#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer
Moin zusammen,
heute empfehle ich ein kaufrechtliches Urteil des VIII. Zivilsenats vom 10. April 2024, in dem es um das Verhältnis von Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss geht und das mal wieder wie aus dem Lehrbuch erscheint.
JurCase informiert:
Das Urteil des VIII. Zivilsenats vom 10.04.2024 – VIII ZR 161/23 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.
Was ist passiert?
Der Beklagte bot als privater Verkäufer im Internet sein fast 40 Jahre altes Auto mit einer Laufleistung von 150.000 Kilometern an. Die Fahrzeugbeschreibung enthielt unter anderem folgende Angaben: „[…] Klimaanlage funktioniert einwandfrei. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung.“
Nachdem die Parteien eine gemeinsame Probefahrt durchgeführt hatten, schlossen sie einen schriftlichen Kaufvertrag über das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 25.000 Euro. Darin heißt es unter anderem: „Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft. Dieser Ausschluss gilt nicht für Schadensersatzansprüche aus Sachmängelhaftung, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers oder seines Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.“
Einige Zeit später stellte der Kläger fest, dass die Klimaanlage defekt war. Er wandte sich per E-Mail an den Beklagten und bat um einen „akzeptablen Vorschlag zur Lösung des Problems“. Der Beklagte wies etwaige Ansprüche des Klägers zurück, bezeichnete die E-Mail des Klägers „zusammenfassend als Nötigung“ und teilte mit, er „betrachte die Angelegenheit als vollumfänglich abgeschlossen“.
Der Kläger begehrt nunmehr Ersatz der Reparaturkosten für die Klimaanlage und behauptet, der Klimakompressor sei bereits bei Übergabe defekt gewesen.
Worum geht es?
Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch wegen eines Sachmangels des verkauften Fahrzeugs geltend, der sich nach heutigem Recht, das im Fall noch nicht anwendbar war, aus §§ 434 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB ergeben könnte.
- Der Sachmangel soll im Defekt der Klimaanlage liegen. Hier stellt sich die Frage, ob es sich hinsichtlich des hohen Alters des Fahrzeugs nicht lediglich um normalen Verschleiß handelt, der keinen Mangel begründet. Darauf käme es indes nicht an, wenn die Parteien die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage als Beschaffenheit des Fahrzeugs vereinbart haben, und zwar ausgehend von den Angaben in der Internetanzeige.
- Ob der Klimakompressor bereits bei Übergabe defekt war, ist zwischen den Parteien streitig. Der BGH weist darauf hin, dass es auch genügen würde, wenn der Defekt erst später eingetreten, aber seinerseits auf eine Ursache zurückzuführen wäre, die eine vertragswidrige Beschaffenheit des Fahrzeugs darstellt und die bei Gefahrübergang bereits vorhanden war.
- Liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung vor, würde dem Beklagten der vereinbarte Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag grundsätzlich nicht helfen. Zwar lassen sich die Voraussetzungen des § 444 BGB nicht feststellen, jedoch ist nach ständiger Rechtsprechung ein Gewährleistungsausschluss dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gilt.
- Im Mittelpunkt der Entscheidung steht nun die Frage, ob das auch für ein 40 Jahre altes Auto gelten kann, was die Vorinstanz verneint hatte.
- Sodann geht es um den nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich erforderlichen erfolglosen Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist. Genügte hierfür die Aufforderung des Klägers an den Beklagten, einen akzeptablen Vorschlag zur Lösung des Problems zu machen? Und falls nicht, hat dann jedenfalls der Beklagte in seiner Antwort die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 281 Abs. 2 BGB)?
- Schließlich weist der BGH noch darauf hin, dass es für das Verschulden des Beklagten ausreichen würde, wenn dieser die Nacherfüllung verweigert hätte.
Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?
- Du könntest dich mit den Anforderungen an eine Beschaffenheitsvereinbarung und der Abgrenzung zu einer Garantie nach § 444 BGB beschäftigen.
- Du könntest dich allgemein mit dem Gewährleistungsausschluss befassen (hierzu unten noch mehr). Denk dabei daran, dass beim Verbrauchsgüterkauf ein Gewährleistungsausschluss grundsätzlich unwirksam ist (§ 476 Abs. 1 BGB). Beruft sich der Käufer im Prozess auf ein arglistiges Verschweigen des Mangels durch den Verkäufer, trifft ihn auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Da es sich bei der Arglist um einen inneren Vorgang beim Verkäufer handelt, stellt ihn das vor Probleme. Hier springt ihm die Rechtsprechung zur Seite, indem sie eine sekundäre Darlegungslast des Verkäufers annimmt, sobald der Käufer hinreichende Indizien für eine Arglist vorgetragen hat.
- Du könntest die Gelegenheit nutzen und auch diese grundlegende Entscheidung des BGH (VIII ZR 150/18) zur Abgrenzung von Mangel und Verschleiß durcharbeiten.
Und sonst?
Eher am Rande weist der BGH darauf hin, dass der Gewährleistungsausschluss auch als Allgemeine Geschäftsbedingung des Beklagten wirksam wäre, da er einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB („gegebenenfalls“) standhalten würde (Rn. 18). Das lohnt einen genaueren Blick.
(Zur Erinnerung: Hierauf kommt es im Ergebnis nicht an, da der Gewährleistungsausschluss den maßgeblichen Mangel nicht erfasst.)
- Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 b) BGB kommt nicht in Betracht, da die Haftung für vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen gerade nicht ausgeschlossen wird.
- In Bezug auf § 307 BGB ist der Befund allerdings nicht ganz so klar (allgemein zur Inhaltskontrolle nach § 307 BGB Reif/Walter, JuS 2023, 299). Nach ständiger Rechtsprechung verstößt ein Haftungsausschluss auch für einfache Fahrlässigkeit gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, soweit er sich auf die Verletzung von wesentlichen Vertragspflichten (sog. Kardinalpflichten) bezieht. (Das lässt sich auch nicht dadurch umgehen, dass man solche Pflichten allgemein ausnimmt, da der durchschnittliche Kunde als juristischer Laie im Zweifel nicht erkennen kann, was damit gemeint ist.) Bei der mangelfreien Lieferung handelt es sich offensichtlich um eine solche wesentliche Vertragspflicht des Verkäufers nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Pflicht wird von der Klausel allerdings nicht berührt, da nur Schadensersatzansprüche des Käufers ausgeschlossen sind und nicht auch der Nacherfüllungsanspruch.
Und nicht vergessen: Schreib regelmäßig Übungsklausuren!
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