Erst denken, dann reden?!
Die juristische Berufspraxis ist stark durch Sprache – genauer Rhetorik – geprägt. Große Redner haben häufig einen juristischen Hintergrund, etwa Barack Obama oder Mahatma Gandhi.
Im Studium bieten sich allerdings nicht viele Gelegenheiten kommunikative Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Manch einem wird das vielleicht auch Recht sein, aber früher oder später wirst du überzeugen müssen. Bereits im Referendariat musst du Aktenvorträge halten, im anwaltlichen Beruf wirst du Mandantengespräche führen. Du solltest jedenfalls in der Lage sein auch spontan deine Rechtsauffassung gegenüber deinen Kollegen vertreten zu können. Du willst als selbstsicherer Jurist auftreten und deine Sprache soll deinem Wissen nicht im Wege stehen, dann sind Rhetorik und Präsentationstechniken elementar.
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An fast jeder Universität wird daher eine Schlüsselqualifikation angeboten, die sich mit Sprache und Rhetorik befasst. Einige Bundesländer bietet solche Kurse auch während des juristischen Vorbereitungsdienstes an.
Rhetorik? Was genau lerne ich in solchen Kursen?
Du kannst dort lernen, wie du deine Rhetorik verbessern kannst, um das was du sagen willst, auch richtig zu übermitteln und dein Gegenüber von dir und deinen Argumenten zu überzeugen. Dafür lernst du verschiedene Argumentationstechniken kennen und kannst an einer klaren Argumentationsstruktur arbeiten um glaubhaft und authentisch deine Botschaft zu vermitteln.
Du lernst verschiedene Methoden, die du einsetzen kannst, um nicht abzuschweifen und auch wirklich das auszudrücken, was du dir vorgenommen hast. Eine solche Methode kann zum Beispiel die Zielsatz-Methode sein, bei der man in der Redevorbereitung bereits den letzten Satz, den sog. Zielsatz, formuliert. Auch das sog. Fünfsatz-Model wirst du kennenlernen. Der Vortrag nach dem Stichwortmanuskript (das „Sprechdenken“) wird dir beigebracht und sowohl die einfache als auch die erweiterte Standpunktformel wird dir danach etwas sagen. Was kannst du gegen Lampenfieber vor der Rede tun? Du lernst mit Sprechängsten umzugehen und was zu tun ist, wenn du während eines Vortrags den Faden verlierst. Mithilfe von Stimmbildungsübungen kannst du auch daran arbeiten wie deine Stimme klingt und wie sie auf andere wirkt. So kannst du vermeiden, dass deine Stimme beim Vortrag zittert.
JurCase informiert:
In unserem Beitrag Mit der Stimme die Karriereleiter erklimmen erhältst du einen genauen Einblick, warum Stimmtraining für Juristinnen und Juristen sinnvoll ist.
Die gelernten Techniken sollen also verhindern, dass dir die Worte fehlen und du den Faden verlierst. Ein Vortrag aus dem Stehgreif zu halten oder das Verfassen eines Statements soll hinterher nicht mehr zu deinem Alptraum werden.
Auch wie man nonverbale Kommunikation für sich einsetzen kann, wirst du hier erfahren. Du lernst ob und wann du Blickkontakt mit deinem Publikum aufnimmst oder wie du deine Aussagen mit Gesten unterstreichen kannst. Auch deinen Tonfall und deine Sprechgeschwindigkeit, ebenso wie gezielte Sprechpausen kannst du nutzen, damit dein Vortrag weder gehetzt noch einschläfernd wirkt.
Du wirst auch Strategien kennenlernen, durch die du je nach Situation locker oder scharf auf Angriffe und Kritik reagieren kannst, ohne, dass du an Souveränität verlierst. Du lernst eine eigene Reaktion zu entwickeln, die humorvoll, diplomatisch oder auch hart sein kann, aber stets angemessen sein wird. Dies alles gehört dann zu deiner persönlichen Rhetorik.
Das Erlernte wird praktisch geübt und meist mit einer Kamera aufgenommen um das Video anschließend gemeinsam zu analysieren und ein Feedback zu erarbeiten. Dabei kannst du viel über deine Selbst-und Fremdwahrnehmung erfahren und diese gezielt verbessern.
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An den meisten Unis muss kein gesonderter Leistungsnachweis erbracht werden. Es wird aber eine regelmäßige und aktive Teilnahme gefordert, so wird die Veranstaltung etwa an der FU Berlin mit „Nicht bestanden“ bewertet, wenn nicht aktiv teilgenommen wird. An einigen Unis muss eine Prüfungsleistung erbracht werden, an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg z. B. eine mündliche Leistung.
Eine besondere Erfahrung: Recht und Rhetorik an der Uni Tübingen
An der Uni Tübingen kann man eine besondere Zusatzqualifikation erwerben, bei der Rhetorik- und Jurastudenten miteinander lernen. Neben einem viel tieferen Einblick in die Rhetorik, hast du auch die Möglichkeit Studenten aus einer anderen Fakultät kennen zu lernen.
Das Studienprogramm Recht und Rhetorik ist eine Kooperation der Juristischen Fakultät und des Rhetorischen Seminars und umfasst zwei Semester. Im Sommersemester hörst du juristische und im Wintersemester rhetorische Themenschwerpunkte. Pro Semester ist eine Vorlesung und ein Praxisseminar, inklusive Klausur bzw. mündlicher Prüfung, zu absolvieren.
Sommersemester: Modul I Grundlagen des Rechts in Theorie und Praxis
In dieser Vorlesung soll ein grundsätzliches Verständnis für Wirtschaftsrecht erlangt werden. Du kannst einen Schwerpunkt wählen und besuchst dementsprechend eine Vorlesung zum Öffentlichen Recht (Staatsorganisationsrecht oder Grundrechte), zum Arbeitsrecht (Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht), zum Wettbewerbsrecht (Einführung in die ökonomische Theorie des privaten Wirtschaftsrechts) oder zum Zivilprozessrecht (ZPO I).
Außerdem besuchst du das Praktikerseminar „Recht in der praktischen Anwendung“, in dem du lernst, rechtliche Probleme des nationalen und internationalen Wirtschaftsverkehrs praxistauglich zu lösen. Dabei geht es sowohl um die Gestaltung wirtschaftsrechtlicher Beziehungen als auch um Beilegung auftretender Konflikte. Dabei lernst du Felder juristischer Praxis kennen, in denen Rhetorik von besonderer Bedeutung ist.
Wintersemester: Modul 2: Grundlagen der Rhetorik in Theorie und Praxis
In der Vorlesung erwirbst du Kenntnisse zum grundsätzlichen Verständnis der Rhetorik, zur geschichtlichen Entwicklung der Rhetoriktheorie und zur rhetorischen Analyse.
Im Praxisseminar „Rhetorik in der praktischen Anwendung“ sollst du die Fähigkeit erlernen, Gedanken motivierend, glaubwürdig und überzeugend darzustellen und Redesituationen vor Publikum zielgruppenorientiert zu meistern. Dies soll danach auch bei komplexen Themen kein Problem mehr für dich darstellen.
Fazit
Egal wie umfangreich die Schlüsselqualifikation Rhetorik an deiner Uni ist, sie ist eine gute Wahl. Du kannst dein Selbstbewusstsein stärken und lernst wie du verhinderst, dass deine sprachliche Gewandtheit durch Kommentare von außen verloren geht oder bröckelt. Es wird ein Rüstzeug geschaffen, mit dem du klar und selbstbewusst auftreten kannst. Das wird dir nicht nur in der juristischen Praxis, sondern auch im alltäglichen Leben zugutekommen.