Ein Erfahrungsbericht zu: Anwaltsstation vs. schriftliche Examensvorbereitung vs. Freizeit
In der Anwaltsstation unmittelbar vor den schriftlichen Examensprüfungen sind die meisten Referendare bekanntermaßen wenig präsent in ihrer Stationskanzlei: Man „taucht“.
Die meisten versuchen so, sich möglichst intensiv auf das nahende Zweite Staatsexamen vorzubereiten. Allerdings erlaubt nicht jede Kanzlei das „Tauchen“. Ich möchte euch in diesem Erfahrungsbericht zeigen, wie mein Leben zwischen Examensvorbereitung und Anwaltsstation aussah und ob auch noch Zeit für Freizeit blieb.
Auf Tauchstation
Meine 4-monatige Anwaltsstation I habe ich in einer kleinen Kanzlei verbracht. Die komplette Station abzutauchen empfand ich aber schlicht als zu lang. Ich wusste auch bereits durch das erste Examen, dass es gut tut während der „heißen Phase“ noch aus dem Haus zu kommen und sich nicht nur hinter dem Schreibtisch zu vergraben. Wichtig war mir aber trotzdem, dass ich gerade in den letzten Wochen nicht jeden Tag in der Kanzlei Akten bearbeite – die Zeit zum Lernen soll ja nicht auf den letzten Metern zu knapp werden.
Da jeder Anwalt auch einmal Examenskandidat war und diese Zeit durchmachen musste, zeigen die meisten Verständnis und bieten von sich aus an, den Referendar in den letzten Wochen freizustellen. So war es auch bei mir. In der Station hatte ich keine festen Anwesenheitstage. Vielmehr war ich immer dann anwesend, wenn beispielsweise Mandantengespräche oder Gerichtstermine anstanden, es Besprechungen gab oder neue Aufgaben verteilt wurden. Kurzum: wenn es etwas zu sehen gab. Ob ich die jeweiligen Akten in der Kanzlei oder zu Hause bearbeite, wurde mir selbst überlassen. Durch diese freie Zeiteinteilung konnte ich trotz des langsam aber sicher näher rückenden Examens noch so etwas wie „Freizeit“ haben.
Kurz vor dem Examen
Die Arbeit in der Kanzlei dient zwar auch der Vorbereitung auf das Examen, aber wir wissen wohl alle, dass die Anforderungen in den Klausuren nicht unbedingt mit dem übereinstimmen, was der Anwalt so tagtäglich in der Kanzlei bearbeitet. Da außerdem die Covid-19 Pandemie in dieser Zeit so richtig an Fahrt gewann und das öffentliche Leben (nebst Referendarausbildung) lahmgelegt wurde, konnte ich dann „abtauchen“ und mich in den letzten Wochen vollkommen der Vorbereitung auf die schriftlichen Prüfungen widmen.
Ich hatte mir zwar vorher vorgenommen nicht den gleichen Fehler wie beim ersten Examen zu machen und Sport, Treffen mit Freunden und Hobbys vollkommen zu streichen. Jedoch kommt es am Ende oft doch anders. Und die besten Vorsätze nützen nichts, wenn man dann denkt: Du könntest ja jetzt, statt joggen zu gehen, auch einfach noch einen Aufsatz in der JuS lesen…
Das mit dem Freizeitausgleich habe ich also leider nicht durchgehalten – aber die Examensphase dauert ja, Gott sei Dank, nicht ewig.
Post-Examens-Stress und neue Lebensabschnitte
Der Lichtblick am Ende des Tunnels, nämlich der lang ersehnte Urlaub nach Abschluss des Examens-Marathons, fiel dann leider ins Wasser (Stichwort: Corona). Aber auch einfach ein paar Tage nichts tun und den Stress der letzten Zeit verdauen tat gut. Wobei nach dem Examen gleich die nächste Herausforderung anstand: Die Anwaltsstation II. Diese absolvierte ich in Berlin. Es musste also einiges organsiert werden rund um den Umzug in die neue Stadt und alles, was damit so an Planungsaufwand einhergeht. Wer hierzu mehr erfahren möchte, kann sich gerne meinen anderen Beitrag zu diesem Thema anschauen, den ihr hier https://jurcase.com/der-umzug-nach-berlin-fuer-die-anwaltsstation/ findet.
Diese Anwaltsstation, das war von Beginn an klar, würde keine „Tauchstation“ werden. Ich wollte etwas lernen, um dann in nicht allzu langer Zeit als Volljurist durchstarten zu können. Meine Ausbilderin erwartete dies auch, sodass ich täglich von etwa 09.00 bis 18.00 Uhr in der Kanzlei anwesend war. Das kam auch ganz gelegen, um sich von Grübeleien rund um das geschrieben Examen und die noch ausstehenden Noten abzulenken. Während der ersten Zeit in der neuen Station habe ich die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung noch beiseitegeschoben. Für Freizeit blieb jedenfalls am Wochenende und nach dem Arbeitstag noch genügend Zeit.
Was ich anders machen würde
Einige meiner Mitreferendaren sind die gesamte Anwaltsstation I durchgetaucht. Andere waren fast durchgängig in ihren jeweiligen Kanzleien vor Ort. Ich hatte hier einen guten Mittelweg für mich gefunden und auch den passenden Ausbilder dazu. Insoweit kann ich jedem nur raten, sich die Kanzlei mit Bedacht auszusuchen. Zeiteinteilung und Anwesenheitszeiten sollten vorher besprochen werden, damit die gegenseitigen Erwartungen und Anforderungen geklärt sind.
Für Freizeitaktivitäten und Sport zwischendurch Zeit zu finden, kann allerdings schwierig werden.
JurCase informiert:
Fazit
In der Zeit rund um die schriftlichen Examensprüfungen hat man gefühlt 100 Sachen zu erledigen und nie genügend Zeit für alles. Da scheint es besonders schwierig, die Examensvorbereitung, die praktische Tätigkeit beim Ausbilder und Freizeitaktivitäten unter einen Hut zu bekommen. Ein Patentrezept, wie das zu bewerkstelligen ist, gibt es leider nicht. Versuchen sollte man jedoch immer, die eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren. Im Gespräch mit dem Ausbilder oder mit anderen Referendaren lassen sich hierzu sicherlich Lösungen finden.