Mein erster Aktenvortrag
Der Aktenvortrag ist ein wichtiges Werkzeug für jeden Juristen, der im Team arbeitet. Der Aktenvortrag dient nämlich dazu, einen Sachverhalt in aller Kürze darzustellen, ihn rechtlich zu würdigen und einen entsprechenden Entscheidungsvorschlag zu machen, der sodann in einer Diskussion näher erörtert wird. Rechtsreferendare müssen den Aktenvortrag jedoch nicht nur für die Praxis können, sondern er ist regelmäßig auch Teil des Zweiten Staatsexamens. In Hessen beispielsweise fließt die Note zum Aktenvortrag zu 10 % in die Gesamtnote ein. Damit wird auch seine Relevanz deutlich. Was genau von einem Aktenvortrag erwartet wird, mit welchen Kenntnissen ich an meinen ersten Aktenvortrag herangegangen bin und wie es lief, erfahrt ihr hier:
Was genau wird von einem Aktenvortrag erwartet?
Der Aktenvortrag selbst dauert 10, maximal 12 Minuten. Zuvor hat der Vortragende (im Examen) eine Stunde Zeit diesen vorzubereiten:
Die Bearbeitung der Akte
Im Examen empfiehlt es sich, zunächst den Bearbeitervermerk zu lesen, da dieser durchaus interessante Informationen enthalten kann, insbesondere ob Ausführungen zu den Kosten des Rechtsstreits sowie zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erlassen wurden, das heißt eine Bearbeitung dieser Punkte nicht notwendig ist.
Ein Viertel der Zeit sollte sodann für das Erfassen des Sachverhalts genutzt werden (inklusive Bearbeitervermerk). Sinnvoll ist es, den Sachverhalt mindestens zweimal zu lesen, um nichts Wichtiges zu übersehen.
Die nächsten rund 30 Minuten sind nun in die Ausarbeitung der Lösungsskizze für die rechtliche Würdigung zu investieren. Dabei ist stets die oberste Regel zu beachten: Keine überflüssigen Informationen! Das heißt, die Notizen sind stichpunktartig zu verfassen.
Inhaltlich ist die Ausarbeitung der Lösungsskizze stets davon abhängig, ob dieser aus Sicht eines Richters, eins Anwaltes oder Staatsanwaltes erfolgt.
Beabsichtigt man bestimmte Stellen aus der Akte selbst zu zitieren, wie z.B. längere Anträge oder relevante Klauseln in einem Vertrag, sollten diese deutlich mit Textmarkern oder Post-Its markiert werden, damit sie schnell wiederzufinden sind.
Der Vortrag
Es ist auf eine freie und verständliche Sprechweise und Sprache zu achten. Freie Rede bedeutet dabei, dass nicht von den angefertigten Notizen abgelesen wird, sondern der Vortrag anhand der vorliegenden Stichpunkte entwickelt wird. Dabei sollten alle Prüfer regelmäßig direkt angesprochen und angesehen werden. Zu verwenden sind klare und einfache Sätze, Füllwörter und umgangssprachliche Redewendungen sollten vermieden werden. Bestenfalls sollte ruhig und betont in ausreichender Lautstärke gesprochen werden. Etwaige Pausen oder Betonungen sollten dabei nicht künstlich wirken. Unterstützende Gesten sind – wenn überhaupt – nur sehr sparsam einzusetzen.
Der Aufbau des Vortrages in der Übersicht:
- Einleitung
- Sachverhaltsschilderung
- Kurzvorschlag
- Rechtliche Würdigung
- Entscheidungsvorschlag
Mit welchen Kenntnissen bin ich an meinen ersten Aktenvortrag heran gegangen?
In unseren beiden Einführungswochen zur Zivilstation wurde der Aktenvortrag nicht wirklich besprochen. Unser AG-Leiter, der nur die Einführungs-AG betreute, hat uns lediglich ein kleines Skript hierzu ausgeteilt. Unsere AG-Leiterin der Regel-AG ist durchaus praktischer und weniger auf reinen Frontalunterricht orientiert. So hat sie beispielsweise direkt zu Beginn angekündigt, dass zwei bis drei Aktenvorträge pro Person während der Zivilrechtsstation geplant seien, weshalb sich bereits für die zweite Woche die ersten drei Freiwilligen melden sollten. Da meine Einzelausbilderin zu diesem Zeitpunkt noch im Urlaub war, ich mich also „nur“ um ihre beiden – wenngleich auch sehr umfangreichen – Arbeitsaufträge kümmern musste, dachte ich mir, sei es eine gute Idee, mich als erster Freiwilliger zu melden. Schließlich habe ich genügend Zeit, um mir die Gepflogenheiten des Aktenvortrages „schnell“ anzueignen – so dachte ich zumindest.
Mangels etwaiger Kenntnisse habe ich mir erst einmal drei unterschiedliche Skripte zum Aktenvortrag angeschaut und mir mit den unterschiedlichen Informationen ein eigenes, umfangreiches Skript, mit allen wichtigen Inhalten und Formulierungen etc., erstellt. Allein diese theoretische Aufarbeitung dauerte knapp zwei Tage. Damit hatte ich in der Tat nicht gerechnet, die Arbeit sollte sich aber lohnen.
Mein erster Aktenvortrag: Ein rückblickendes Resümee
Der Aktenvortrag hatte die Herausgabe einer Schrankwand zum Inhalt. Auf den ersten Blick war es ein recht einfach gelagerter Fall, weshalb ich mit der Bearbeitung der Akte schneller fertig war als gedacht. Ich hatte somit ausreichend Zeit, um den Aktenvortrag einmal von vorne bis nach hinten laut vorzusprechen – quasi als Generalprobe. Dies war sinnvoll, da ich doch einige Male ins Stocken gekommen bin. Der Aktenvortrag selbst lief dann aber durchgehend flüssig. Beunruhigt war ich allein von der Tatsache, dass ich bereits nach 6 Minuten fertig war…
Nach den drei Vorträgen haben wir zunächst die Lösung des Falls besprochen. Dabei durfte ich erfreulicherweise feststellen, dass meine Beunruhigung doch umsonst gewesen war. Zwar hätte ich an einer Stelle den Sachverhalt ein klein wenig ausführlicher darstellen können, dies war insgesamt aber kein Beinbruch. Die rechtliche Würdigung hatte keine Lücken, allenfalls hätte ich auch hier zwei, drei Sätze mehr bringen können. Beides bestätigte mir auch die AG-Leiterin im Anschluss der AG bei dem Feedback-Gespräch. Im Ergebnis lief der Aktenvortrag also gut, vor allem mit Blick auf die Tatsache, dass es der erste Vortrag überhaupt war. Damit war ich mit meiner Leistung völlig zufrieden.
Fazit: Vorbereitung ist das A und O
Dies gilt nicht nur für den groben Aufbau eines Aktenvortrages, sondern auch hinsichtlich der Standard-Formulierungen. Bereits nach dem ersten Aktenvortrag wird klar, dass es sich durchaus lohnt, diese auswendig zu lernen. Ansonsten ist flüssiges freies Sprechen genauso unerlässlich wie überzeugende Präsentation.
– Sebastian Klingenberg, Referendar und Doktorand aus Hessen
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