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Aktuelle Rechtsprechung KOMPAKT | Ausgabe 07: Verfassungstreue im Staatsdienst, Handy-Diebstahl aus Eifersucht, Wiederzulassung eines Anwalts nach Betrug

Heute mit den Entscheidungen des ArbG Erfurt vom 25.11.2024 (Az. 3 Ga 24/24 bzw. 3 CA 2030/24), des BGH vom 13.08.2025 (Az.: 4 StR 308/25) sowie des BGH vom 22.09.2025 (Az.: AnwZ (Brfg) 28/25).

Aktuelle Rechtsprechung begleitet dich durch Studium, Referendariat und juristische Praxis – sie ist der Schlüssel zum juristischen Durchblick. Wer weiß, wie Gerichte entscheiden, kann Gesetzesnormen sicher anwenden, rechtliche Zusammenhänge besser einordnen und überzeugend argumentieren. Mit JurCase bleibst du monatlich auf dem Laufenden über relevante Rechtsprechung aus Zivilrecht, Strafrecht und öffentlichem Recht. Schon #GEWUSST?

Die Reihe Aktuelle Rechtsprechung KOMPAKT wird von unserem Redaktionsleiter, Rechtsassessor Sebastian M. Klingenberg, für dich zusammengestellt.

In der heutigen Ausgabe geht es konkret um

  • einen Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren des ArbG Erfurt vom 25.11.2024 (3 Ga 24/24; Az. des Hauptsacheverfahrens: 3 CA 2030/24) zur Frage ob im Zuge eines Stellenbesetzungsverfahrens im öffentlichen Dienst bereits ein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist und ob Zweifel an der Verfassungstreue bestehen, wenn der Bewerber Mitglied der AfD ist.
  • einen Beschluss des BGH vom 13.08.2025 (Az.: 4 StR 308/25) zur Frage, ob der Täter die für den etwaigen Diebstahl notwendige Zueignungsabsicht hatte, wenn er ein Handy nur deshalb an sich nimmt, um die vermutete Affäre seiner Partnerin zu beweisen.
  • einen Beschluss des BGH vom 22.09.2025 (Az.: AnwZ (Brfg) 28/25) zur Frage, ob ein wegen Betrugs verurteilter Jurist nach über 15 Jahren wieder in den Anwaltsberuf zurückkehren darf – und ob er die hierfür erforderliche Würdigkeit des Berufs (wieder) besitzt.

ArbG Erfurt mit Beschluss vom 25.11.2024 (Az.: 3 Ga 24/24; Az. des Hauptsacheverfahrens: 3 CA 2030/24) zur Verfassungstreue im Staatsdienst bei AfD-Mitgliedern

Worum geht es?

Ein AfD-Kreistagsmitglied bewarb sich als Sachbearbeiter in der Heimaufsicht beim Thüringer Landesverwaltungsamt. Nach interner Zustimmung stoppte das Innenministerium jedoch die Einstellung – wegen Zweifeln an der Verfassungstreue des Bewerbers. Der Mann klagt nun auf Einstellung und Schadensersatz. Er beruft sich auf einen mündlich geschlossenen Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) und macht zudem Ansprüche aus Annahmeverzug (§§ 615, 293 ff. BGB) sowie culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB) geltend, da er seinen alten Job im Vertrauen auf die Zusage aufgegeben hatte.

Das Arbeitsgericht Erfurt hatte bereits im Eilverfahren entschieden, dass E-Mail-Verkehr und Vertragsentwürfe noch keinen wirksamen Vertrag begründen. In der Hauptsache zeichnet sich aktuell ab: Ein Anspruch auf Einstellung dürfte zwar fehlen, doch ein Anspruch auf fehlerfreies Auswahlverfahren und möglicher Schadensersatz wegen Vertrauensverlusts könnten bestehen. Eine gütliche Einigung über rund 13.300 Euro steht im Raum.

Warum sollte ich von dieser Rechtsprechung #GEWUSST haben?

a) Weil Arbeitsgerichte auch für Bewerbungen im öffentlichen Dienst zuständig sein können.

Entscheidend ist nicht die Behörde als Arbeitgeberin, sondern die rechtliche Natur des Vertrags. Vorliegend geht es zwar um eine Stelle im öffentlichen Dienst, allerdings ist kein beamtenrechtliches Verhältnis betroffen. Vielmehr geht es hier um ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis.

b) Weil die AfD-Mitgliedschaft allein keine Verfassungsuntreue begründet.

Das ArbG verlangt eine individuelle Prüfung im Einzelfall, ob der konkrete Bewerber bzw. die konkrete Bewerberin persönlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt oder gefährdet. Dabei verweist das ArbG auf BAG-Rechtsprechung zur DKP: Politische Gesinnung genügt nicht ohne konkrete Verhaltensindizien.

c) Weil der Kläger Anspruch auf ein fehlerfreies Auswahlverfahren haben könnte.

Zweifel an der persönlichen Eignung müssen stets durch eine Anhörung geklärt werden – erst recht, wenn sie auf die politische Treuepflicht gestützt werden. Nach Ansicht der Kammer hätte der Freistaat den Bewerber zu seinen politischen Überzeugungen und seinem Demokratieverständnis befragen müssen, bevor er ihn ablehnt.

d) Weil der Betroffenen einen Schadensersatzanspruch wegen c.i.c. haben kann.

Das Gericht deutete an, dass der Kläger für die Kündigung seines alten Jobs im Vertrauen auf eine Einstellungszusage eine Entschädigung von etwa 13.300 Euro erhalten könnte. Wer seine bisherige Beschäftigung aufgibt und der Arbeitgeber das Verfahren rechtswidrig abbricht, kann nach § 311 Abs. 2 BGB Ersatz seines Vertrauensschadens verlangen.

e) Weil der Fall eindrucksvoll zeigt, wie eng Rechtsgebiete miteinander verflochten sein können.

Arbeitsrecht, Verwaltungsrecht und allgemeines Schuldrecht greifen hier unmittelbar ineinander: Das Verfahren betrifft die Bewerbung auf eine öffentliche Stelle, wird aber vor dem Arbeitsgericht verhandelt, während Fragen zu § 611a BGB, zum beamtenähnlichen Auswahlverfahren und zu Schadensersatzansprüchen nach Zivilrecht gleichzeitig eine Rolle spielen.

JurCase informiert:

Den Beschluss des ArbG Erfurt vom 25.11.2024 (Az.: 3 Ga 24/24) ) zur Verfassungstreue im Staatsdienst bei AfD-Mitgliedern findest du kostenlos HIER auf der Seite des Freistaats Thüringen. Im Hauptsacheverfahren (3 CA 2030/24) steht eine Entscheidung indes noch aus.

BGH mit Beschluss vom 13.08.2025 (Az.: 4 StR 308/25) zur Zueignungsabsicht bei einem Handy-Diebstahl aus Eifersucht

Worum geht es?

Ein eifersüchtiger Ehemann lauert gemeinsam mit seinem Sohn dem mutmaßlichen Liebhaber seiner Frau auf, entreißt ihm dessen Smartphone und bedroht ihn mit einem Messer sowie schwersten Gewaltandrohungen. Das Landgericht Essen verurteilte den Mann wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.

Der BGH (Beschl. v. 13.08.2025, Az. 4 StR 308/25) hob das Urteil jedoch auf: Der Angeklagte habe das Handy nicht in Zueignungsabsicht ergriffen, sondern ausschließlich, um Beweise für eine Affäre seiner Ehefrau zu finden. Die Wegnahme habe also nur einem kurzfristigen Besitzwillen gedient. Damit fehlte es an dem für den Diebstahl zentralen Tatbestandsmerkmal der Zueignungsabsicht. Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung an das LG Essen zurückverwiesen.

Warum sollte ich von dieser Rechtsprechung #GEWUSST haben?

a) Weil der Fall zeigt, wie entscheidend die Zueignungsabsicht für Diebstahlsdelikte ist.

Die Zueignungsabsicht ist ein zentrales subjektives Tatbestandsmerkmal. Der Täter muss die Sache „sich oder einem Dritten zueignen“ wollen – bloßes Inbesitznehmen oder kurzzeitiges Behalten reicht nicht. Wer ein Handy nur zur Kontrolle oder Beweissicherung an sich nimmt, handelt also nicht notwendigerweise mit Zueignungsabsicht.

b) Weil die Entscheidung prüfungsrelevante Dogmatik und Lebensnähe verbindet.

Das Zusammenspiel aus Eifersucht, Gewalt und juristisch präziser Abgrenzung der subjektiven Tatseite bietet eine realitätsnahe Fallgestaltung. Solche „Affektlagen“ sind beliebte Examenskonstellationen, weil sie juristisch anspruchsvoll, aber lebensnah sind.

c) Weil der Fall zeigt, wie die Beweiswürdigung die rechtliche Subsumtion beeinflusst.

Der BGH rügte, dass das LG Essen die Zueignungsabsicht nur vermutet, aber nicht belegt hatte. Die Entscheidung erinnert daran, dass auch die Beweiswürdigung tragfähig sein muss, um den subjektiven Tatbestand zu stützen – ein Aspekt, der in Klausuren oft unterschätzt wird.

d) Weil er exemplarisch für die Grenze zwischen Raub und Nötigung steht.

Fällt die Wegnahme ohne Zueignungsabsicht weg, entfällt der Diebstahl – übrig bleibt ggf. eine gefährliche Körperverletzung oder Nötigung. Das ist nicht nur strafzumessungsrelevant, sondern zeigt auch, wie stark ein Tatbestandsmerkmal den gesamten Schuldspruch verändern kann.

JurCase informiert:

Den Beschluss des BGH vom 13.08.2025 (Az.: 4 StR 308/25) findest du kostenlos HIER auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

BGH mit Beschluss vom 22.09.2025 (Az.: AnwZ (Brfg) 28/25) zur Wiederzulassung eines Anwalts nach Betrug

Worum geht es?

Ein heute 73-jähriger Jurist wollte nach über 15 Jahren nach seiner Verurteilung wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (§ 263 Abs. 1, 3 Nr. 1 StGB) wieder als Rechtsanwalt zugelassen werden. 2010 hatte ihm das Landgericht Saarbrücken neben einer Bewährungsstrafe auch die Zulassung entzogen, nachdem er zusammen mit Komplizen fingierte Verkehrsunfälle abgerechnet und Versicherungen um rund 88.000 Euro geschädigt hatte.

Die Rechtsanwaltskammer und der Anwaltsgerichtshof (AGH) des Saarlands lehnten seinen Antrag auf Wiederzulassung ab – und der BGH (Beschl. v. 22. 09. 2025, Az. AnwZ (Brfg) 28/25) bestätigte diese Entscheidung.

Nach § 7 S. 1 Nr. 5 BRAO kann die Zulassung verweigert werden, wenn ein Bewerber „unwürdig“ erscheint, den Beruf auszuüben. Zwar kann die Unwürdigkeit mit der Zeit entfallen, doch setzt das eine Wohlverhaltensphase mit erkennbarer Reue und Wiedergutmachung voraus. Daran fehlte es: Der Jurist hatte nur einen Bruchteil des Schadens ersetzt, sich nie freiwillig an die Geschädigten gewandt und sein Fehlverhalten nicht ehrlich aufgearbeitet. Der BGH stellte klar, dass bloßer Zeitablauf nicht genügt – entscheidend ist die innere Haltung. Eine spätere Wiederzulassung bleibt möglich, wenn der Mann künftig über längere Zeit tadelloses Verhalten zeigt.

Warum sollte ich von dieser Rechtsprechung #GEWUSST haben?

a) Weil der Fall das Kernprinzip anwaltlicher Würdigkeit betont.

Der BGH zeigt, dass anwaltliche Integrität kein formales, sondern ein moralisches Kriterium ist. Nur wer aufrichtig Reue zeigt und Wiedergutmachung leistet, kann nach einem gravierenden Fehlverhalten das Vertrauen in den Berufsstand wiederherstellen. Die bloße Verjährung oder das „Aussitzen“ vergangener Schuld reicht indes nicht.

b) Weil er Maßstäbe für die Prüfung von § 7 BRAO und Art. 12 GG liefert.

Das Spannungsverhältnis zwischen Berufsfreiheit und Gemeinwohlinteresse wird klar umrissen: Der Staat darf aus Gründen der Integrität die Zulassung verweigern, solange berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung bestehen.

c) Weil er die Bedeutung der anwaltlichen Vertrauensstellung hervorhebt.

Gerade wer als Anwalt in seiner Rolle Straftaten begeht, verletzt das Fundament des Berufsstands. Der Fall zeigt, dass Straftaten im Kernbereich anwaltlicher Tätigkeit besonders schwer wiegen und die Rückkehr in den Beruf nur unter strengsten Bedingungen möglich ist.

d) Weil er zeigt, warum das anwaltliche Berufsrecht in die Zuständigkeit des BGH fällt.

Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten landen nur ausnahmsweise beim Bundesgerichtshof – nämlich dann, wenn ein Bundesgesetz dies ausdrücklich vorsieht (§ 40 VwGO). Typische Beispiele sind die berufsrechtlichen Verfahren:
• § 106 BRAO (Rechtsanwälte)
• § 111 BNotO (Notare)
• § 91 PatAnwO (Patentanwälte)
• § 63 DRiG (Bundesrichterdienstrecht)

JurCase informiert:

Den Beschluss des BGH vom 22.09.2025 (Az.: AnwZ (Brfg) 28/25) findest du kostenlos HIER auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

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Beitragsautor:

Sebastian M. Klingenberg

Sebastian M. Klingenberg

Redaktionsleiter bei JurCase
Rechtsassessor, Promotionsstudent, Freiberufler

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