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Gewusst

Verkehrszeichen im Öffentlichen Recht

By 27. Mai 2021März 15th, 2022No Comments

„Mein Auto ist weg!“

Verkehrszeichen sind dazu da, eine Situation im Straßenverkehr für eine große Anzahl von Verkehrsteilnehmenden zu regeln. Es gibt auch Situationen, in denen Verkehrsschilder vorübergehend aufgestellt werden, zum Beispiel auf Grund von Bauarbeiten. Dabei kann es zum Abschleppen von Fahrzeugen kommen. Dies ist oft Gegenstand einer verwaltungsrechtlichen Klausur und ein Klassiker des Öffentlichen Rechts. Dies gilt jedoch nicht nur für das Erste, sondern auch für das Zweite Examen. Denn nicht selten muss der Prüfling im Assessorexamen – jeweils nach vorangehendem Gutachten – aus behördlicher Sicht eine entsprechende Entscheidung treffen oder aus anwaltlicher Sicht eine entsprechende Klage gegen die Behörde verfassen.

Rechtliche Einordnung eines Verkehrszeichens

Bei einem Verkehrszeichen handelt es sich um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung, § 35 S. 2 VwVfG. Allgemeinverfügungen richten sich an einen bestimmten Kreis mehrere Personen und haben dieselben Regelungswirkung wie ein Verwaltungsakt an eine Person. Gegen solche Allgemeinverfügungen ist im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO vorzugehen. Diese Allgemeinverfügungen vertreten quasi einen Polizeivollzugsbeamten, der an dieser Stelle diese Anweisung geben würde. Als Dauerverwaltungsakt ist auch meistens noch keine Erledigung eingetreten. Die Anfechtungsfrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe, allerdings fehlt hier grundsätzlich die Rechtsmittelbelehrung, weshalb die Frist sich auf ein Jahr verlängert (§ 58 VwGO). Die Bekanntgabe stellt das Aufstellen des Schildes dar.

JurCase informiert:

Es kommt damit also grundsätzlich nicht auf die tatsächliche Wahrnehmung des Betroffenen an. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht [BVerfG] im Jahr 2009 so auch bestätigt. Im darauffolgenden Jahr gab es wohl aber ein – nicht ganz unumstrittenes – Umdenken, wonach die Anfechtungsfrist erst zu laufen beginne, wenn der Verkehrsteilnehmer sich der Regelung des Verkehrsschildes erstmalig gegenübersieht. Diese Problematik ist in der (Examens)Klausur also entsprechend zu diskutieren.

Abschleppfälle

Der Zeitpunkt des Aufstellens eines Verkehrszeichens, wie z. B. eines Parkverbotes, wird in der Klausur bei den sogenannten „Abschleppfällen“ relevant. Dabei wird ein KFZ von der Polizei abgeschleppt und meistens wird darum gestritten, wer den Abschleppvorgang zahlen muss und ob dieser überhaupt rechtmäßig war.

Zunächst muss die passende Rechtsgrundlage für die Polizei ermittelt werden. In Betracht kommen § 44 Abs. 2 S. 2 StVO und die Ersatzvornahme aus den Landespolizeigesetzen.

Nach § 44 Abs. 2 StVO kann die Polizei bei Gefahr im Verzug vorläufige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung treffen. Allerdings ist ein Abschleppen gerade keine vorläufige Maßnahme, sondern das KFZ wird endgültig zu einem anderen Ort gebracht. Daher scheidet diese Norm aus. Deshalb kommt bei einem Abschleppen aufgrund eines Verkehrszeichens nur die Ersatzvornahme als Rechtsgrundlage in Betracht.

JurCase informiert:

Bei einem Abschleppen ohne Verkehrszeichen, etwa wegen einer gesetzlichen Regelung wie in § 10 StVO, kommt – je nach eigener Ansicht – entweder eine unmittelbare Ausführung oder ein Sofortvollzug, jeweils gemäß entsprechender landespolizeirechtlicher Norm, in Betracht.

Es besteht jedoch auch grundsätzlich die Möglichkeit einer Sicherstellung einer Sache nach jeweiliger landespolizeirechtlicher Norm. Die Polizei kann danach eine Sache sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen. Dies wäre der Fall, wenn ein KFZ zum Schutz vor fremdem Zugriff wie z. B. Diebstahl abgeschleppt wird.

Bei einem Verkehrszeichen ist umstritten, ob es sich um eine Sicherstellung handeln kann. Nach einer Ansicht reicht ein bloßes Bringen des KFZ zum Abschleppgelände nicht aus, da nur Mitgewahrsam begründet werde und nicht die notwendige Beendigung des Gewahrsams des Eigentümers.

Nach anderer Ansicht werde durch das Abschleppen gerade der Gewahrsam es Eigentümers aufgehoben und neuer, behördlicher Gewahrsam begründet. Die herrschende Meinung spricht sich gegen eine Sicherstellung aus. In Betracht komme dann die Vollstreckung des Wegfahrgebotes im Wege der Ersatzvornahme, geregelt in den Landespolizeigesetzen.

Mobile Verkehrszeichen

Wird ein Auto geparkt und später wird ein Halteverbotsschild aufgestellt, kann es passieren, dass das KFZ abgeschleppt wird. Nach herrschender Meinung handelt es sich dabei um eine Ersatzvornahme. Voraussetzung dafür ist, dass ein wirksamer Verwaltungsakt vorliegt. Ein Verwaltungsakt ist nach § 43 Abs. 1 VwVfG wirksam, wenn er bekannt gegeben wurde. Die Bekanntgabe eines Verkehrszeichens erfolgt nach der StVO durch das Aufstellen des Schildes.

JurCase informiert:

Für die Wirksamkeit ist es nicht erforderlich, dass die Verkehrsteilnehmenden dieses Verkehrszeichen tatsächlich wahrgenommen haben. Das Zeichen muss lediglich durch einen raschen Blick wahrnehmbar sein.

Laut Bundesverwaltungsgericht (BVerwG NJW 1997, 1021) verdrängen die Vorschriften der StVO über die Wirksamkeit von Verkehrsschildern (§§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 4 StVO) die allgemeinen Vorschriften über Verwaltungsakte und damit kommt es auf die tatsächliche Kenntnisnahme nicht an. Das Wegfahrgebot ist sofort vollziehbar, § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO analog.

Nach dieser Ansicht ist die Ermächtigungsgrundlage dann die Ersatzvornahme. Lehnt man die Ansicht ab, dann ist die Ermächtigungsgrundlage die unmittelbare Ausführung / sofortiger Vollzug. Die Literatur nimmt an, dass die Bekanntgabe des Verkehrszeichens erst dann eintritt, wenn der Verkehrsteilnehmer sich erstmalig in den Bereich des Zeichens begibt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat weiterhin entschieden, dass es auf der zweiten Stufe eine Verhältnismäßigkeitsprüfung geben muss. Wurde das Halteverbotszeichen vier Tage nach dem Parken des KFZ aufgestellt, sei das Abschleppen verhältnismäßig. In diesem Zeitraum müssten KFZ-Eigentümer nach ihrem Fahrzeug sehen, auch, wenn sie es nicht bewegen oder im Urlaub sind.

Klausurtipp

Verlangt der Eigentümer die Rückzahlung der Abschlepp- und Unterstellkosten, kann er dies im Wege der allgemeinen Leistungsklage nach § 43 Abs. 2, § 111 S. 1 VwGO tun, wenn die Abschleppmaßnahme rechtswidrig gewesen wäre. Dies ist nach herrschender Meinung eine Ersatzvornahme, nach Mindermeinung eine Sicherstellung des KFZs. (BVerwG Urt. v. 11.12.1996 – 11 C 15/95). Es muss dann bei der materiellen Rechtmäßigkeit die Rechtsmäßigkeit des Kostenbescheides geprüft werden und dabei indiziert auch die Rechtmäßigkeit des Aufstellens des Schildes. Ein interessantes Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ist auch eine Klage gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung gewesen, welches man sich für eine verwaltungsrechtliche Klausur mal anschauen kann (BVerwG Urt. v. 13.12.1979 – 7 C 46.78).

JurCase informiert:

Abschleppfälle spielen aber auch im Zivilrecht eine Rolle. Unseren #Gewusst-Beitrag dazu findest du hier.

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Beitragsautor:

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie absolvierte nach ihrem Jurastudium ein Auslandsstudium in Aberdeen für den Master of Laws (LL.M.). Zu Beginn ihrer Tätigkeit bei uns schrieb sie hauptsächlich über das Studium. Im Anschluss dessen berichtete sie von ihrem Masterstudium. Außerdem leistete sie einen maßgeblichen Beitrag für unsere #Gewusst-Reihe.

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