Skip to main content
Gewusst

„In Germany, we will call it a Klassiker!“ – Ist § 281 BGB auf § 1004 BGB anwendbar? (V ZR 67/22)

By 10. Juli 2023Oktober 10th, 2023No Comments
gewusst_Janko_Büßer_neu_FB

#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer

Moin zusammen, heute empfehle ich dir mit dem Urteil des V. Zivilsenats vom 23. März 2023 einen künftigen Examensklassiker. Es geht um die Anwendung schuldrechtlicher Regelungen auf dingliche Ansprüche – konkret um § 281 BGB und § 1004 BGB.

JurCase informiert:

Das Urteil des V. Zivilsenats vom 23.03.2023 – V ZR 67/22 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was ist passiert?

Die Wurzeln der Pappeln auf dem Grundstück der Beklagten sind bis auf das Nachbargrundstück vorgedrungen, das dem Kläger gehört. Dadurch wurden auf der Garageneinfahrt des Klägers die Pflastersteine angehoben. Nachdem die Beklagten vorprozessual sowohl die Reparatur des Pflasters als auch den Einbau einer sog. Wurzelsperre verweigert hatten, verlangt der Kläger nunmehr mit seiner Klage Zahlung von rund 2.000 Euro, um selbst tätig werden zu können.

Worum geht es?

Selbstverständlich könnte der Kläger von den Beklagten die Beseitigung der Beeinträchtigung seines Grundstücks aus § 1004 Abs. 1 BGB verlangen. Deshalb scheidet auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB aus.

Ebenso steht fest, dass der Kläger bei einer bereits durchgeführten Selbstvornahme die angefallenen Aufwendungen ersetzt verlangen könnte, und zwar entweder aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 S. 1, 670 BGB, 684 S. 1, 818 BGB) oder ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2, § 818 BGB). Einen Kostenvorschuss für die Selbstvornahme bekommt er allerdings nicht.

Im Mittelpunkt des Urteils steht deshalb die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB hat. Hierfür musste der BGH eine weitere Facette des „seit den Beratungen über den Entwurf des BGB“ bestehenden Streits über die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Regelungen auf dingliche Ansprüche entscheiden: Ist § 281 BGB generell auf den Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB anwendbar? (Spoiler: Nein! Dann aber wenigstens in dem – hier nicht vorliegenden Fall -, dass der Eigentümer die Beeinträchtigung durch Selbstvornahme beseitigt? Auch nicht!).

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

  1. Der BGH hebt die Unterschiede zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Ansprüchen hervor, zeigt aber zugleich, dass schuldrechtliche Regelungen dennoch auf dingliche Ansprüche finden können – gerade auch auf den Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB. Hier findest du deshalb eine Zusammenfassung dieser Regelungen und solltest dir unbedingt merken, dass sich eine „holzschnittartige“ (haha!) Betrachtung verbietet, sondern es auf die jeweilige Vorschrift ankommt.
  2. Du könntest gleich (noch einmal) das Urteil zur Anwendbarkeit von § 281 BGB auf § 985 BGB lesen, die der BGH bejaht hat (Urteil vom 18. März 2016 – V ZR 89/15, BGHZ 209, 270 Rn. 11 ff.).
  3. Du kannst dich umfassend mit § 1004 BGB beschäftigen und dabei dem Urteil hilfreiche Ausführungen zu dessen Zweck und seinen Folgen entnehmen.

Und sonst?

Zu Beginn des Urteils macht der BGH Ausführungen zur Beschränkung der zugelassenen Revision auf die Entscheidung über den Hauptantrag. Das nutzen wir, um uns endlich mal einer typischen Frage in mündlichen Prüfungen zu widmen: Wie kommt man im Zivilrecht eigentlich zum BGH?

Die Zivilsenate beim BGH sind u.a. für sämtliche Revisionen zuständig (§ 133 GVG). Anders als im Strafverfahren gibt es also keine Revision zu den Oberlandesgerichten.

Die Revision muss vom Berufungsgericht im Berufungsurteil zugelassen worden sein (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) – und das geht eben auch beschränkt auf einen von mehreren Streitgegenständen. Die Zulassungsgründe sind in 543 Abs. 2 S. 1 ZPO geregelt.

Hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen, kann die unterlegene Partei unter den Voraussetzungen des § 544 ZPO Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Hierfür muss der Wert ihrer Beschwer durch das Berufungsurteil (nicht der Streitwert!) 20.000 Euro übersteigen; dies gilt nur dann nicht, wenn die Berufung als unzulässig verworfen wurde (Abs. 1).

Der BGH prüft dann aber erst einmal nur, ob die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO vorliegen. Ist das nicht der Fall, weist er die Beschwerde durch Beschluss zurück. Liegen diese Voraussetzungen vor, geht das Verfahren als Revisionsverfahren weiter (§ 544 Abs. 8 ZPO), es sei denn, das Berufungsgericht hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, denn dann kann der BGH sofort das Berufungsurteil aufheben und die Sache zurückverweisen (Abs. 9).

Das Wesen des Revisionsverfahren liegt darin, dass der BGH das Berufungsurteil auf Rechtsfehler überprüft. Bewertet der BGH eine maßgebliche Frage anders als das Berufungsgericht, entscheidet er selbst, wenn die Sache entscheidungsreif ist, die im Berufungsurteil festgestellten Tatsachen hierfür also ausreichen; andernfalls verweist er die Sache zurück, da er keine eigene Tatsachenfeststellung treffen darf/muss (§ 563 ZPO).

Lies in einer ruhigen Minute mal sämtliche Vorschriften zum Revisionsverfahren im Zusammenhang. Vertiefte Kenntnisse werden von dir nicht erwartet.

JurCase informiert:

Hier findest du den Newsletter von Dr. Büßer auf LinkedIn. Dort findest du außerdem auch wertvolle Tipps zum Referendariat.

Hat dir der Beitrag gefallen?

Beitragsautor:

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer ist Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Dozent und Autor. In seinem LinkedIn-Newsletter präsentiert er examensrelevante BGH-Entscheidungen im Zivilrecht und vieles mehr für Studium und Referendariat. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Büßer findest du auch bei JurCase!

Alle Beiträge von Dr. Janko Büßer ansehen