Helau und Alaaf! Willkommen in der fünften Jahreszeit im Examen
Saisonale Themen sind bei Prüfungsämtern beliebt. Denn wo gefeiert wird, da wird auch gestritten und Karneval hat schon diverse Richter immer wieder vor Herausforderungen gestellt. Dieser Beitrag schafft dir einen Überblick über typische Fragestellungen rund um die Fastnachtszeit für das Erste und Zweite Staatsexamen.
Zivilrecht
Klausuraufgaben im Zivilrecht bieten sich besonders für eine Assessor- oder Referendarexamensklausur an, da sich viele bekannte Probleme auf die konkrete Situation an Karneval konstruieren lassen.
1. Pferde beim Karnevalsumzug
Die Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB ist beliebtes Prüfungsthema und kann hervorragend in den närrischen Kontext eingebettet werden. Wer haftet, wenn Pferde ein Gespann am Rosenmontagsumzug ziehen sollen, diese durchgehen und es zu Personenschäden kommt? Werden die Pferde auch außerhalb der Fastnachtszeit beruflich eingesetzt, kann sich der Tierhalter auf den Entlastungsbeweis aus § 833 S. 2 BGB berufen. Dass die Tiere zum Unfallzeitpunkt anderweitig verwendet wurden, ist für die Haftungsbeschränkung unschädlich. Schlecht sieht es für den Tierhalter jedoch aus, wenn seine Pferde, so lammfromm sie auch sein mögen, noch nie ein Gespannt gezogen und an einem Karnevalsumzug teilgenommen haben. Fastnachtsumzüge sind mit großer Lautstärke und vielen Menschen verbunden. Diese Aspekte verstärken die Gefahr unkontrollierter tierischer Reaktionen. Ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht liegt schon deshalb vor, weil die Tiere überhaupt eingesetzt wurden. Ein langsames Gewöhnen an Menschenmengen und das Tragen von Scheuklappen durch die Pferde wären geeignet, der Sorgfaltspflicht als Tierhalter nachzukommen und vom Entlastungsbeweis des § 833 S. 2 BGB zu profitieren.
– OLG Koblenz, Urteil vom 8. 5. 1991 – 5 U 1812/90
JurCase informiert:
Von der Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB befreit ist dagegen derjenige Tierhalter, der einem Reiter sein Pferd zur Verfügung stellt und dieser auf eigene Gefahr Risiken übernimmt, die über die eines gewöhnlichen Ritts hinausgehen. Dies ist etwa der Fall bei Teilnahme an einem Umzug mit Musikkapellen. Es liegt ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr vor.
– LG Kassel, Urteil vom 3. 4. 2003 – 9 O 596/02
2. Mit Kamelle beworfen
Am Rosenmontagsumzug werfen die Aktiven üblicherweise „Kamelle“, also Bonbons und andere Süßigkeiten, in die Zuschauermengen. Kommt es dabei einmal zu schwereren Verletzungen, ist der Ärger groß. Doch Schmerzensgeld ist weder aus Gefährdungshaftung gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 BGB noch wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB so einfach zu erlangen. Denn dem Werfen von kleinen, abstrakt betrachtet ungefährlichen Gegenständen fehlt schon die Rechtswidrigkeit, da es anlässlich eines traditionellen Fastnachtsumzugs erfolgte. Das in Frage stehende Verhalten ist vielmehr sozial üblich, allgemein anerkannt, einer langen Tradition entsprechend und seitens der Zuschauer erwartet. Besondere Verkehrssicherungspflichten bestehen nicht. Vielmehr muss derjenige, der als Zuschauer an einem Faschingsumzug teilnimmt und sich in Wurfweite der Festwagen stellt, damit rechnen, bei mangelnder Aufmerksamkeit von Kleinigkeiten wie Schokoriegeln oder Bonbons beworfen und getroffen zu werden.
– AG Köln, Urteil vom 07.01.2011 – 123 C 254/10
– LG Trier, Urteil vom 07.02.1995 – 1 S 150/94
3. Hörschaden nach Faschingsfeier
Völlige Narrenfreiheit gilt eben auch in der fünften Jahreszeit nicht und der Veranstalter einer Fastnachtsveranstaltung muss sich trotz allem an Lärmgrenzwerte halten. Sonst kann es passieren, wie 2015 in Meschede in NRW, dass man zur Zahlung Schmerzensgeld gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB verurteilt wird. DIN-Normen verpflichten Veranstalter, Maßnahmen zur Vermeidung von Hörschäden der Gäste von Veranstaltungen zu ergreifen. Der zulässige Dauerschallpegel darf dabei nicht unzulässig überschritten werden. Es müssen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflichten insbesondere fortlaufend Messungen und Aufzeichnungen über die Lautstärke und die Einwirkungsdauer der abgespielten Musik vorgenommen werden. Bei engem zeitlichem Zusammenhang eines diagnostizierten Hörschadens und einer Karnevalsparty gelten außerdem die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins.
– AG Meschede, Urteil vom 13.05.2015 – 6 C 411/13
JurCase informiert:
Typisches Kleidungsstück eines Fastnachters oder Karnevalisten ist die Narrenkappe. Diese wird oft mit dem Sprichwort „Jedem Narr sei Kapp“ verbunden, was so viel bedeutet wie „Soll er doch tun, was er für richtig hält, auch wenn es nicht der Norm entspricht“. Zu wörtlich sollte man das Sprichwort allerdings auch an Fastnacht lieber nicht nehmen.
Öffentliches Recht
Auch öffentlich-rechtlich können sich Probleme auftun, bei denen die Rechte Einzelner mit dem Brauchtum von Fastnacht und Karneval kollidieren können.ugehen, da er die Sache nicht richtig ernst nehme. In einem Beschluss des OLG Münchens wurde der Streitpartei stattdessen etwas mehr Humor und Gelassenheit ans Herz gelegt.
1. Störung der Nachtruhe im Karneval
Auch im Öffentlichen Recht sind Klausuren denkbar, die sich mit der Lautstärke von Fastnachtsfeiern beschäftigen. Dies ist eine gute Gelegenheit, Normen des (Landes-)Immissionsschutzgesetzes abzuprüfen. Denn auch während der Karnevalstage ist die Nachtruhe grundsätzlich einzuhalten. Einem Gastwirt kann jedoch nicht vorgeworfen werden, dass er gegen Lärm in seiner Kneipe nicht mit drastischeren Mitteln, wie dem Abschalten des elektrischen Lichts, vorgegangen sei, nachdem bereits die Polizei erfolglos erschienen war. Dies gilt insbesondere dann, wenn er diese Tage jahrzehntelang als üblich und unbeanstandet erlebt hatte.
Auch in anderen Fällen mussten Anwohner eine Störung der Nachtruhe zu Fastnacht hinnehmen. Denn Veranstaltungen, bei denen festgelegte Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden können, dürfen gemäß § 12 Abs. 1 GastG gestattet werden, wenn sie als sehr seltene Ereignisse eingestuft werden und trotz der mit ihnen verbundenen erheblichen Belästigungen wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz den Nachbarn zumutbar sind. Im Rheinland gilt dies für traditionelle und kulturelle Karnevalsveranstaltungen. Dabei können auch Musikdarbietungen bis 24 Uhr und dauerhafter Beurteilungspegel von 70 dB(A) zulässig sein, wenn der nächste Tag arbeitsfrei ist. Hier sind vor allem Klausuren im vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 VwGO denkbar, etwa wenn sich Anwohner gegen eine Gestattung nach § 12 Abs. 1 GastG wenden. Aus den Normen des Immissionsschutzgesetzes kann herausgelesen werden, dass die Nachtruhe umso weniger geschützt ist, je stärker das öffentliche Interesse an der Veranstaltung ist (vgl. § 9 LImSchG NRW, § 4 LImSchG RP).
Klausuren aus dem Gaststättenrecht und dem Immissionsschutzrecht finden immer wieder ihren Weg in die Prüfungsämter.
– AG Köln, Urteil vom 04.02.1997 – 532 OWi 183-96 (36 Js 1286/96)
– OVG Koblenz, Beschluss vom 13.02.2004 – 6 B 10279/04
2. Glasverbot
Ein Klassiker der polizei- und ordnungsrechtlichen Klausuren ist die Überprüfung von Allgemeinverfügungen oder Schutzverordnungen. Im Zusammenhang mit Fastnacht ist dabei ein Glasverbot, das Verbot des Mitführens und Benutzen von Glasbehältnissen in bestimmten Bereichen, besonders zu beachten. Schwerpunkt kann bereits die Differenzierung sein, ob eine Allgemeinverfügung (dann Durchführung der Fortsetzungsfeststellungsklage) oder eine Verordnung (dann eventuell Normenkontrollantrag) vorliegen. In formeller Hinsicht kann es bereits zur Rechtswidrigkeit kommen aufgrund mangelnder Bestimmtheit der Verfügung oder Verordnung. Weiter kann anhand polizeirechtlicher Generalklausel geprüft werden mit Fokus auf das Vorliegen einer Gefahr und einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Gründe für ein Glasverbot ist häufig die Gefahr für Verletzungen durch Glasscherben, befeuert durch erhöhte Alkoholisierung der Veranstaltungsteilnehmer. Andere Argumente sind die Behinderung von Rettungskräften durch Reifenschäden und die Verwendung als Wurfgeschoss oder Waffe.
In der Klausur kommt es hier vor allem auf detailliertes Sachverhalts- oder Aktenauszugsstudium an und die Einordnung der vorgebrachten Argumente. Auch alternative Handlungsoptionen im Sinne der Erforderlichkeit der Maßnahme sollten diskutiert werden.
– OVG Münster, Urt. v. 9. 2. 2012 − 5 A 2375/10
– VG Köln, Beschluss vom 03.02.2010 – 20 L 88/10
JurCase informiert:
Terminiert ein karnevalistischer Familienrichter seine Verhandlung am 11.11. auf 11.11 Uhr, ist dies kein Grund, von der Befangenheit des Richters auszugehen, da er die Sache nicht richtig ernst nehme. In einem Beschluss des OLG Münchens wurde der Streitpartei stattdessen etwas mehr Humor und Gelassenheit ans Herz gelegt.
Fazit
Die Entscheidungen zeigen, dass gerade Feierlichkeiten immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. Oft spielt Alkoholkonsum eine erhebliche Rolle, eine der zentralen Fragestellungen ist jedoch häufig, was aus kultureller Sicht „üblich und traditionell“ ist und deshalb anderen Haftungs- und Beurteilungsmaßstäben zugänglich ist.
JurCase informiert:
„Üblich und traditionell“ ist beispielsweise auch das Abschneiden der Krawatte an der sog. Weiberfastnacht, dem Donnerstag vor Rosenmontag. Allerdings macht man sich auch hier schnell haftbar, im Grunde auch strafbar, wenn ohne Einwilligung die Krawatte gekürzt wird-