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Gewusst

Fifty-fifty! – Provisionsanspruch des Maklers aus Doppeltätigkeit (I ZR 185/22)

By 12. August 2024No Comments
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#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer

Moin zusammen,
heute empfehle ich ein Urteil des I. Zivilsenats vom 21. März 2024, in dem es um die Fragen geht, unter welchen Voraussetzung ein Immobilienmakler von beiden Kaufvertragsparteien eine Provision verlangen kann und ob der Käufer einen Anspruch hat, dass ihm der Makler die Vereinbarung mit dem Verkäufer vorlegt. Die Entscheidung ist durchaus umfangreich, enthält aber viele examensrelevante Probleme, u.a. geht es um die ausnahmsweise Klageabweisung bei Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts.

JurCase informiert:

Das Urteil des I. Zivilsenats vom 21.03.2024 – I ZR 185/22 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was ist passiert?

Die Klägerin, ein Maklerunternehmen, erhielt im Juli 2020 vom Verkäufer einen Verkaufsauftrag für eine Doppelhaushälfte. Sie erstellte ein Exposé, welches einen Hinweis auf die jeweils vom Verkäufer und Käufer zu zahlende Maklercourtage in Höhe von 3,57 Prozent des Verkaufspreises enthielt.

Am 10. Februar 2021 schlossen der Beklagte und die Klägerin einen Kaufinteressent-/Maklervertrag, in dem die Provision für den Erwerbsfall mit 3,57 Prozent festgelegt wurde und der in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Hinweis auf die Zulässigkeit einer Doppelmaklertätigkeit enthielt.

Am 12. März 2021 erwarb der Beklagte von den Mitgliedern einer Erbengemeinschaft als Verkäufer die Immobilie zu einem Kaufpreis von 1,28 Mio. Euro.

Am 19. April 2021 stellte die Klägerin dem Beklagten eine Rechnung in Höhe von 45.696 Euro für den Nachweis beziehungsweise die Vermittlung der Gelegenheit zum Abschluss des Immobilienkaufvertrags. Der Beklagte verweigerte die Zahlung.

Der Beklagte forderte die Klägerin per E-Mail auf, ihm nachzuweisen, dass alle die Klägerin betreffenden Vorschriften nach §§ 656a, 656b, 656c und 656d BGB erfüllt seien und forderte mit mehreren anwaltlichen Schreiben eine Offenlegung des Maklervertrags mit der Käuferseite. Eine solche Offenlegung erfolgte nicht. Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 7. Juli 2021 das Datum des Abschlusses des Maklervertrags mit der Verkäuferseite, Provisionssatz, Rechnungsstellung und Geldeingang ohne Vorlage der entsprechenden Unterlagen mit.

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von Maklerprovision in Höhe von 45.696 Euro nebst Zinsen mangels Erfüllung der Urkundenvorlagepflicht durch die Klägerin als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung dieser Provision nebst Zinsen verurteilt.

Mit der vom BGH zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Worum geht es?

Gemäß § 654 BGB darf der Makler grundsätzlich nicht für beide Parteien tätig werden. Hiervon gibt es jedoch in § 656c Abs. 1 S. 1 BGB eine Ausnahme für den Fall, dass der Käufer Verbraucher ist (§ 656d BGB). Danach darf der Makler für Käufer und Verkäufer eines Einfamilienhauses bzw. einer Eigentumswohnung gleichzeitig tätig werden (sog. Doppeltätigkeit), muss dabei aber den Maklerlohn mit beiden zu gleichen Teilen vereinbaren. Weicht der Maklervertrag hiervon ab, ist er unwirksam (Abs. 2 S. 1). Da § 654 BGB unberührt bleiben soll (Abs. 2. S. 2), muss der Käufer Kenntnis von der Doppeltätigkeit des Maklers haben.

Der BGH hatte zahlreiche Fragen zu beantworten:

  • Ist eine Doppelhaushälfte ein Einfamilienhaus?
  • Ist § 656c BGB auch dann zeitlich anwendbar, wenn der Maklervertrag mit dem Verkäufer bereits vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossen war.
  • Inhaltlich ging es um das Verständnis des § 656c Abs. 1 S. 1 BGB: War es zulässig, dass die Klägerin mit beiden Kunden jeweils die hälftige Provision vereinbart hatte, oder hätte sie mit dem Verkäufer die volle Provision vereinbaren müssen, von der sodann der Beklagte die Hälfte übernommen hätte? Die zweite Ansicht wird im Schrifttum vor allem deshalb vertreten, weil nur so gewährleistet werden könne, dass die Summe beider Provisionen die einer marktüblichen Courtage nicht übersteigt.
  • Sodann geht es um die streitige Frage, ob der Beklagte gegen die Klägerin einen Anspruch auf Auskunft über den Inhalt des Maklervertrages mit dem Verkäufer hat.
  • Über diese Auskunft hinaus begehrt der Beklagte die Vorlage dieses Maklervertrages. Der BGH prüft hier einen Anspruch aus § 810 Fall 2 BGB.
  • Es bleibt auch bis zum Schluss interessant, wenn der BGH aus diesem Anspruch auf Vorlage des Vertrages ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten herleitet, das ausnahmsweise nicht nur zur Zug-um-Zug-Verurteilung führe, sondern zur Klageabweisung, weil dieser Gegenanspruch der Überprüfung diene, ob der geltend gemachte Hauptanspruch überhaupt besteht.

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

  • Du könntest die Entscheidung nutzen, dir einen allgemeinen Überblick über das Maklerrecht zu verschaffen. Hierzu gibt es bspw. zwei (ältere) Beiträge von Althammer (JuS 2006, 594) und Weishaupt (JuS 2003, 1166).
  • Um die Wirkungsweise eines Zurückbehaltungsrechts im Prozess ging es schon hier (unter „Und sonst?“). Im vorliegenden Verfahren droht der Klägerin statt einer Zug-um-Zug-Verteilung sogar die Klageabweisung. Sie wäre deshalb gut beraten, die Gegenforderung auf Herausgabe des Maklervertrages mit der Verkäuferin noch im Laufe des Verfahrens zu erfüllen. Da die Klage wohl nicht nur „als zur Zeit unbegründet“ abgewiesen werden soll (Rn. 68), wäre die Klägerin andernfalls nicht berechtigt, später erneut Klage zu erheben.
  • Auch die eher unbekannten Normen der §§ 809 ff. BGB lohnen einen gelegentlichen Blick.

Und sonst?

Die Entscheidung eignet sich für ein paar ergänzende Ausführungen zum Auskunftsanspruch:

  • Ist der Anspruch nicht gesetzlich geregelt, kann er sich aus § 242 BGB ergeben. Hierzu der BGH (Rn. 48): „In Fällen, in denen ein Recht auf Auskunft gegenüber dem Verpflichteten die Rechtsverfolgung in hohem Maße erleichtert, oft überhaupt erst möglich macht, ist – auch ohne Vorliegen eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses – nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dem Berechtigten ein Anspruch auf Auskunft bei Rechtsverhältnissen zu gewähren, deren Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer solche Auskunft zu erteilen und dadurch nicht unbillig belastet wird.“
  • Verweigert der Schuldner die Erfüllung einer titulierten Auskunftspflicht, erfolgt die Vollstreckung nach § 888 ZPO. Der Gläubiger muss beim Prozessgericht die Verhängung eines Zwangsgeldes beantragen, das nicht zuvor angedroht werden muss (anders als das Ordnungsgeld, § 890 ZPO).
  • Aber Achtung: Der Auskunftsanspruch ist nicht erst dann erfüllt, wenn der Gläubiger die Auskunft für richtig hält. Es genügt, wenn der Schuldner (konkludent) erklärt, dass die Auskunft vollständig erteilt worden sei, und dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll. Hat der Gläubiger Zweifel, dass die ihm erteilte Auskunft richtig ist, muss er den Schuldner bspw. unter den Voraussetzungen der §§ 259, 260 BGB auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in Anspruch nehmen. Die Vollstreckung eines entsprechenden Titels richtet sich nach § 889 ZPO.
  • Benötigt der Gläubiger die Auskunft, um einen Zahlungsanspruch zu beziffern, sollte er Stufenklage nach § 254 BGB erheben, weil er nur so auch die Verjährung des Zahlungsanspruchs hemmen kann (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Hierum ging es bereits in diesem Beitrag.

Und nicht vergessen: Schreib regelmäßig Übungsklausuren!

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Beitragsautor:

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer ist Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Dozent und Autor. In seinem LinkedIn-Newsletter präsentiert er examensrelevante BGH-Entscheidungen im Zivilrecht und vieles mehr für Studium und Referendariat. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Büßer findest du auch bei JurCase!

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