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Gewusst

Ich wollte euer Geld doch gar nicht! – Rückzahlungsanspruch der Bank bei irrtümlicher Überweisung und § 241a BGB (XI ZR 98/22)

By 11. Dezember 2023No Comments
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#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer

 

Moin zusammen,
heute empfehle ich ein Urteil des u.a. für Bankenrecht zuständigen XI. Zivilsenats vom 26. September 2023 (XI ZR 98/22), dessen Sachverhalt mal wieder wie von einem Prüfungsamt erdacht wirkt. Inhaltlich geht es um eine irrtümliche Überweisung – und um die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung.

JurCase informiert:

Das Urteil des XI. Zivilsenats vom 26.09.2023 – XI ZR 98/22 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was ist passiert?

Die Klägerin, eine Bank, nimmt den Beklagten auf Erstattung einer Zahlung auf dessen Konto in Anspruch. Dieses Konto führte der Beklagte mit seiner damaligen Ehefrau bei der Klägerin. Tatsächlich kümmerte er sich nicht um finanzielle Belange, sondern überließ das seiner Frau, was sich als Fehler herausstellen sollte: Die Ehefrau schloss unter seinem Namen einen Kreditvertrag mit der Klägerin. Die entsprechenden Unterlagen übersandte die Klägerin im Wege des Postident-Videoverfahrens. Dabei trat für den Beklagten der Stiefvater der Ehefrau unter Vorlage des Personalausweises des Beklagten auf. Die Ehefrau wiederum fälschte die Unterschrift des Beklagten auf dem Kreditvertrag. (Ich sag ja, wie ausgedacht.)

Daraufhin überwies die Klägerin den Darlehensbetrag auf das Konto, kündigte aber später den Kredit wegen Zahlungsrückstandes. Die noch offenen 2.434,80 Euro fordert sie nun vom Beklagten.

Worum geht es?

Nach der Kündigung des Kreditvertrages hat der Kreditgeber einen Anspruch auf Rückzahlung des ausgezahlten Betrages nebst Zinsen (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB). Das setzt aber voraus, dass ein wirksamer Darlehensvertrag besteht, ansonsten kann sich der Anspruch nur aus Bereicherungsrecht ergeben.

  • Der Beklagte wäre dann Darlehensnehmer, wenn ihm das Handeln seiner Ex-Frau bei Abschluss des Vertrages zugerechnet werden müsste. Die Ehefrau hat unter dem Namen des Beklagten gehandelt, hierauf wird § 164 Abs. 1 S. 1 BGB entsprechend angewendet, sodass der Beklagte Vertragspartner der Klägerin geworden wäre, wenn er seine Ehefrau bevollmächtigt oder den Vertrag später genehmigt hätte (§ 177 Abs. 1 BGB analog) bzw. die Voraussetzungen einer Rechtsscheinvollmacht vorgelegen hätten.
  • Wäre das nicht der Fall – und davon musste der BGH nach den bisherigen Feststellungen ausgehen -, hätte die Klägerin dem Beklagten den Darlehensbetrag in der irrtümlichen Annahme eines Kreditvertrages überwiesen und könnte deshalb einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB haben. Und hier stellt sich die für den Fall maßgebliche Frage: Ist dieser Anspruch nach § 241a Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerin als Unternehmerin mit der Zahlung dem Beklagten als Verbraucher gegenüber eine sonstige Leistung erbrachte, die dieser nicht bestellt hatte? Oder greift hier eine Ausnahme nach Abs. 2? (In diesem Zusammenhang beschäftigt sich der BGH auch mit der richtlinienkonformen Auslegung, hierzu später.) Dafür müsste der Beklagte als Empfänger erkannt oder fahrlässig nicht erkannt haben, dass die Klägerin irrig von einem Darlehensvertrag ausging. Kann er sich darauf zurückziehen, dass er sich nicht um die Finanzen gekümmert habe, oder muss er sich das Handeln seiner Ex-Frau zurechnen lassen (§ 166 Abs. 1 BGB analog)? Wenn § 812 BGB anwendbar ist: Kommt der Beklagte damit durch, dass seine Ex-Frau das Geld bereits abgehoben hatte, bevor er von dem Zahlungseingang erfuhr? Und falls nicht, könnte er mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnen, weil die Klägerin beim Postident-Verfahren nicht sorgfältig genug war?

Fragen über Fragen…

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

  1. Du könntest dich mit dem Handeln unter fremdem Namen beschäftigen. Einen Überblick findest du bspw. bei Hauck, JuS 2011, 967. Für die Rechtsfolgen kommt es darauf an, ob dem Gegenüber die Person seines Vertragspartners wichtig ist.
  2. Du könntest die Entscheidung zum Anlass nehmen, dich allgemein mit der Zurechnung fremden Wissens zu befassen (§ 166 Abs. 1 BGB analog).
  3. Falls § 241a BGB bisher eher eine Dunkelnorm für dich war, weil du dir denkst, dass man eh nie etwas unverlangt zugesendet bekommt, sollte die Entscheidung Grund genug sein, diese Haltung zu ändern.

Und sonst?

Die Entscheidung zeigt die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung.

§ 241a BGB hat seinen Ursprung in einer Vielzahl von Richtlinien (im Einzelnen aufgezählt unter Rn. 13). Die hier maßgebliche Finanzdienstleistungsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu treffen, um den Verbraucher für den Fall unbestellter Waren oder Dienstleistungen von jeder Verpflichtung zu befreien. Dahinter könnte § 241a BGB durch seinen Absatz 2 zurückbleiben. Muss diese Ausnahme also im Wege der richtlinienkonformen Auslegung unangewendet bleiben?

Nein, sagt der BGH in Rn. 16. Eine richtlinienkonforme Auslegung dürfe nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Sie komme deshalb nur in Frage, wenn eine Norm tatsächlich unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zulässt, was der gesetzgeberischen Zweck- und Zielsetzung entspricht. Der Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung dürfe nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem führen.

Im Anschluss legt der BGH dar, warum die Ausnahme des § 241a BGB dem Willen des deutschen Gesetzgebers entspricht und folglich angewendet werden muss.

JurCase informiert:

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Beitragsautor:

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer ist Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Dozent und Autor. In seinem LinkedIn-Newsletter präsentiert er examensrelevante BGH-Entscheidungen im Zivilrecht und vieles mehr für Studium und Referendariat. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Büßer findest du auch bei JurCase!

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