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Gewusst

Betreute Finanzagenten – Betrug und Geldwäsche im Fokus (5 StR 401/24)

By 16. Dezember 2024No Comments
HierZucktDeinPrüfungsamt

#HierZucktDeinPrüfungsamt im Strafrecht in Kooperation mit VRiLG Dr. Nils Godendorff

Moin zusammen,
heute empfehle ich Dir ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.11.2024 – 5 StR 401/24. Moment mal?!? Ein Urteil? Veröffentlicht der BGH nicht immer nur Beschlüsse? Meist schon, aber im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft die Revision geführt, auf eine solche wird immer eine Hauptverhandlung anberaumt (ohne dass dies eine gesetzliche Grundlage hätte). Und auf eine Hauptverhandlung entscheidet der BGH eben mit Urteil.

JurCase informiert:

Das Urteil des 5. Strafsenats des BGH vom 19.11.2024 (5 StR 401/24) findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was war passiert?

Der Angeklagte kümmerte sich um „Finanzagenten“. Voll der coole Job, oder? Die Welt der Reichen und Schönen, immer im Kontakt mit der Finanzelite. Ne, nicht ganz. „Finanzagenten“ sind nach meiner Erfahrung in der Regel Frührentner aus Wuppertal oder Hildburghausen mit oft sanierungsbedürftigem Zahnstatus und erstaunlicher Verträglichkeit gegenüber Vodka Feige, denen oft alles egal ist und die schon ein wenig merken, dass das nicht ganz sauber ist, was sie tun, aber es sich schönreden. Wie funktionierte das? Im Ausland saß ein „Keiler“, der als Hintermann in deutschen Unternehmen anrief und die Mitarbeiter:innen zu Eil-Überweisungen an angebliche Geschäftspartner veranlasste. Damit dieses Modell läuft, braucht es die sogenannten „Finanzagenten“, also besagte Frührentner:innen, die die Verfügungsgewalt über die Empfängerkonten innehatten. Diese „Finanzagenten“ hoben die Beträge in bar ab und gaben sie an den Angekl. weiter. Dieser leitete sie dann seinerseits nach Abzug einer Provision von 10% an den Hintermann weiter.

Wie hat das Landgericht entschieden?

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen, wegen Betruges in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen.

Das gefiel der Staatsanwaltschaft nicht, sie führte eine Sachrüge, mit der sie rügte, dass der Angeklagte in einigen versuchten Betrugsfällen nicht wegen vollendeten Betruges und insgesamt in den Betrugsfällen nicht wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges verurteilt worden ist. Zudem erstrebte sie auch eine Verurteilung wegen Geldwäsche.

Vollendeter Betrug, wenn das Geld eingeht und erfolgreich zurückgerufen wird

Zum Teil hatte die Staatsanwaltschaft erfolgt: Falsch war, dass die Strafkammer in einem Fall nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt hat. Denn nach den Feststellungen wurden infolge des Anrufs des Hintermannes mehrere Überweisungen von dem Konto des geschädigten Unternehmens durchgeführt, unter anderem auch zwei auf das Konto des von dem Angeklagten akquirierten Empfängers; diese konnten aber später „zurückgeholt“ werden. Angesichts dessen kommt in Betracht, dass die Überweisungsbeträge dem Konto des „Finanzagenten“ bereits gutgeschrieben worden waren, er darüber verfügen konnte und deshalb der Betrug bereits vollendet war (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 19.04.2016 – 3 StR 52/16, wistra 2016, 311 mwN). Dass das Landgericht dies nicht in den Blick genommen hat, stellt einen Erörterungsmangel dar, der insoweit zur Aufhebung des Schuldspruchs nötigte.

Keine schadensgleiche Vermögensgefährdung durch Überweisungsauftrag, der nicht ausgeführt wird

In einem anderen Fall war die Annahme des Landgerichts, der Betrug sei noch nicht vollendet gewesen, auf der Grundlage der Feststellungen, dass die Überweisungen durch die beauftragten Banken nicht ausgeführt wurden, nicht zu beanstanden. Denn in jenem Fall war nicht belegt, dass es zu einer Gutschrift der Überweisungsbeträge auf dem Empfängerkonto gekommen ist. Damit war aber auch ein Schaden – und sei es nur in Gestalt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung – (noch) nicht eingetreten (vgl. BGH, Beschluss vom 05.09.2018 – 2 StR 31/18 Rn. 27).

Finanzagenten keine Bandenmitglieder

Ebenfalls zulässig war die Schlussfolgerung des Landgerichts, die jeweils nur für einzelne Taten herangezogenen „Finanzagenten“ seien keine Bandenmitglieder gewesen […].

…und schließlich: Keine Geldwäsche, wegen § 261 Abs. 7 StGB

Und bezüglich einer möglichen Geldwäsche bzw. dem Absehen davon, war das Urteil ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn mit § 261 Abs. 7 StGB gilt: Wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist, wird [wegen Geldwäsche] nur dann bestraft, wenn er den Gegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen rechtswidrige Herkunft verschleiert. Und das war nicht der Fall: Denn die Überweisungen auf die Konten der „Finanzagenten“ waren als die maßgeblichen Vermögensverfügungen Tathandlungen des Betruges und stellten deshalb kein Inverkehrbringen im Sinne von § 261 Abs. 7 StGB dar. Eine strafbare Selbstgeldwäsche, also eine Geldwäschehandlung mit Unrechtssteigerung (vgl. BGH, Beschluss vom 27.11.2018 – 5 StR 234/18, BGHSt 63, 268 Rn. 11) lag auch nicht in den Weiterleitungen an den Hintermann, weil das Erlangen der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch einen Mittäter ohne zusätzliche Verschleierungshandlungen dafür regelmäßig nicht genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 15.08.2023 – 5 StR 177/23, NStZ 2024, 90, 91; MüKo-StGB/Neuheuser, 4. Aufl., § 261 Rn. 134).

Warum solltest Du das Urteil noch lesen?

  • Es enthält eigentlich alles, was sich ein Prüfer wünscht: Ein umfangreicher Fall, leicht abseitige Normen (§ 261 StGB) und ein Spiel auf der Klaviatur des Betrugs
  • Der Fall wäre in Umfang und Schwierigkeit daher unter Umständen 1:1 der richtige für eine Klausur
  • Zudem kannst Du Dich in die revisionsrechtlichen Maßstäbe einlesen und verstehst für die revisionsrechtliche Klausur, was durch das Revisionsgericht überprüfbar ist (und was nicht)

Und nicht vergessen: Schreibt Klausuren!

Mit den besten Grüßen aus Hamburg
Nils Godendorff

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Beitragsautor:

Dr. Nils Godendorff

Dr. Nils Godendorff

Dr. Nils Godendorff ist vorsitzender Richter am Landgericht in Hamburg. Auf LinkedIn gibt Dr. Godendorff unter dem Hashtag #HierZucktDeinPrüfungsamt Hinweise zu examensrelevanten strafrechtlichen Entscheidungen. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Godendorff findest du auch bei JurCase!

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