Meine Anhörung in der Untersuchungshaft
Ok, ich gebe zu, der Titel scheint auf den ersten Blick etwas irritierend. Ich darf dich beruhigen und mitteilen, dass ich nicht in Untersuchungshaft sitze. Ich bin jetzt noch einen Monat bei der Staatsanwaltschaft und durfte als Referendar an der Anhörung eines Untersuchungshäftlings teilnehmen.
„Haben Sie nächste Woche kurzfristig Zeit?“ fragte mich die Staatsanwältin. „Ich habe da eine Anhörung eines Untersuchungshäftlings“. Na klar! Da war ich natürlich sofort dabei. Warum ich nach dem Tag erstmal ein wenig „traumatisiert“ war, möchte ich mit dir in diesem Beitrag teilen.
Fluchtgefahr und Wiederholungsgefahr
Wie du sicher weißt, bedarf es für die Anordnung der Untersuchungshaft mehrerer Voraussetzungen (vgl. § 112 StPO). Eine Voraussetzung ist, dass ein sogenannter Haftgrund besteht. In diesem Fall ging es um einen Beschuldigten, der gewerbsmäßig mit Betäubungsmitteln gehandelt haben soll. Ein fehlender fester Wohnsitz, keine deutsche Staatsbürgerschaft und die Anzahl der vielen Taten, sprachen nicht wirklich für ihn. Daher wurde auch die U-Haft wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr gegen ihn angeordnet. In Abständen von 6 Monaten hat von Gesetzes wegen eine Anhörung stattzufinden, um zu schauen, ob die Haftgründe noch bestehen (und die Haft noch verhältnismäßig ist), vgl. §§ 121,122 StPO.
Bis dahin war mir alles in der Theorie bekannt und es schien an sich keine große Sache zu sein. Dass sich in der Praxis aber immer wieder kuriose Szenen abspielen, habe ich ja bereits in einem anderen Beitrag erzählt.
Passiert das gerade wirklich?
Wie man sicherlich verstehen kann, ist so eine Untersuchungshaft ein besonders gewichtiger Eingriff in die Grundrechte und nimmt einen Menschen emotional auch mit. Zwar hat mich meine Ausbilderin bei dem Beschuldigten ein wenig „vorgewarnt“, allerdings hätte ich von einem organisiert agierenden und gewerbsmäßig handelnden (tatverdächtigen) Drogendealer folgendes Szenario sicherlich nicht erwartet:
Nach nochmaligem Vortrag des Tatvorwurfs und der Erläuterung des Verteidigers fing der Beschuldigte wie aus dem Nichts an zu weinen und bat darum einen mehrseitigen „Entschuldigungsbrief“ zu verlesen. Auch der Anwalt war etwas irritiert und konnte seinen Mandanten kaum beruhigen. Als der Beschuldigte dann auf allen Vieren auf den Boden kroch, wurde es auch der Richterin zu viel und sie wies ihn zurecht. Es ging hoch her und in keinem mir bekannten Lehrbuch findet sich, wie man dann mit so einer Situation umgehen soll.
Die mehrmalige Entschuldigung und das Versprechen des Beschuldigten, er werde „nie wieder mit Drogen dealen“, änderte am Ende jedoch leider nichts an der Entscheidung, dass die Haftgründe weiterhin bestehen und die U-Haft auch verhältnismäßig ist.
Der Beschuldigte versuchte dann noch zu erreichen, dass ihm seine Versichertenkarte ausgehändigt wird, die beschlagnahmt wurde. Der Verteidiger versprach, sich darum zu kümmern und war dann auch genauso schnell wieder weg.
Viele Eindrücke an einem Tag
Etwas hat mich dieser Tag dann doch gelehrt: Man kann sich so viel Lehrbuchwissen aneignen, wie man will, aber auf bestimmte Situationen kann man sich einfach nicht vorbereiten. Im Studium und auch im Referendariat lernen wir dann doch immerzu trocken die §§ und die Voraussetzungen von lebenseinschneidenden Maßnahmen. Zu selten hat man vor Augen, wie einschneidend solche Maßnahmen für einen Menschen sein können. Gleichzeitig muss aber natürlich ausreichend professionelle Distanz bestehen, um den Sachverhalt juristisch korrekt zu bewerten. In jedem Fall aber hat mich dieser Tag dann noch Zuhause zum Nachdenken angeregt.
Fazit
Ich war schlussendlich froh, an dieser Anhörung teilgenommen zu haben und würde jedem Referendar und jeder Referendarin raten, aktiv auf seinen Ausbilder zuzugehen und auf solche Anhörungen anzusprechen. Manchmal hat man gute Ausbilder, die einem selbst solche Vorschläge machen und einen mitnehmen. Das ist jedoch nicht immer so. Wer sein Referendariat abwechslungsreich gestalten will, sollte daher selbst aktiv werden und gezielt nachfragen, ob etwas „spannendes“ ansteht. So darf ich die nächste Woche etwa bei einer Hausdurchsuchung der Polizei teilnehmen. Wie diese ablief, erfährst du dann in meinem nächsten Beitrag!
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