell zu Verletzungen kommen kann. Auch können Fluchtwege nicht zugänglich sein und Fluchtreaktionen alkoholisierter Menschen können Unbeteiligte mitreißen und verletzen. Wie in allen öffentlich-rechtlichen Klausuren ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Kern der Klausur. Dabei sollte vor allem die Erforderlichkeit genauestens geprüft und mildere Mittel in Erwägung gezogen werden.
– BayVerfGH, Entscheidung vom 29.10.2018 – Vf. 21-VII-17
Fazit
Die Aktualität der Coronapandemie macht es notwendig, sich einmal mit dem Verkaufsverbot von Feuerwerk zu beschäftigen. Im Übrigen lassen sich auch zivilrechtlich weitere Probleme finden und in Klausuren einbauen, etwa die Frage, ob Feuerwerk Kinderspielzeug sein kann und somit im Spielwarengeschäft verkauft und gelagert werden darf.