Grundlagen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
Die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) regelt den prozessualen Teil des Verwaltungsgerichtsprozesses. In der Klausur wird hier vor allem auch auf die Vorschriften zu den verschiedenen Klagearten zurückgegriffen, weshalb diese hier dargestellt werden sollen.
Der Zugang zum Verwaltungsrecht
Damit die VwGO einschlägig ist, muss eine deutsche Verwaltung am Sachverhalt beteiligt sein. Unter der öffentlichen Verwaltung versteht man eine bestimmte Tätigkeit des Staates oder eines anderen Trägers der öffentlichen Gewalt. Eine Eingriffsverwaltung liegt vor, wenn auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechtes eine ordnende, die Gefahr für die Bürger abwehrende Maßnahme vorgenommen wird. Von der Leistungsverwaltung spricht man, wenn die Verwaltung eine zur Daseinsvorsorge des Bürgers gehörende Infrastruktur zur Verfügung stellt oder ihm sonstige für notwendig erachtete Leistungen anbietet (z. B. Wasser oder Gasversorgung).
Danach muss unterschieden werden, ob ein Verwaltungsakt oder ein Realakt Klagegegenstand ist. Ein Verwaltungsakt ist in § 35 S. 1 VwVfG legaldefiniert und ist somit „jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.“ Ein Realakt liegt hingegen vor, wenn es sich um schlichtes Verwaltungshandeln handelt, also um eine auf den tatsächlichen Erfolg gerichtete Willensbetätigungen, die kraft Gesetzes eine bestimmte Rechtsfolge auslösen.
Beide führen zu Klagen im Verwaltungsrecht, allerdings zu unterschiedlichen prozessualen Klagevorschriften.
Die wichtigsten Klagearten
Die Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, hat zum Ziel die Aufhebung eines belastenden, unerledigten Verwaltungsaktes. Die Klagebefugnis liegt vor, wenn der Kläger der Adressat des Verwaltungsaktes (sogenannte Adressatentheorie, Betroffenheit von Art. 2 Abs. 1 GG, allgemeine Handlungsfreiheit) ist oder wenn eine mögliche Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts vorliegt. Der Klagegegner ist der Rechtsträger der handelnden Behörde, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
Die Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, hat als Klageziel die Erlangung eines begünstigenden Verwaltungsaktes, den die Behörde entweder verweigert oder unterlassen hat, z. B. auf Erteilung einer Baugenehmigung. Die Klagebefugnis ergibt sich aus der möglichen Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Klägers. Die Klage richtet sich ebenfalls gegen den Rechtsträger der handelnden Behörde.
Die allgemeine Leistungsklage ist nicht direkt geregelt, wird aber in den §§ 43 Abs. 2, 111, 113 Abs. 4 VwGO erwähnt. Sie hat als Ziel die Erlangung oder das Unterlassen eines Realaktes oder einer verwaltungsrechtlichen Willenserklärung. Hier ist eine Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Handlungsformen erforderlich im Rahmen des Verwaltungsrechtsweges. Die Leistungsklage richtet sich gegen schlicht-hoheitliches Handeln. Es gibt hier keine Klagefrist und es gilt das Rechtsträgerprinzip, also ist die Klage gegen den Rechtsträger der handelnden Behörde zu richten.
Die Feststellungsklage, § 43 VwGO, hat zum Ziel eine verbindliche Aussage über ein Verhältnis des Klägers zu einer bestimmten Behörde in einer bestimmten Angelegenheit zu erreichen, z. B. die Feststellung der Genehmigung einer Tätigkeit. Dazu ist ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis erforderlich. Es muss ein Feststellungsinteresse rechtlicher, wirtschaftlicher, tatsächlicher oder ideeller Art vorliegen. Es gilt keine Klagefrist und der Klagegegner richtet sich nach dem Rechtsträgerprinzip.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist gegen einen ergangenen belastenden Verwaltungsakt oder einen abgelehnten begünstigenden Verwaltungsakt statthaft. Die Belastung ergibt sich nach der Klageerhebung, aber noch vor dem Urteil. Tritt die Belastung durch das erledigte Ereignis vor der Klageerhebung ein, so ist die Anspruchsgrundlage analog anzuwenden. Bei einer Analogie wird die Norm auf einen Bereich ausgedehnt, der von ihr nicht direkt erfasst ist.
Ein Beispiel ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Platzverweises.
JurCase informiert:
Es muss ein besonderes Feststellungsinteresse vorliegen, wie eine Wiederholungsgefahr, ein Rehabilitationsinteresse, eine Schadensersatzklage oder die Verletzung von Grundrechten vorliegen. Es gilt grundsätzlich keine Frist und die Klage ist gegen den Rechtsträger zu richten.
Weiterhin kann eine verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO angewandt werden, deren Ziel die Überprüfung von Rechtsvorschriften ist. Es kann zum Beispiel eine Satzung, wie ein Bebauungsplan, angegriffen werden. Zur Klagebefugnis muss die Möglichkeit einer aktuellen oder zukünftigen Rechtsverletzung vorliegen. Die Klagefrist beträgt 1 Jahr und ist gegen den Satzungsgeber zu richten.
Klausurenklassiker: Vorläufiger Rechtsschutz
Sehr wichtig sind auch die Regelungen zum vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO und die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO. Der vorläufige Rechtsschutz wird auch das Eilverfahren genannt, denn dort kann schnell gegen einen Verwaltungsakt oder eine Regelung vorgegangen werden. Es muss kein langwieriger Gerichtsprozess geführt werden, allerdings sind die Entscheidungen auch noch im Hauptsacheverfahren angreifbar und abänderbar. Dies führt dazu, dass diese Verfahren eine gewisse Unsicherheit für den Kläger bieten, denn im folgenden Hauptsacheverfahren (manchmal viel später), kann sich die Rechtsprechung ändern. Der Vorteil ist jedoch, dass durch dieses verkürzte Verfahren schneller Entscheidungen herbeigeführt werden können, z. B. wenn das Ereignis in unmittelbarer zeitlicher Nähe bevorsteht.
JurCase informiert:
Im Zweiten Staatsexamen ist es üblich, dass nicht nur ein verwaltungsgerichtliches Urteil entworfen werden muss, sondern auch ein Beschluss zum vorläufigen Rechtsschutz. Einen Erfahrungsbericht mit Tipps für die Urteilsklausur findest du hier. Einen Überblick, wie ein verwaltungsgerichtlicher Beschluss in der Klausur zu schreiben ist, findest du hingegen hier.
Fazit
Die VwGO hält etliche prozessuale Vorschriften bereit, die teilweise auch aufeinander aufbauen und daher in der Klausur vollumfänglich bekannt sein sollten. Der einstweilige Rechtsschutz ist durch seinen besonderen Aufbau besonders beliebt, denn hier sind auch einige Meinungsstreitigkeiten angesiedelt. Gerade, wenn der Kläger „schnelle Hilfe“ sucht, oder eine zeitliche Not besteht, ist an die verkürzten Verfahren zu denken.
JurCase informiert:
Während im Straf- und Zivilrecht für das Referendarsexamen hauptsächlich materiell-rechtliche Probleme erlernt werden und das notwenige Prozessrecht erst im Referendariat vertieft wird, kommst du im Öffentlichen Recht schon während deiner Unizeiten mit dem Prozessrecht der VwGO in Kontakt. Zur Vertiefung soll der Beitrag Basiswissen VwGO: Die Verwaltungsgerichtsordnung im Zweiten Staatsexamen die relevantesten Normen aus der Verwaltungsgerichtsordnung für das Assessorexamen darstellen.