Die fachliche Spezialisierung im Rahmen des Referendariats
Sinnvoll oder sinnlos?
Die Anwaltsstation dauert in Niedersachsen neun Monate und ist wohl mit Abstand die lernintensivste Station. Neben der anwaltlichen Tätigkeit in der Kanzlei muss zusätzlich für das Staatsexamen gelernt werden. Freizeit ist Mangelware. Folglich wählen einige Referendar:innen ihre Anwaltsstation nach den Kriterien: „Wald- und Wiesenanwalt“ mit examensrelevanten Rechtsgebieten, wenig Kanzlei-Präsenz und lange Tauchphase. Ich hingegen habe mich bewusst für eine Kanzlei entschieden, in der ich einem Fachanwalt für Medizin- und Arbeitsrecht zugeordnet war und für den ich absprachegemäß wöchentlich mindestens dreißig Stunden gearbeitet habe. Infolgedessen musste ich zwangsweise die klassischen Kernproblematiken des Zweiten Staatsexamens wie z.B. Verkehrsunfälle, Mietrechtsstreitigkeiten und Baurecht intensiver lernen und wiederholen als Examenskandidat:innen, die tagtäglich mit solchen Thematiken in ihrer Kanzlei konfrontiert wurden. Doch auch rückblickend betrachtend würde ich meine Anwaltswahl nicht ändern. Warum? Das erkläre ich euch jetzt!
Überhöhte Erwartungen?!
Rechtsanwält.innen gibt es wie Sand am Meer. Folglich ist es nicht unwichtig sich von der breiten Masse hervorzuheben und besondere fachliche Kenntnis vorzuzeigen, auch als Berufseinsteiger:in. Natürlich können vertiefte Kenntnisse in Spezialrechtsgebieten wie Spedition- und Transportrecht, Agrar-, Vergabe- oder Medizinrecht von Berufseinsteiger:innen nicht erwartet werden, aber wer kennt sie nicht, DIE Stellenanzeigen im anwaltlichen Berufsleben:
„Sie haben Ihre juristische Ausbildung (Erstes und Zweites Staatsexamen) mit überdurchschnittlichem Erfolg abgeschlossen, weisen einen Auslandsaufenthalt an einer Eliteuniversität vor und verfügen über ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse in mindestens drei Sprachen. Vorkenntnisse im <einschlägigen Rechtsgebiet> sind zwingend erforderlich. Wünschenswert wäre eine erfolgreich abgeschlossene Promotion im <einschlägigen Rechtsgebiet>. Das Einstiegsalter sollte für Berufseinsteiger:innen nicht über 23 Jahre liegen.“
Na, fühlst du dich angesprochen? Nein? Na gut, ich auch nicht! Weder habe ich mein Erstes Staatsexamen mit „überdurchschnittlichem Erfolg“ abgeschlossen, noch kann mein Auslandsaufenthalt als „elitär“ bezeichnet werden und meine Sprachkenntnisse in Französisch und Spanisch beschränken sich auf: „Je ne sais pas.“ und „Hola, qué tal? Me llamo Birthe.“ Also muss ich mich anderweitig von der breiten Masse abheben.
Dies geschieht zum einen unbestritten durch meinen Sport: Eine Frau, die Bodybuilding betreibt. Wer zur Hölle ist das??? Tatsächlich ist die Neugier sehr groß, doch genauso groß sind die (irrigen) Vorstellungen von Außenstehenden über die Menschen, die Bodybuilding betreiben. Leider haben viele dabei braungebrannte und aufgepumpten Muskelprotze mit einem Gangbild, als ob sie Rasierklingen unter dem Arm hätten, im Sinn. Hierbei differenzieren Laien in der Regel auch nicht zwischen Mann und Frau. Ob ich also mit meiner Sportlerkarriere als „atypische Bodybuilderin“ die breite Masse überzeugen kann, wage ich zu bezweifeln. Allerdings muss ich an dieser Stelle betonen, dass alle meine Ausbilder dem Sport positiv gesonnen waren!
Durch Spezialkenntnisse glänzen
Potentielle Arbeitgeber:innen, die meine Freizeitaktivitäten eher belächeln, müsste ich folglich anderweitig überzeugen und das mag mir mittlerweile durch meine frühzeitige Spezialisierung gelingen: Meine Verwaltungsstation habe ich bei der Ärztekammer absolviert, meine Anwaltsstation bei einem Fachanwalt für Medizin- und Arbeitsrecht und nunmehr bin ich nach einigem hin- und her erneut in einer Anwaltskanzlei, die Expert:innen im Gesundheitsrecht sind. Tatsächlich würde ich nunmehr behaupten, dass ich für eine (baldige) Berufseinsteigerin definitiv ausreichende Vorkenntnisse im Medizinrecht mitbringe, die anderen Examenskandidat:innen, die ggf. wesentlich besser Staatsexamina haben, vermeintlich nicht vorweisen können. So durfte ich Ende Januar mit zu einer Fortbildungsveranstaltung für Medizinrechts-Fachanwält:innen und war erstaunt, wie gut ich den Kernthematiken im Arzthaftungsrecht folgen konnte.
Fazit
Eine fachliche Spezialisierung im Referendariat hat sicherlich seine Vor- und Nachteile. Meiner Meinung nach hilft ein Interessenschwerpunkt und eine dahingehende Ausbildung dabei, persönliche Defizite (z. B. kein „überdurchschnittliches Staatsexamen“) auszugleichen und seinen Marktwert zu erhöhen. Durch eine fachbereichsspezifische Festlegung präsentiert man sich als jemanden, der sich mit Leidenschaft an die Arbeit setzt und gewillt ist, sich bestmöglich fortzubilden. Falls also auch du eine persönliche Leidenschaft oder einfach nur einen Interessenschwerpunkt hast, den du in einem juristischen Fachgebiet wiederfinden kannst, wäre meine klare Empfehlung: mach es! Schaden wird es dir in den wenigsten Fällen!
Die Autorin
Birthe Mack hat zwei sehr unterschiedliche Leidenschaften: Jura und Bodybuilding. In ihren Beiträgen beschreibt sie, welchen Einfluss die eine Passion auf die andere nimmt und berichtet von ihren Erfahrungen während des Referendariats.
Alle Artikel von Birthe findet ihr hier!
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