Die erste Zeit in der Selbständigkeit als Rechtsanwalt
Halb Jurist, halb Unternehmer
Nach einem Monat Selbständigkeit wird es mal Zeit für ein kurzes Zwischenfazit und ein paar Themen, die mich als Selbständigen beschäftigen. Die ersten Mandanten sind glücklich gemacht, die ersten Eindrücke sind verdaut. Für diejenigen, die auch mit dem Gedanken spielen, nach dem Referendariat oder auf lange Sicht in die Selbständigkeit zu gehen, soll dieser Beitrag einen realistischen Einblick in den Ablauf geben. Denn neben dem juristischen Arbeiten warten noch ganz andere Herausforderungen und Hürden auf einen. Nicht zu verkennen sollte nämlich sein, dass man in gleichem Maße als Unternehmer tätig sein wird.
Einstieg in die Bürogemeinschaft
Ich hatte das Privileg in eine bereits alteingesessene Kanzlei in Bürogemeinschaft einsteigen zu können. Das bedeutet, dass ich zu Beginn grundsätzlich eine eigene Kanzlei führe, jedoch die laufenden Kosten, sowie den Mitarbeiterpool mit den Kollegen wirtschaftlich teile. Das bewerkstellige ich nicht mit einem festen Betrag, sondern durch eine vereinbarte Umsatzbeteiligung. Der große Vorteil dabei ist für mich, dass ich natürlich vom Mandantenzulauf der Kanzlei profitiere und ich Mandanten, die in meinem Rechtsgebiet betreut werden wollen, empfohlen werde.
Denn mit der Selbständigkeit muss man sich im Klaren darüber sein, dass man kein festes Gehalt zur Verfügung hat, wie ein Angestellter (siehe dazu meinen gesonderten Beitrag zum Thema Bürogemeinschaft). Hier bestimmt sich der Umsatz danach, welche Mandanten man in welchem Umfang bearbeitet. Das kann von Monat zu Monat schwanken und das sollte immer eingeplant werden.
Gerade zu Beginn gilt es einen langen Atem zu bewahren. Die Mandanten rennen einem zu Beginn nicht gerade die Bude ein. Daher sollte man m.E. für 6 Monate bis ein Jahr damit rechnen, finanziell keine großen Sprünge machen zu können. Man muss ein Händchen für Organisation und wirtschaftliches Denken mitbringen. So sollte man organisatorische Dinge wie die Einnahmen und Ausgaben, Rechnungserstellung, Steuern etc. immer im Blick haben. Sollte man diesbezüglich keinerlei Kenntnisse verfügen, würde ich empfehlen, diese Dinge einem Steuerberater zu überlassen. Doch auch mit Hilfe eines Steuerberaters handelt man in eigener Verantwortung und muss daher seine Kanzleiorganisation ständig im Blick haben. Auch hier profitiere ich natürlich in der Bürogemeinschaft von erfahrenen Rechtsanwaltsfachangestellten, die einem eine erhebliche Menge an Arbeit abnehmen (Akten anlegen, Terminvergabe, Posteingänge etc).
Freiheit hat seinen Preis
Jetzt fragt sich der ein oder andere natürlich, warum man sich nach jahrelangem Studium solch eine Bürde auferlegen soll, wenn man zu Beginn keine großen Sprünge machen kann. Ein Hauptargument, das für die Selbständigkeit spricht, ist natürlich die enorme berufliche Freiheit. Nicht nur in fachlicher, sondern auch in privater Hinsicht. Denn als selbstständiger Rechtsanwalt arbeitet ihr in eigener Verantwortung und seid niemandem Rechenschaft schuldig.
Keiner sagt euch, wann ihr im Büro zu erscheinen habt oder wie lange ihr abends bleiben müsst. Zudem muss es ja auch nicht langfristig finanziell eng sein. Denn auf lange Sicht gesehen kann sich eine Selbständigkeit enorm rentieren. Macht ihr euch erstmal einen Namen, so braucht ihr etwa nicht ständig auf Gehaltserhöhungen zu warten, sondern könnt das entnehmen, was ihr erwirtschaftet. So gibt es auch viele selbständige Rechtsanwälte, die durchaus mit den Einnahmen von Angestellten in großen Wirtschaftskanzleien mithalten können. Natürlich ist hier auch die Haftung ein häufiges Thema. Dazu habe ich eine klare Meinung: Wer viel arbeitet, kann auch mal einen Fehler machen. Das ist völlig menschlich und sollte einen nicht bremsen. Denn wenn tatsächlich mal der Fall eintreffen sollte und man einen Haftungsfall auslöst (was selten vorkommt), dann ist man versichert – genau wie Ärzte auch. Nur dass bei Anwälten ein Fehler eher in finanzieller Hinsicht zu einem Schaden führt und nicht zu einem gesundheitlichen.
Daneben kommt natürlich häufig die Frage auf, ob man allein arbeitet oder sich Hilfe von außen, etwa durch Anstellung von Rechtsanwaltsangestellten, holt. In Bürogemeinschaften werden hier die Kosten sowieso regelmäßig geteilt, sodass eine Bürokraft durchaus Sinn macht. Hier sollte man sich aber auch wieder bewusst machen, dass man nicht nur sein eigener Chef ist, sondern auch Verantwortung für andere Mitarbeiter trägt. Dazu sollte man bereit sein und dies auch nicht unterschätzen. Denn gerade im Umgang mit Mitarbeitern ist ein gutes Gespür für menschliches Miteinander gefragt. Gerade dann, wenn man mehrere Mitarbeiter führt, kann es häufig mal zu der ein oder anderen Konfliktsituation kommen.
Auch dies kann eine Herausforderung sein, vor der man sich jedoch nicht scheuen muss. Im Gegenteil. Ich finde gerade den Umstand, auch Erfahrungen aus dem Unternehmertum mit der Juristerei zu verbinden spannend und auch bereichernd. Es bringt die nötige Abwechslung und motiviert einen dazu, immer besser werden zu wollen.
Fazit
Als Fazit kann ich festhalten, dass ich bisher keine Sekunde bereue, den Schritt in die Selbständigkeit gewagt zu haben. Die Freiheit, die der Beruf mit sich bringt und der Umstand, dass man sich voll entfalten kann, möchte ich im Moment nicht missen. Zumindest sind das die ersten Eindrücke, die ich sammeln konnte. Was die nahe Zukunft bringt, wird man sehen. Bis dahin wünsche ich allen angehenden Kollegen und Kolleginnen, dass auch sie für sich den richtigen Weg in den Beruf finden und damit glücklich werden.
-Sinan
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