Freischuss und Abschichten
Zwei individuelle Möglichkeiten, um sein Jurastudium und das Erste Staatsexamen zu gestalten. Erfahre, ob die beiden Optionen auch für dich eine interessante Gestaltungsmöglichkeit im Jurastudium darstellt.
Bereits im Grundstudium hört man vom Abschichten und vom Freischuss, sei es in Gesprächen mit Kommilitonen oder bei verschiedenen Veranstaltungen usw., hat man aber insbesondere in den ersten 1-2 Semestern nicht immer eine genaue Vorstellung davon, was mit dem Ganzen gemeint ist, es sei denn, man hat schon eigene Recherchen und Überlegungen angestellt. Das ist vollkommen in Ordnung und Abschichten sowie der Freischuss sollten den Jurastudenten erst ab dem dritten Semester zum Nachdenken bringen. Dieser Beitrag ist der einfachen, verständlichen Erklärung der beiden Begriffe und deren Vor- und Nachteile gewidmet.
Wie man wissen sollte (oder zumindest ahnt), ist das Jurastudium durch Gesetz geregelt und es bestehen feste Vorgaben dahin gehend, was der Lehrstoff an der Universität zu umfassen hat, Stoff und Struktur der staatlichen Prüfungen sind, praktische Studienzeiten etc. Dieses Gesetz ist Landessache und deswegen gibt es häufig beträchtliche Unterschiede zwischen den juristischen Studiengänge einzelner Länder und eine besondere Spezifik in jedem Land. In Nordrhein-Westfalen sind die Erste Juristische Staatliche Pflichfachprüfung und die universitäre Schwerpunktprüfung relativ flexibel geregelt, ergo Abschichten und Freischuss.
In NRW besteht zum einen die Möglichkeit, den staatlichen Pflichtfachteil des Ersten Examens vor die Schwerpunktprüfung zu ziehen, und zum anderen diesen u.U. aufzusplitten und zu wiederholen. D.h. man braucht in NRW nicht, mit dem Schwerpunktstudium angefangen zu haben, um sich für den staatlichen Pflichtfachteil anzumelden und die Prüfungen abzulegen (es gibt aber andere Voraussetzungen). Der Pflichtfachteil besteht aus insgesamt 6 Klausuren (3 in ZR, 2 in ÖR und 1 in SR) und einer anschließenden mündlichen Prüfung. Die 6 Klausuren werden i.d.R. am Stück innerhalb von einer Woche zusammen geschrieben und die Mündliche Prüfung findet ungefähr 5 Monate später statt. In NRW darf man aber auch die Klausuren in den verschiedenen Gebieten nach eigenem Belieben zeitlich getrennt voneinander schreiben (Abschichten). Hierfür muss sich man spätestens bis zum Ende seines 7. Fachsemesters zur staatlichen Pflichtfachprüfung anmelden. Wenn das der Fall ist, darf man vor dem Justizprüfungsamt (JPA) angeben, in welchen einzelnen Prüfungsmonaten man welche Gebiete ablegen möchte. Die einzelnen Gebiete müssen allerdings bis zum Ende des 8. Fachsemesters abgelegt werden, sonst wird man mit Anfang des 9. Fachsemesters für die noch ungeschriebenen Klausuren vom JPA von Amts wegen zum erstmöglichen Schreibtermin geladen und muss dann auch die Prüfung am entsprechenden Datum ablegen. Zudem gibt es in NRW keinen Notenverbesserungsversuch, sondern nur die Möglichkeit, das Staatsexamen einmal im Fall des Durchfallens zu wiederholen. Davon gibt es die Ausnahme des Freischusses, der, wie der Name verrät, einen freien Versuch der Ablegung der staatlichen Pflichtfachprüfung darstellt, nach dem man unabhängig von der Endnote alles noch einmal als regulären Versuch schreiben darf. Dazu muss sich man spätestens bis zum Ende des 8. Fachsemesters zum Examen anmelden.
Was heißt das alles und muss man auf jeden Fall sowohl das Abschichten als auch den Freischuss in Anspruch nehmen? Soll man vor dem Schwerpunkt schreiben oder lieber danach? Die Antwort ist, wie fast immer in Jura – es kommt darauf an. Es ist immer noch der Regelfall, dass Jurastudenten die staatliche Pflichtfachprüfung erst nach der Ablegung der universitären Schwerpunktprüfung ablegen. Und wie bei vielem anderen in Jura wird auch das von zahlreichen immer noch nur deswegen so gemacht, weil das die Regel ist. Sogar das juristische Prüfungsamt der Universität zu Köln rät in seinen Vorstellungsveranstaltungen zu den Schwerpunktbereichen dazu, ohne das aber irgendwie zu begründen. Letzten Endes ist das eine persönliche Entscheidung, die jeder für sich treffen soll, aber einige Punkte, die für die Ablegung der Pflichtfachprüfung vor dem Schwerpunkt sprechen:
- Im Pflichtfachteil warden die klassischen Gebiete des Nationalrechts geprüft – Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht, also diejenigen, mit denen sich man üblicherweise 3 oder 4 Semester im Grundstudium und 1-2 Semester im Hauptstudium im Rahmen der großen Übungen beschäftigt hat. Entscheidet sich man also dafür, den staatlichen Pflichtfachteil des Examens vor den Schwerpunkt zu ziehen, stehen die Chancen für eine effektive Examensvorbereitung und dementsprechend für ein gutes Ergebnis besser, da man die relevanten Kenntnisse im Grunde genommen noch ziemlich frisch im Kopf hat, ohne dass sie komplett von den Informationen im Schwerpunkt bereich verdrängt wurden.
- Es ist wahrscheinlicher das Abschichten und den Freisschuss in Anspruch zu nehmen, wenn man früher mit der Examensvorbereitung anfängt, statt den ganzen Schwerpunkt in 1-2 Semester zu packen zu versuchen, um die Fristen wahren zu können.
- Wenn Du durchfallen solltest, Kannst Du selbst entscheiden, ob Du es noch einmal versuchen möchtest oder nicht. Es ist auch im Falle des endgültigen Durchfallens weniger frustrierend, da man für das ganze 3 und nicht 5 Jahre gebraucht hat.
Das Abschichten an sich ist bei weitem kein Muss, aber was daran offensichtlich vorteilhaft ist, ist die Gelegenheit, nicht gleichzeitig in allen Rechtsgebieten lernen zu müssen. Insbesonderen Leuten kommt das zugute, die nicht ein so großes Gedächtnisvermögen haben und lieber fragmentiert lernen, weil die jeweils relevanteren Informationen die älteren verdrängen. Bist du aber ein Hardcore-Lerner und merkst dir große Mengen an Informationen einigermaßen gut oder Du hast ein sehr gutes juristisches Verständnis und Gefühl, dann musst Du dich nicht sonderlich um das Abschichten stressen.
Kann man vom Abschichten absehen, sodann sollte das beim Freischuss am besten nicht der Fall sein. Es ist offenbar unvernünftig einen freien Versuch der Ablegung einer derart schwierigen Prüfung zu verpassen. Doch viele nehmen diese Gelegenheit trotzdem nicht wahr, weil sie sich vielleicht nicht genug vorbereitet fühlen und sich lieber später zum Examen anmelden, aber dafür mit Sicherheit. Diese Vorstellung entspricht aber leider nicht der Wirklichkeit. Egal, wie lange man sich auf das Examen vorbereitet, es kommt nie der Augenblick, in dem man sicher in die Prüfung geht, mit dem Bewusstsein, dass alles einwandfrei laufenwird. Daher nimm Dir ruhig eine angemessene Zeit für die Vorbereitung, zögere aber die Anmeldung nicht zu sehr hinaus und verpassen nicht die Möglichkeit des Freischusses. Sogar wenn Du das Gefühl hast, ich bin nicht gut genug vorbereitet, hast Du dennoch nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen. Im besten Fall erhältst Du bereits im Freischuss eine Note, die dich zufrieden stellt. Falls die Note nicht passt und Du denkst, Du kannst das besser, dann geht das auch problemlos. Fällst Du durch, dann gehst Du in den nächsten Versuch mit viel mehr Erfahrung als die meisten Kandidaten, denn eine echte Examenssituation bringt einem vieles bei, was außerhalb derer nicht lernbar ist.
Nimm Dir die Zeit und überlege Dir möglichst genau, wie du das Studium und dein Erstes Staatsexamen gestalten willst. Je früher Du damit anfängst, desto besser. Mache nicht unbedingt allzu feste und detaillierte Pläne, sondern überlegen Dir auch andere Optionen, bleibe dabei aber generell konsequent und behalte den Überblick über den Weg zum Examen. Dann stehen auch die Chancen gut, dass Du das Examen mit weniger als dem berühmten, lebens- und gesundheitszerstörenden juristischen Examensstress bestehen.
Plane für dein Erstes Examen auch die Anschaffung deiner Hilfsmittel ein. Hier kannst du bares Geld und Zeit und Nerven sparen, indem du dir die notwendige Literatur für dein Staatsexamen einfach bei JurCase mietest!