#HierZucktDeinPrüfungsamt im Strafrecht in Kooperation mit VRiLG Dr. Nils Godendorff
Moin zusammen,
heute empfehle ich Dir den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2023 – 5 StR 200/23. Wie wichtig die Entscheidung ist und für Prüfungskandidat:innen werden dürfte, erkennt man schon an der Veröffentlichungsart: Die Entscheidung ist vorgesehen für die (sogenannte „amtliche“*) Sammlung BGHSt. Die Revision des Angeklagten war für ihn erfolglos, gewonnen haben nur die Prüfungsämter. Das Landgericht Kiel hatte den Angeklagten unter anderem wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft an seiner Schwägerin zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Strafausspruch bleibt unverändert, aber dogmatisch werden noch Kohorten von Prüflingen davon gut haben.
*Amtlich? Die Sammlung wird von einem privaten Verlag herausgegeben, die Auswahl der Entscheidungen erfolgt auf Vorschlag von BGH-Richter:innen, die die Auswahl und Redaktion im Rahmen einer Nebentätigkeit vornehmen. Mein Beitrag hier ist also nicht weniger „amtlich“, oder! 🙂
JurCase informiert:
Das Urteil des BGH vom 13.09.2023 (5 StR 200/23) findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.
Was ist passiert?
Die potentielle Geschädigte war u.a. vor dem Angeklagten ins Frauenhaus geflohen. Dort war sie vor ihm sicher, er hatte keinen Zutritt und keinen Zugriff auf sie. Deshalb forderte der Angeklagte seinen minderjährigen Neffen auf, sie dort zu töten, konkret: Sie im Schlaf mit einem Küchenmesser zu erstechen. Er zeigte dem Jungen ein Video, in dem ein Mann einen anderen erstach. Der Angeklagte erklärte seinem Neffen auch, dass er noch zu klein sei, um für die Tat bestraft zu werden. Er versprach Süßigkeiten, die Rückgabe weggenommener Spielsachen und den Kauf eines Motorrades. Der Junge hatte große Angst vor dem Angeklagten und ging zum Schein auf die Aufforderung ein.
Wie beschrieben: Das Landgericht Kiel verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft.
Was hat der BGH entschieden?
Der BGH stellte den Strafausspruch auf versuchte Anstiftung zum Mord um. Der Strafausspruch blieb stehen.
Warum ist das wichtig?
Mit der Entscheidung ist geklärt, dass man auf einen Strafunmündigen einwirken kann und das dies eine Anstiftung sein kann, wobei dies jeweils und stets von der mittelbaren Täterschaft abgegrenzt werden muss.
Böse Falle: Speichere die Entscheidung bitte nicht ab unter „Minderjährige sind immer angestiftet – das merk ich mir“. Sondern merk Dir, dass es stets und immer einer ausführlichen Begründung bedarf!
Und die Begründung des BGH?
Wortlaut und Systematik der Regelungen lassen die Anstiftung Schuldunfähiger zu. § 26 StGB setze lediglich eine vorsätzliche rechtswidrige, nicht aber eine schuldhafte Haupttat voraus. Und deshalb ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einsicht und Reife des Kindes zulassen, dass es angestiftet wird oder ob es als Werkzeug eines mittelbaren Täters anzusehen ist.
Dazu benennt der BGH als Daumenregel: Nach § 3 S. 1 JGG ist in der Regel davon auszugehen, dass bei Kindern Erkenntnisdefizite gegeben sind, die die Tatherrschaft des Hintermanns begründen.
Beispiele gefällig?
Keine Probleme stellen sich, wenn dem Kind (oder auch einem Erwachsenen, der dumm genug ist) ein Pülverchen mitgegeben wird, eine „besondere Zutat“ für den Kuchen, den aber bitte nur Mama essen soll. Dann liegt mittelbare Täterschaft vor.
Schwieriger wird es, wenn das Kind etwa erkennt, dass es töten wird, aber aufgrund der fehlenden eigenen Reife das Ganze für okay hält, z.B. weil „die Mama so böse war“. Dann wird man mit der Daumenregel des BGH und § 3 S. 1 JGG ebenfalls von mittelbarer Täterschaft ausgehen dürfen.
Und im vorliegenden Fall, in dem das Kind das Unrecht sofort erkennt und dementsprechend handelt, liegt eine versuchte Anstiftung vor.
Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?
- Die Entscheidung grenzt sehr schön mittelbare Täterschaft und Anstiftung ab.
- Die Entscheidung gibt Dir und Deiner Lerngruppe Anlass, sich auch mit anderen Konstellationen zu beschäftigen, an denen Minderjährige beteiligt sein können – welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf § 30 StGB!? Das wäre als Prüfer jedenfalls mein Einstieg in eine Prüfungsfrage, in der die Frage der Anstiftbarkeit tatsächlich in der Sache relevant würde.
Und nicht vergessen: Schreib regelmäßig Übungsklausuren!
Mit den besten Grüßen aus Hamburg
Nils Godendorff