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Gewusst

Unterschiede zwischen dem Ersten und Zweiten Staatsexamen

Assessorexamen

Der Schwerpunkt der schriftlichen Klausuren des Ersten Staatsexamens liegt im Wesentlichen in der Erstellung eines Gutachtens zu einer rechtlichen Fragestellung. Diese lautet oft kurz und knapp „Wie ist die Rechtslage?“. Im Zweiten Staatsexamen sind die schriftlichen Klausuren jedoch weitaus vielfältiger. Eine (ggf. noch nicht einmal) abschließende Übersicht über die verschiedenen Klausurtypen erhalten die Rechtsreferendar:innen erst in der Anwaltsstation, also nach über einem Jahr juristischen Vorbereitungsdienst. Dies zumindest, wenn man sich nicht vorher anderweitig darüber informiert. Im folgenden Beitrag soll deshalb ein grober Überblick über die Unterschiede zwischen dem Ersten und Zweiten Staatsexamen gegeben und auf die Frage „Was erwartet mich genau im Zweiten Staatsexamen?“ eingegangen werden.

Die Klausuren im Ersten Staatsexamen

In aller Regel besteht der staatlichen Teil des Ersten Staatsexamens aus sechs schriftlichen Klausuren und einer mündlichen Prüfung.

Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung ist Sache der Länder, mithin der jeweiligen Justizprüfungsämter (JPA). Einheitlichkeit besteht lediglich dahingehend, dass stets alle drei „großen Rechtsgebiete“ abgeprüft werden: Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht. In einigen Bundesländern ist eine der sechs Klausuren eine Art Wahlfachprüfung, und damit ausdrücklich beispielsweise im Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht oder auch Europarecht.

Das Ziel der schriftlichen Klausuren im Ersten Staatsexamen ist die Erstellung eines Gutachtens zu einer bestimmten Rechtsfrage, die bewusst offen gehalten (z.B.: „Wie ist die Rechtslage?“) oder auch sehr speziell sein kann (z.B.: „Hat A einen Herausgabeanspruch?“). Hierfür erhalten die Prüflinge einen vorgegebenen Sachverhalt, der üblicherweise ein bis zwei Seiten umfasst und der alle relevanten Fakten und Umstände des Falls enthält. Damit wird den Prüflingen eine konkrete rechtliche Situation vorgegeben, die sie analysieren und insoweit erkannte rechtliche Probleme lösen müssen. Dabei wird nicht nur juristisches Wissen, sondern auch die Fähigkeit zur rechtlichen Argumentation bewertet, die schließlich auf die jeweilige Gesetzeslage, Gerichtsentscheidungen und rechtliche Prinzipien basieren soll. Da es in aller Regel zu bestimmten rechtlichen Problemen verschiedene Ansichten gibt, ist für eine erfolgreiche Klausurbearbeitung auch die Fähigkeit zur Abwägung von Argumenten entscheidend.

Für die Bearbeitung einer Klausur haben die Prüflinge regelmäßig fünf Zeitstunden.

Die Bewertung der Klausuren erfolgt in der Regel anhand klar definierter Kriterien. Dazu gehören die Genauigkeit der rechtlichen Analyse, die Qualität der rechtlichen Argumentation, ggf. auch die Fähigkeit zur Gegenargumentation, die Anwendung der Gesetze auf den Sachverhalt und schließlich die Qualität der vorgeschlagenen Lösung.

Sinn und Zweck dieser Klausuren im Ersten Staatsexamen ist die Prüfung, ob die Prüflinge die vorgenannten Fähigkeiten tatsächlich beherrschen und dadurch in der Lage sind, auch komplexe und/oder unbekannte rechtliche Probleme zu lösen.

JurCase informiert:

Die genauen Anforderungen und Bewertungskriterien können je nach Bundesland und Prüfungsamt variieren. Daher solltest du dich frühzeitig mit den jeweiligen Vorgaben vertraut machen. Entscheidend für eine erfolgreiche Klausur ist überdies eine gute Vorbereitung, die neben einfacher Lektüre vor allem auch aus einer Vielzahl von Übungsklausuren bestehen sollte.

Die Klausuren im Zweiten Staatsexamen

Der schriftliche Teil des Zweiten Staatsexamens besteht in den meisten Bundesländern aus acht Klausuren. Ausnahmen hiervon bilden Brandenburg mit lediglich sieben Klausuren und Bayern mit neun Klausuren (ehemals sogar elf Klausuren). Die Prüflinge haben – wie auch bei der sog. Ersten Juristischen Prüfung – grundsätzlich fünf Zeitstunden für die Bearbeitung jeder Klausur.

Hinsichtlich der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung gilt insoweit das oben Gesagte entsprechend.

Der Sinn und Zweck der Klausuren im Zweiten Staatsexamen, der sog. Assessorklausuren, liegt in der praktischen Anwendung des erworbenen juristischen Wissens. Dadurch ergeben sich im Vergleich zur Ersten Juristischen Prüfung insbesondere folgende Unterschiede:

  • Es gibt keinen vorgefertigten Sachverhalt. Die Prüflinge müssen vielmehr den Sachverhalt selbst zusammenstellen, wobei ihnen ein sog. Aktenauszug zur Verfügung gestellt wird, der üblicherweise zwischen 8 und 15 umfasst. Dieser beinhaltet, je nach Prüfungsaufgabe, anwaltliche oder behördliche Schriftsätze, Schriftsätze der Gegenseite, Polizeiberichte, Verträge, Grundbuchauszüge, Urteile oder vergleichbaren Akteninhalt.
  • Während im Ersten Staatsexamen in den schriftlichen Prüfungen stets juristische Gutachten zu erstellen waren, gibt es beim sog. Assessorexamen eine Vielzahl von möglichen Klausurtypen. Die wichtigsten Klausurtypen sind:
    • Urteil: Die Prüflinge müssen hierbei ein Gerichtsurteil verfassen. In aller Regel wird dieser Klausurtyp in zivilrechtlicher Gewandung geprüft. Es kann jedoch vorkommen, dass auch ein Strafurteil oder ein Verwaltungsurteil angefertigt werden muss.
    • Beschluss: Hier müssen die Prüflinge einen Gerichtsbeschluss verfassen. Dieser Klausurtyp wird in aller Regel in Rahmen des verwaltungsrechtlichen einstweiligen Rechtsschutzes geprüft. Es kann jedoch vorkommen, dass auch Beweisbeschlüsse oder andere Beschlüsse angefertigt werden müssen.
    • Anklage: Bei diesem Klausurtyp müssen die Prüflinge aus der Sicht der Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift anfertigen. Die Anklageschrift basiert auf ein zuvor anzufertigendes Gutachten. Es kann vorkommen, dass die Prüflinge zu dem Ergebnis kommen, dass im jeweiligen Fall eine Anklage mangels hinreichenden Tatverdachts nicht in Betracht kommt. In diesem Fall müssen sie stattdessen eine Einstellungsverfügung erstellen. Ferner können auch andere staatsanwaltschaftliche Verfügungen, wie Einstellungsverfügungen nach § 153 StPO oder § 153a StPO, Prüfungsinhalt sein.
    • Erstbescheid / Widerspruchsbescheid: Dieser Klausurtyp ist aus der Sicht einer Verwaltungsbehörde anzufertigen. Je nach Aktenlage ist ein Erstbescheid formgerecht zu erstellen. Sollte nach Aktenlage bereits ein Widerspruch ergangen sein, so ist ein Widerspruchsbescheid zu erstellen. Bei diesem Klausurtyp ist in aller Regel ebenso zunächst ein entsprechendes Gutachten zu erstellen.
    • Anwaltsklausur (Kautelarklausur): Bei diesem Klausurtyp müssen die Prüflinge ebenso zunächst ein Gutachten zu denjenigen rechtlichen Problemen erstellen, die sich aus dem Aktenauszug ergeben. Sie müssen sodann aus anwaltlicher Sicht ein weiteres Vorgehen vorschlagen. Dies kann eine Klageerhebung sein. Die Prüflinge müssen daher dann eine formgerecht Klage entwerfen. Je nach Aktenlage kann der praktische Teil dieses Klausurtyps auch bei der Erstellung einer Klageerwiderung liegen. Des Weiteren sind in aller Regel auch Schriftsätze an die Mandantschaft oder auch an die Gegenseite bzw. an eine Behörde anzufertigen.
    • Relationsgutachten: Hierbei handelt es sich im Grunde um eine spezielle Ausgestaltung eines Gutachtens, von der in aller Regel Zivilrichter:innen Gebrauch machen. Die Besonderheit ist hier, dass die gutachterlichen Prüfungen in einzelnen Stationen erfolgt: Prozessstation (Zulässigkeit der Klage), Klägerstation, Beklagtenstation, Beweisstation und Tenorierungsstation.
  • Bei der Erstellung eines Gutachtens im Zweiten Staatsexamen, sei es ein anwaltliches, staatsanwaltliches oder behördliches Gutachten, ist ein besonderer Schwerpunkt auf der Zweckmäßigkeitserwägung, die verschiedene Interessen und Faktoren gegeneinander abwägt. Dabei geht es beispielsweise auch um Fragen der Beweislast oder der Verhältnismäßigkeit.
  • Aufgrund der eher praxisbezogenen Ausgestaltung der Assessorklausuren ist bei der Bearbeitung der Arbeiten die Verwendung von Kommentare nicht nur zulässig, sondern auch besonders ratsam. Welche Kommentarliteratur konkret zugelassen ist, wird von den Justizprüfungsämter der Länder festgelegt.

Die Bewertung der Klausuren erfolgt – wie auch beim Ersten Staatsexamen – anhand klar definierter Kriterien. Zu nennen sind dabei vor allem die Fähigkeit zur rechtlichen Analyse, die Qualität der rechtlichen Argumentation, die Anwendung der Gesetze und Rechtsprechung auf den konkreten Fall sowie die Praxisnähe der Lösungsvorschläge. Berücksichtigt werden bei den konkret ausgestalteten Lösungsvorschlägen auch rein formale Gesichtspunkte, wie beispielsweise das vollständige Rubrum bei einem Urteil.

JurCase informiert:

Beliebte formale Fehler sind das Vergessen des Aktenzeichens im Rubrum oder die Unterschrift(en) der am Urteil beteiligten Richter:innen oder des bzw. der an der Anklageschrift beteiligten Staatsanwalts bzw. Staatsanwältin. Solche Fehler werden in aller Regel mit strengen Punktabzügen bestraft, während die Berücksichtigung sämtlicher Formalien zu keinen Notenbesserungen führt. Damit dir solche Fehler nicht passieren, empfiehlt es sich, frühzeitig mit Skripten zu arbeiten, die sämtliche Fehlerquellen auflisten. Des Weiteren unterstützt dich auch JurCase dabei, Assessorklausuren richtig und erfolgreich zu schreiben.

Weitere Bewertungskriterien sind zudem die Verständlichkeit und Struktur der schriftlichen Arbeiten, was auch gut formulierte Sätze und eine präzise Ausdrucksweise umfasst, sowie die Fähigkeit zur rechtlichen Beratung von Mandant:innen. Schließlich wirkt sich ein gutes Zeitmanagement ebenso positiv auf die Gesamtbewertung aus. Wie auch bei den schriftlichen Klausuren der Ersten Juristischen Prüfung können auch hier die genauen Anforderungen und Bewertungskriterien je nach Bundesland und Prüfungsamt variieren.

JurCase informiert:

Es gibt jedoch nicht nur Unterschiede bei den schriftlichen Klausuren des Ersten und Zweiten Staatsexamens, sondern grundsätzlich auch bei der Mündlichen Prüfung. In beiden Klausuren gibt es die sog. Prüfungsgespräche in den drei Rechtsgebieten Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht. Beim Zweiten Staatsexamen kommt – mit Ausnahme von Bayern – noch ein Aktenvortrag hinzu, der in einigen Bundesländern eine starke Gewichtung hat. Deshalb lohnt es sich, auch frühzeitig mit dem Lernen von Aktenvorträgen zu beginnen. Bei uns findest du eine Vielzahl von kostenlosen Aktenvorträgen zum Selbststudium.

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Beitragsautor:

Sebastian M. Klingenberg

Sebastian M. Klingenberg

Redaktionsleiter bei JurCase
Rechtsassessor, Promotionsstudent, Freiberufler

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