Was ist im Wahlkampf erlaubt?
Anstehende Wahlen bringen immer einen aufregenden Zeitraum des vorherigen Wahlkampfes mit sich. Viele ärgern sich dann über die Vielzahl von Postern, Wahlkampfständen und Veranstaltungen. Jedoch ist genau reguliert, welche Handlungen wann, von wem und in welchem Umfang vorgenommen werden dürfen. Die Wahlen laufen hier auf jeder Ebene, von Kommunalwahl bis Bundestagswahl, nach denselben Wahlgrundsätzen ab. Deshalb sind diese Wahlgrundsätze auch im Ersten und im Zweiten Staatsexamen sowie in den mündlichen Prüfungen ein gern gesehenes Thema.
Die Wahlgrundsätze
Die Wahlgrundsätze sind in Art. 38 des Grundgesetzes festgelegt. Danach sind Wahlen allgemein, was bedeutet, dass grundsätzlich jeder Bürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, wählen darf (Abweichungen gegebenenfalls bei Kommunalwahlen!). Weiterhin sind die Wahlen unmittelbar, was bedeutet, dass es anders als in den USA keine zwischengeschalteten Wahlleute gibt, sondern die Stimme direkt an die Kandidaten geht. Die Wahl ist frei, sodass die Wähler in ihrer Wahlentscheidung frei sind und niemand auf sie Druck ausüben darf. Gleichheit der Wahl bedeutet, dass jede Stimme gleiches Gewicht hat, egal, von wem sie abgegeben wurde. Zuletzt ist die Wahl auch geheim, was bedeutet, dass es Wahlurnen und Wahlkabinen gibt, damit niemand weiß, wie eine andere Person gewählt hat und man ist auch nicht verpflichtet, die eigene Wahlentscheidung preiszugeben.
JurCase informiert:
Das Bundesverfassungsgericht [BVerG] hat mit Urteil vom 03.03.2009 den Wahlgrundsatz der Öffentlichkeit aus Art. 20 Abs. 1 und 2 GG hergeleitet. Dieser ungeschriebene Grundsatz besagt, dass Wahlen nur vom Volk durchzuführen sind und transparent sein müssen. Inhaltlich ging es in dieser Sache um Wahlcomputer und eine Online-Wahl.
Das Wahlsystem
Die Bundestagswahl läuft nach den Grundsätzen einer Personenwahl verbunden mit einer Verhältniswahl ab. Dies klingt kompliziert, ist jedoch einfach eine Verbindung zweier Wahlsysteme. Man nennt es auch das personalisierte Verhältniswahlrecht. Es werden bei der Wahl zwei Stimmen abgegeben: die Erst- und die Zweitstimme. Der Bundestag hat an sich per Gesetz 598 Abgeordnete. Die Hälfte davon wird nach relativer Mehrheitswahl direkt in Wahlkreisen gewählt. Durch die Erststimme werden die Direktmandate bestimmt. Dies ist demnach die Personenwahl. Mit der Zweitstimme wird dann eine Partei gewählt und der prozentuale Anteil der Zweitstimme entscheidet die prozentuale Sitzverteilung der restlichen Hälfte der Sitze. Dies ist die Verhältniswahl. Um dabei berücksichtigt zu werden, muss eine Partei mindestens 5 % der Stimmen erhalten oder drei Direktmandate (Grundmandatsklausel). Diese Hürde hat den Sinn, den Bundestag vor einer Zersplitterung durch eine große Anzahl von Parteien zu schützen.
Hat nun eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate errungen, als ihr nach Berechnung über die Zweitstimme zusteht, spricht man von sogenannten „Überhangsmandaten“. Diese bekommen dann auch einen Sitz im Bundestag, obwohl ihnen dieser laut Prozentsatz der Partei in der Zweistimme nicht zustünde. Dies kann dazu führen, dass, um das Verhältnis der abgegebenen Stimmen zu wahren, andere Parteien „Ausgleichsmandate“ erhalten. Dieses System führt dazu, dass in der Regel viel mehr als die 598 gesetzlichen Abgeordneten im deutschen Bundestag sitzen.
Der Wahlkampf
In Wahlkampfzeiten ist nicht alles erlaubt für Parteien im Kampf um Wählerstimmen.
Wahlwerbung ist grundsätzlich erlaubt und geschützt durch das Grundrecht auf Presse- und Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 1, 3 GG) und das Parteienprivileg (Art. 21 Abs. 1 GG). Dies bedeutet, dass Parteien gerade den Auftrag haben, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Dies dürfen sie auch dadurch, dass sie Stimmen in Wahlen sammeln und in ihrem Wahlkampf die Bürger über politische Inhalte informieren.
Im Bundeswahlgesetz ist festgelegt, dass keine Wahlwerbung in Gebäuden erfolgen darf, in denen gewählt wird. Außerdem dürfen vor 18 Uhr am Wahltag keine Umfragen oder Prognosen veröffentlicht werden.
Die Wahlplakate müssen vor dem Aufhängen genehmigt werden. Dies gilt auch für Wahlinformationsstände. Die jeweilige Gemeinde ist dafür zuständig und muss darauf achten, dass der Verkehr nicht behindert wird oder Ampeln und Straßenschilder verdeckt werden. In den letzten Wochen vor der Wahl haben die Parteien in der Regel einen Anspruch auf Genehmigung von Plakaten. Sie haben weiterhin ein Anrecht darauf, Sendezeit im Radio und Fernsehen zu bekommen. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern erfolgt dies kostenlos, die privaten Sender dürfen dafür Rechnungen stellen. Die genauen Zeiten sind in den Rundfunkstaatsverträgen der Länder festgelegt.
Es muss nicht jeder Wahl-Slogan hingenommen werden. Zwar dürfen Plakate nicht abgerissen oder beschmutzt werden, da dies den Tatbestand der Sachbeschädigung aus §303 StGB erfüllen kann, jedoch kann Anzeige erstattet werden. 2009 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Plakate der NPD abgehängt werden mussten, da der Slogan in die Menschenwürde der in Deutschland lebenden Polen eingegriffen hat. (Az.: 2 BvR 2179/09). Die Grenze zwischen Meinungsäußerung und Volkverhetzung kann dabei sehr schmal sein, wie ein Gegenbeispiel zeigt, indem NDP Plakate auf Grund der Meinungsäußerungsfreiheit wieder aufgehängt werden mussten (Verwaltungsgericht Kassel, Az.: 4 L 1117/13.KS).
Bei Werbung in den Briefkasten darf diese persönlich adressiert werden. Die Parteien dürfen von den Meldebehörden die aktuellen Adressen der Wahlberechtigten erfragen, allerdings nur innerhalb von sechs Monaten vor der Wahl und nur für bestimmte Altersgruppen, z. B. Erstwähler zwischen 18 und 22.
Nicht erlaubt sind hingegen E-Mails oder Anrufe, wenn die Betroffenen nicht eingewilligt haben.
Aktuelle Amtsinhaber haben sich umsichtig zu äußern, um das Gebot der Neutralität und äußerster Zurückhaltung im Vorfeld der Wahl zu beachten, welches vom Bundesverfassungsgericht festgelegt wurde. Es ist wichtig, dass Amtshandlungen von Wahlwerbehandlungen getrennt werden. Als Privatpersonen dürfen sie also Wahlwerbung machen, aber nicht aus ihrem Amt heraus oder mit Mitteln des Haushaltes.
JurCase informiert:
Dies gilt auch und insbesondere für die Abgeordneten des Bundestages. Sie dürfen keinesfalls die Mittel und Auftrittsseiten des Ministeriums benutzen, um Wahlwerbung für ihre Partei zu machen!
Fazit
Auch wenn es so scheinen mag, als ob in Zeiten des Wahlkampfes alles erlaubt sei, gibt es doch einige gesetzliche Regelungen, die festlegen, welche Mittel und welche Zeiten für den Wahlkampf genutzt werden können. Der Wahlkampf ist eine wichtige Zeit für Parteien, um die Wähler über ihre Programme und Ziele zu informieren, damit diese in der anstehenden Wahl eine Entscheidung treffen können. Die dazugehörigen Wahlgrundsätze stellen sicher, dass die Wahlen immer demokratisch ablaufen und eine friedliche Wahl gewährleisten können.