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Grundwissen Strafprozessordnung (StPO)

By 7. Juli 2021Oktober 11th, 2023No Comments
Strafrecht

Grundwissen Strafprozessordnung (StPO)

Die Strafprozessordnung regelt den prozessualen Teil des Strafverfahrens. Die Regelungen der StPO basieren auf Verfahrensgrundsätzen, die immer einzuhalten sind. Darüber hinaus gibt es einige Klassiker, die oft in Klausuren vorkommen. Insoweit soll es in diesem Beitrag auch um die Besetzung der Strafgerichte und deren Zuständigkeit sowie um Beweisverwertungsverbote gehen.

Verfahrensgrundsätze

Die Grundsätze des Strafverfahrens werden auch als Prozessmaximen bezeichnet.

Hier ist zunächst das Akkusationsprinzip zu nennen, welches in § 151 StPO geregelt ist und auch als Anklagegrundsatz bezeichnet wird. Es besagt, dass es einer Anklage bedarf, um eine strafrechtliche Hauptverhandlung durchführen zu können.

JurCase informiert:

Ein Merksatz dazu lautet: „Wo kein Kläger, da kein Richter!“

Ein weiterer Grundsatz ist das Offizialprinzip aus § 152 Abs. 1 StPO, welches auch Amtsgrundsatz genannt wird. Dies besagt, dass die Strafverfolgungsbehörden (insbesondere ist hier die Staatsanwaltschaft gemeint), von Amts wegen tätig werden, d. h. es muss sie niemand dazu auffordern. Die Wahrheitsforschung ist dabei vom Untersuchungsgrundsatz nach §§ 155 Abs. 2, 160 Abs. 2 StPO zu beachten und vom Amts wegen angelegt. Damit verknüpft ist das Legalitätsprinzip aus §§ 152 Abs. 2, 160 StPO. Es sagt aus, dass Polizei und Staatsanwaltschaft tätig werden müssen, wenn es Anhaltspunkte für eine Straftat gibt. Eine Ausnahme dazu stellt das Opportunitätsprinzip aus §§ 153 ff. StPO dar. Auch wenn es diese Anhaltspunkte für eine Straftat gibt, kann das Verfahren eingestellt werden, zum Beispiel wegen Geringfügigkeit der Tat.

Weiterhin ist der Unmittelbarkeitsgrundsatz zu beachten, vgl. § 250 S. 2 StPO. Dieser ordnet an, dass das Gericht die für die Urteilsfindung bedeutenden Tatsachen selbst feststellen muss und dazu die originären Beweismittel wählen muss, zum Beispiel, dass ein Zeuge persönlich vor Gericht erscheinen muss. Es gibt dazu einige Ausnahmen in §§ 251, 253 – 256 StPO.

In der Hauptverhandlung muss nach dem Öffentlichkeitsgrundsatz nach § 169 GVG grundsätzlich die Öffentlichkeit zugelassen werden. In der Verhandlung gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 261 StPO. Das Gericht entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme frei, nach eigener Überzeugung und ist nicht an Anträge der Prozessbeteiligten gebunden. Dabei hat der Angeklagte einen Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, das bedeutet, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Für den Angeklagten gilt erstmal das Prinzip in dubio pro reo nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. Es wird erst einmal die Unschuld vermutet und wenn auch nach abgeschlossener Beweiswürdigung noch Zweifel an der Schuld bestehen, muss im Zweifel die für ihn günstigere Rechtsfolge, z. B. der Freispruch, erfolgen. Damit verbunden ist der Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare, die Selbstbelastungsfreiheit. Niemand darf gezwungen werden, sich selbst anzuklagen. Das ist auch Ausdruck des fairen Verfahrens gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. Er stellt eine Waffengleichheit zwischen einem Angeklagten und der Strafverfolgungsbehörden her.

Die Verfahrensregelungen des Strafprozesses basieren auf diesen Prinzipen, die StPO regelt jedoch auch viele Sonderfälle von Vernehmungen über Überwachungen bis zum strafrechtlichen Deal. Hier sind auch gerade Änderungen zu beachten, die gemacht werden, um die StPO den neusten technischen Entwicklungen anzupassen, wie z. B. § 100a Abs. 1 S. 2 StPO zur Telekommunikationsüberwachung (sogenannter „Staatstrojaner“).

Die Besetzung der Gerichte und die richtige Instanz

Der Instanzenzug regelt, welche Gerichte in Strafsachen zuständig sind. Im Instanzenzug gibt es vier sachlich zuständige erstinstanzliche Gerichte. Beginnend beim Amtsgericht, nach §§ 24, 25 GVG ist dort der Strafrichter zuständig, nach §§ 24, 28, 29 GVG ist auch ein Schöffengericht möglich. Das Schöffengericht besteht grundsätzlich aus einem Richter und zwei ehrenamtlichen Schöffen.

JurCase informiert:

Die Staatsanwaltschaft kann gemäß § 29 Abs. 2 GVG einen Antrag stellen, wonach bei Stattgabe des Antrags ein zweiter Richter beim Schöffengericht hinzugezogen werden kann. Dies ist jedoch nur möglich, wenn dessen Mitwirkung nach dem Umfang der Sache notwendig erscheint. In jedem Fall sollte diese Möglichkeit im Zweiten Staatsexamen bei geeigneten Fällen im Rahmen der Zweckmäßigkeit angesprochen werden.

In der ersten Instanz kann ferner das Landgericht zuständig sein. Hier gibt es die große Strafkammer, § 74 Abs. 1 GVG (bestehend aus zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen) und das Schwurgericht, § 74 Abs. 2 GVG (bestehend aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen). Darüber hinaus kann auch das Oberlandesgericht erstinstanzlich tätig werden in den Fällen des § 120 GVG, hier sitzen dann drei Berufsrichter (in Ausnahmefällen sogar fünf).

Gegen Urteile vom Strafrichter und dem Schöffengericht ist nach § 312 StPO die Berufung möglich zur kleinen Strafkammer am Landgericht, § 74 Abs. 3 GVG. Danach kann eine Revision nach § 333 StPO zum Oberlandesgericht gehen, § 122 Abs. 1 GVG. Auch eine Sprungrevision vom Amtsgericht zum Oberlandesgericht ist möglich, § 335 StPO. Eine Berufung ist aus dem Landgericht- oder Oberlandesgerichtsprozess nicht möglich, sondern eine Revision zum BGH ist einschlägig, § 135 GVG.

Beweisverwertungsverbote

Es kann zu Fällen kommen, in denen Beweise nicht verwertet werden können bzw. dürfen. Man unterscheidet zwischen absoluten und relativen Beweisverwertungsverboten. Absolute Beweisverwertungsverbote werden zweistufig geprüft, zunächst ob ein Beweiserhebungsverbot vorliegt, dann ob daraus auch ein Beweisverwertungsverbot folgt. Beweiserhebungsverbote sind im Gesetz normiert und verbieten die Erhebung zu Themen des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung oder die Anwendung bestimmter Methoden. Die so gewonnenen Erkenntnisse können im Prozess nicht verwendet werden. Ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot liegt vor, wenn die Erkenntnisse unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Erlangung im Prozess nicht verwendet werden dürfen, diese werden ausdrücklich normiert oder aus Grundrechten hergeleitet. Bei unselbstständigen Beweisverwertungsverboten muss zunächst die Maßnahme rechtswidrig sein und danach wird die Verwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse geprüft, z. B. bei Missachtung eines Richtervorbehaltes oder fehlerhafter Belehrung. Aus der Rechtswidrigkeit folgt hier nicht unmittelbar die Unverwertbarkeit, sondern es stellt die Ausnahme dar, die sachlich begründet werden muss.

In § 136a Abs. 1 StPO werden absolute Beweiserhebungsverbote bezüglich der Vernehmungsmethoden normiert. Daraus folgt nach § 136a Abs. 3 S. 2 StPO ein Beweisverwertungsverbot. Relevant werden können im Rahmen von sogenannten Lauschangriffen auf Wohnungen die absoluten Beweisverwertungsverbote aus §§ 100c, 100d StPO.

Fazit

Das hier dargestellte Grundwissen ist im Ersten Staatsexamen vor allem in der Mündlichen Prüfung zu wissen. Zum Teil wird es mittels Zusatzfragen aber auch in den schriftlichen Klausuren geprüft. Im Zweiten Staatsexamen ist dieses Grundwissen Pflicht, denn Beweisverwertungsverbote sind regelmäßig Prüfungsthema in den schriftlichen Klausuren sowie im strafrechtlichen Aktenvortrag. Bei der Anklageerhebung dürfen Fehler in der Zuständigkeit des Gerichts nicht begangen werden. Die Prozessmaximen sind vor allem bei Revisionsklausuren zu diskutieren.

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Beitragsautor:

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie absolvierte nach ihrem Jurastudium ein Auslandsstudium in Aberdeen für den Master of Laws (LL.M.). Zu Beginn ihrer Tätigkeit bei uns schrieb sie hauptsächlich über das Studium. Im Anschluss dessen berichtete sie von ihrem Masterstudium. Außerdem leistete sie einen maßgeblichen Beitrag für unsere #Gewusst-Reihe.

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