#HierZucktDeinPrüfungsamt im Öffentlichen Recht in Kooperation mit RiVG Dr. David Stadermann
Moin zusammen,
heute empfehle ich euch ein interessantes Urteil des OVG Münster vom 01.07.2024 (10 A 1487/22). Es geht um Denkmalschutzrecht, ein Nischengebiet, das häufig in Verbindung mit dem Baurecht relevant wird – auch für die juristische Examensvorbereitung. In diesem aktuellen Fall prallen Denkmalschutz und der Ausbau einer Bundesstraße aufeinander. Welche Interessen haben Vorrang? Ein Blick in die Rechtsprechung klärt auf.
JurCase informiert:
Das Urteil des OVG Münster vom 01.07.2024 (10 A 1487/22) findest du kostenfrei hier in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
Was ist passiert?
Die Beteiligten stritten um die Denkmaleigenschaft eines rund einen Kilometer langen Abschnitts des historischen Prozessionsweges zur Marienkapelle in Telgte.
Ausweislich der Pressemitteilung des OVG hatte die Bezirksregierung im Januar 2020 veranlasst, dass ein Teil des im 17. Jahrhundert errichteten Prozessionsweges nach Telgte als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen wird. Hiergegen erhob der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen („Straßen.NRW“) Klage mit dem Hinweis auf den geplanten vierspurigen Ausbau einer Bundesstraße, der die Inanspruchnahme der Grundstücke des Prozessionsweges erfordere. Er machte geltend, der Prozessionsweg sei nur noch in Teilen vorhanden, werde seit langem nicht mehr genutzt und es gebe auch keine Gründe für seine Erhaltung.
Die Klage blieb vor dem VG Münster überwiegend ohne Erfolg. Die dagegen eingelegte Berufung (des Kl.) wies das OVG Münster zurück.
Warum solltest du diese Entscheidung lesen?
Das Urteil betrifft Randbereiche des examensrelevanten öffentlichen Rechts und ist daher vielleicht etwas für die ruhigere Zeit „zwischen den Jahren“:
- Das Urteil gibt Anlass, Art. 83 ff. GG (erneut) zu lesen. In diesen Bestimmungen wird „[d]ie Ausführung der Bundesgesetze“ geregelt, es geht also um die 2. Gewalt. Ähnlich wie bei Gesetzgebung (Art. 70 Abs. 1 GG) und Rechtsprechung (Art. 92 a.E. GG) geht das Grundgesetz davon aus, dass der Vollzug zunächst einmal „Sache der Länder“ ist. Es sei denn, es greift, wie hier, eine Ausnahme.
- Die Klage ist zulässig, auch wenn zwei Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen miteinander streiten, das Land also gleichzeitig Kläger und Beklagter ist. Denn der Landesbetrieb Straßenbau handelt im Wege der sog. Auftragsverwaltung für den Bund, der auch Eigentümer der von der Unterschutzstellung betroffenen Grundstücke ist, und untersteht dessen Weisungen (Art. 85 Abs. 3 GG). Das Land hat lediglich die „Wahrnehmungskompetenz“.
- Denkmalschutzrecht ist Landesrecht und spielt in der Praxis häufig im Zusammenhang mit dem Baurecht eine Rolle. Einige Landesgesetze machen die Denkmaleigenschaft von einer Eintragung in eine „Denkmalliste“ abhängig, in anderen Ländern (Hamburg etwa) ist diese Eintragung nur deklaratorisch.
- Entgegen landläufiger Meinung müssen Denkmäler nicht schön sein (was heißt das überhaupt?). Sie müssen auch nicht noch entsprechend ihrer Bedeutung und ursprünglichen Funktion genutzt werden. Das öffentliche Erhaltungs- und Nutzungsinteresse einer Sache kann auch an ihrem bloßen Anschauen bestehen.
- Was sind eigentlich Landesbetriebe? Und wieso konnte hier der Senat durch die Berichterstatterin (und ohne mündliche Verhandlung) entscheiden?