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Rechtsprechung des Monats Juli 2023: Bekanntgabe eines VA per Online-Portal

By 4. Juli 2023November 1st, 2023No Comments
Rechtsprechung des Monats

§§ 37, 41 VwVfG

Bekanntgabe eines VA per Online-Portal

BremOVG, Beschl. v. 19.04.2023 – 8 B 321/22, BeckRS 2023, 10635

In Kooperation mit Alpmann Schmidt präsentieren wir dir die Rechtsprechung des Monats. Hierbei handelt es sich um examensrelevante Rechtsprechung, die dir von Praktiker:innen präsentiert wird. Unser Kooperationsziel: Damit du im Nachhinein nicht sagst, “Hätte ich das doch nur vorher #gewusst!“

Leitsätze

  1. Das materielle Fachrecht kann die Bekanntgabe eines VA durch ein Online-Portal vorsehen.
  2. Eine untergesetzliche Norm ist hierfür ausreichend.
  3. Die Voraussetzungen der Bekanntgabe können von § 41 Abs. 2 a BVwVfG abweichen.

FALL

Die bekl. Universität in Neuland informierte die Kl. am 24.02.2023 per E-Mail darüber, dass ihr ablehnender Zulassungsbescheid im passwortgeschützten Online-Portal zum Abruf bereit stehe. Die Kl. rief den Bescheid nicht ab. Am 03.04.2023 hat sie auf Zulassung zum Studium mit der Begründung geklagt, sie habe den Ablehnungsbescheid nie erhalten. Entwerfen Sie die Gerichtsentscheidung (Hauptsache- und Kostentenor, ohne Tatbestand)?

Hinweise: In Neuland gilt das BVwVfG (ohne § 41 Abs. 2 a BVwVfG). Es findet kein Widerspruch statt. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids ist ordnungsgemäß.

Auszug aus der [ordnungsgemäß erlassenen] StudienplatzVO (StPlVO NL)

§ 25 Ablauf des Verfahrens

1Bescheide werden automatisch erstellt und online bereitgestellt. 2Ein zum Abruf bereitgestellter Bescheid gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung als bekannt gegeben.

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg; sie ist unzulässig. Die Kl. hat die Klagefrist, die für die statthafte Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO) einen Monat seit Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids beträgt (§ 74 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VwGO), versäumt. Die Klagefrist begann am 27.02.2023 zu laufen und endete mit Ablauf des 27.03.2023. Die Kl. erhob ihre Klage aber erst am 03.04.2023.

Eine dem § 41 Abs. 2 a BVwVfG entsprechende Regelung fehlt in Bremen und Bayern (vgl. dort aber Art. 24 BayDiG). Beachte: Die Portal-Regelung in § 41 Abs. 2 a BVwVfG, der insbes. eine Einwilligung voraussetzt, weicht von § 25 Abs. 2 StPlVO NL deutlich ab, vgl. AS-Skript VerwR AT (2022), Rn. 446.

1. Die Bekanntgabe eines VA über ein Online-Portal (vgl. § 41 Abs. 2 a BVwVfG) ist im VwVfG von Neuland nicht speziell geregelt. Damit gelten die allgemeinen Regeln der Bekanntgabe eines VA. Diese richtet sich grds. nach § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG. Danach ist ein VA demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird.

„[16] … Für den Erlass von Verwaltungsakten gilt der Grundsatz der Formfreiheit, soweit nicht durch besondere Rechtsvorschriften eine bestimmte Form vorgeschrieben wird.“

2. Der Ablehnungsbescheid ist durch die E-Mail-Benachrichtigung, die Kl. könne den Bescheid im Portal abrufen, noch nicht bekanntgegeben worden. Der VA ist dadurch noch nicht elektronisch erlassen worden, weil der Kl. das Original des VA noch nicht übermittelt worden ist (lediglich Vorab-Information).

Vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG (2022), § 41 a Rn. 43 b und § 3 a Rn. 2 a

„[19] Ein VA wird elektronisch erlassen, wenn ein elektronisches Dokument auf elektronischem Weg übermittelt wird. Bei einem elektronischen Dokument handelt es sich um ein Dokument, das nicht in Papierform oder auf einem anderen materialisierten Datenträger fixiert ist, sondern als Datei in elektronischer Form existiert und verarbeitet wird. Dieses elektronische Dokument muss, um von einem elektronischen VA ausgehen zu können, das für den Rechtsverkehr maßgebliche Original des VA sein. Das ist der Fall, wenn sich der Erlass in der Übermitt-lung des elektronischen Dokuments erschöpft.“

Kopp/Ramsauer, VwVfG (2022), § 41 Rn. 9 a: Form der Bekanntgabe steht im behördlichen Ermessen

3. Mit der Bereitstellung im Online-Portal ist der VA der Kl. aber grds. nach §§ 41 Abs. 1 S. 1, 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG wirksam bekanntgegeben worden.

„[22] … Es entspricht der Rspr. des BVerwG, dass auch ohne eine dem § 41 Abs. 2 a VwVfG entsprechende parlamentarische Regelung ein VA durch die Bereitstellung zum Abruf über ein Hochschulportal grundsätzlich wirksam ‚in anderer Weise‘ i.S.v. § 37 Abs. 2 S.1 VwVfG erlassen werden kann, wenn diese Form der Be-kanntgabe den fachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben – insb. den Anforderungen des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten effektiven Rechts-schutzes und des Anspruchs auf rechtliches Gehör – genügt.“

Kopp/Ramsauer, VwVfG (2022), § 41 Rn. 7 a

a) Danach muss die Behörde einen Bekanntgabewillen gebildet haben. Diesen hat die Bekl. mit der Bescheid-Bereitstellung im Online-Portal betätigt.

b) Analog § 130 BGB muss der VA dem Adressaten auch zugegangen

„[22] … Das bedeutet, dass der VA so in den ‚Machtbereich‘ des Empfängers gelangen muss, dass bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse des Empfängers mit der Kenntnisnahme durch ihn zu rechnen ist. Das gilt auch dann, wenn die Behörde einen VA durch Bereitstellung zum Abruf über ein öffentliches oder nichtöffentliches Netz bekannt geben will.“

aa) Obwohl sich der VA in dem Online-Portal auf den von der bekl. Universität beherrschten Servern befinden, ist das passwortgeschützte Benutzerkonto, das den VA enthält, dem Machtbereich der Kl. zuzurechnen. Das ergibt sich aus den Vorgaben des materiellen Fachrechts, hier der StPlVO NL.

bb) Unerheblich bleibt, dass die StPlVO NL kein Parlamentsgesetz

„[23] … Dabei kann es sich auch um untergesetzliche Regelungen handeln. Dem steht der Grundsatz des Vorrangs des Landesgesetzes nicht entgegen, denn § 41 [VwVfG] macht insoweit keine Vorgaben zur Regelung der Art und Weise der Bekanntgabe.“

Ähnlich § 122 a Abs. 4 AO und Art. 24 Abs. 2 BayDiG

cc) 25 Abs. 2 StPlVO NL sieht vor, dass automatisch erstellte Bescheide online zum Abruf bereitgestellt werden und diese drei Tage nach Absendung der Mitteilung darüber bekanntgegeben sind.

„[23] … Die nach § 3 a Abs. 1 VwVfG erforderliche Zugangseröffnung durch den Nutzenden liegt in der Registrierung bzw. Anmeldung in Kenntnis des Umstands, dass die Kommunikation und Bescheidzustellung über das Portal erfolgen.“

„[23] … Verpflichtet das anwendbare Hochschulrecht die Bewerbenden wirksam zur Teilnahme an einem netzbasierten Informations- und Kommunikationssystem und bestimmt es, dass darüber Bescheide online zum Abruf bereitgestellt werden, wird dadurch die Eröffnung des Zugangs geregelt, weil das Benutzerkonto normativ dem Machtbereich der empfangenden Person zugeordnet wird.“

Eine solche Regelung enthält § 25 Abs. 2 StPlVO NL.

„[25] … Der Vorschrift lässt sich unmissverständlich entnehmen, dass Bescheide – und damit auch Zulassungsbescheide – … grds. nur online zum Abruf bereitgestellt werden sollen. Das setzt voraus, dass die Bewerberinnen und Bewerber in die Lage versetzt werden müssen, die Bescheide online zu empfangen. Die Vorschrift enthält keine weitergehenden Regelungen dazu, wie bzw. worüber die Bereitstellung zum Abruf zu erfolgen hat. Die nähere Ausgestaltung der internetgestützten Kommunikationswege wird damit in das Ermessen der Hochschulen gestellt. Das schließt … [ein Hochschulportal] mit passwortgeschützten Benutzerkonten als notwendige Voraussetzung für die technische Übermittlung und den wirksamen Empfang der Bescheide ein, wie sie hier erfolgt ist.“

Kostenentscheidung: § 154 Abs. 1 VwGO

Die Bekanntgabe des Bescheids erfolgte also am 27.03.2023.

Diese Rechtsprechung wurde für dich von VRVG Dr. Martin Stuttmann aufbereitet.

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Beitragsautor:

Alpmann Schmidt

Alpmann Schmidt

Alpmann Schmidt ist ein juristischer Fachverlag, der zudem juristische Lehrgänge und Repetitorien anbietet. In Kooperation mit JurCase präsentiert Alpmann Schmidt bei uns monatlich eine Rechtsprechung des Monats. Mehr Informationen zu Alpmann Schmidt gibt es hier.

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